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Steigen die Löhne?

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Hohe Lebenshaltungskosten und steigende Inflation: Die Forderung nach Lohnerhöhungen wird lauter, doch die Wirtschaft bremst.

von Heinrich Schwarz

Mit über sechs Prozent hat die Inflation in Südtirol ein Ausmaß erreicht, das es seit Jahrzehnten nicht mehr gegeben hat. Die hohe Inflation, die vorwiegend von den Energiepreisen getrieben wird, nagt an der Kaufkraft der Bürger. Zum einen verlieren die Ersparnisse an Wert, zum anderen kann man sich auch mit dem Monatsgehalt weniger leisten, wenn es nicht mit der Inflation Schritt hält.

Die logische Folge ist, dass jetzt die Forderung nach Lohnerhöhungen immer lauter wird. Eine Forderung, die es im Grunde schon seit vielen Jahren gibt. Doch die Wirtschaft hatte immer wieder neue Ausreden parat, um spürbare Lohnerhöhungen abzublocken – bis auf wenige Ausnahmen einzelner Betriebe oder Branchen.

Bis 2014 argumentierte die Wirtschaft mit der anhaltenden Krise, anschließend mit der notwendigen Erholung. Als 2019 – in Zeiten der Hochkonjunktur – auch die Landespolitik den Druck auf die Wirtschaftsverbände erhöhte und sogar im Raum stand, Steuererleichterungen für Betriebe an die Zahlung angemessener Löhne zu koppeln, die den Lebenshaltungskosten in Südtirol entsprechen, schien sich etwas zu tun. Doch dann kam die Corona-Krise.

Und jetzt? Wird das Lohnniveau in Südtirol bald angehoben?

Analysen haben ergeben, dass die Lebenshaltungskosten in Südtirol über 20 Prozent höher sind als in Restitalien, wobei die Tendenz steigend ist, weil Südtirol seit Jahren Spitzenreiter bei der Inflation ist. Das Lohnniveau ist aber keine 20 Prozent höher als im restlichen Staatsgebiet.

Zu dieser grundlegenden Lohnlücke in Südtirol kommt jetzt erschwerend die starke Inflation hinzu.

Was sagen die Wirtschaftsverbände zu den Lohnforderungen? Die Sichtweisen sind unterschiedlich.

Martin Haller, Präsident des Handwerkerverbandes lvh, sagt: „Es ist nicht so, dass die Löhne nicht erhöht worden wären. Es finden ständig Kollektivvertragsverhandlungen – auch auf nationaler Ebene – statt. Weil die Inflation hauptsächlich auf die Energiepreise zurückzuführen ist, muss man aber auch auf die Lohn-Preis-Spirale aufpassen: Im Falle von Lohnerhöhungen würden die Produktpreise ebenfalls wieder steigen. Diese Spirale wäre irgendwann nicht mehr tragbar.“

Haller sieht höhere Löhne nicht als pauschale Lösung. Man müsse in den einzelnen Sektorenverträgen analysieren, was möglich ist.

Um die Kaufkraft der Familien zu stützen, brauche es daneben eine grundsätzliche Diskussion über die Lohnnebenkosten: „Zusätzliche Leistung wie Überstunden oder die Mitarbeit eines Pensionisten wird nämlich durch eine starke Besteuerung bestraft.“

Philipp Moser, Präsident des Handels- und Dienstleistungsverbandes (hds), erklärt zur Lohn-Debatte, dass die Betriebe derzeit durch drei Faktoren finanziell massiv belastet würden: die explodierenden Energiekosten, die Unsicherheiten bei Wareneinkauf und -verkauf sowie den leergefegten Arbeitsmarkt.

Letzterer Faktor – die händeringende Suche nach Mitarbeitern – führe denn auch dazu, dass die Betriebe gute Gehälter bieten würden. „Sonst steht hinter dem nächsten Eck ein anderes Unternehmen, das mehr bietet“, so Moser.

Er sieht im Handel also keine zu niedrigen Löhne. Das sei – wenn schon – in anderen Bereichen wie der Großverteilung der Fall. Man werde aber durchaus Gespräche mit den Gewerkschaften führen.

In der Industrie sieht man die Hausaufgaben als erledigt an. Josef Negri, Direktor des Unternehmerverbandes, sagt: „Die meisten nationalen Kollektivverträge sind termingerecht erneuert worden. Hinzu kommen Vereinbarungen mit den Mitarbeitern auf betrieblicher Ebene, die von sehr vielen Unternehmen umgesetzt werden, weil mittlerweile jeder um Mitarbeiter kämpft und sehr daran interessiert ist, ein gutes Arbeitsumfeld mit entsprechender Entlohnung zu bieten.“

Wie sieht die Situation aus Sicht der Gewerkschaften aus?

Tony Tschenett, Vorsitzender des ASGB, hebt den Abschluss des nationalen Kollektivvertrages in der Industrie positiv hervor, wo man der Inflation Rechnung getragen habe. Im Metallhandwerk sei der nationale Vertrag ebenfalls unterschrieben worden, jetzt warte man auf den Verhandlungsbeginn für den territorialen Zusatzvertrag.

Ansonsten tue sich noch wenig – außer dass auf nationaler Ebene einige Kollektivverträge in Ausarbeitung sind. „Das große Problem ist, dass die Verbände immer warten, bis der nationale Vertrag unterschrieben ist, bevor sie mit dem territorialen beginnen“, erklärt Tschenett.

Handlungsbedarf gebe es sowohl in der Privatwirtschaft als auch im öffentlichen Dienst. Die Forderung der Gewerkschaften lautet Inflationsanpassung. Davon sei man weit entfernt.

Als Beispiel nennt Tony Tschnett den Sektor Handel. Dort sei der nationale Kollektivvertrag seit Jahren ausständig.

In der Landwirtschaft (Obstgenossenschaften), wo es keinen nationalen, sondern nur einen Vertrag auf Landesebene gibt, steht sogar ein Streik im Raum: „Wir haben bereits drei Schreiben verschickt, aber noch keinen Verhandlungstermin für die Erneuerung des Vertrages erhalten. Wenn das so bleibt, werden wir demnächst über einen Streik reden“, kündigt Tschenett an.

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Kommentare (9)

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  • dn

    Steigende Löhne sind nicht im Sinne des Neoliberalismus.

  • honsi

    „Im Falle von Lohnerhöhungen würden die Produktpreise ebenfalls wieder steigen“
    In einer globalisierten Welt inder immer mehr Arbeitsschritte automatisiert werden, halte ich eine solche Aussage für nicht zutreffend.

  • olle3xgscheid

    Martin Haller, Präsident des Handwerkerverbandes lvh, sagt: „Es ist nicht so, dass die Löhne nicht erhöht worden wären. Es finden ständig Kollektivvertragsverhandlungen – auch auf nationaler Ebene – statt.

    Definieren Sie ständig, alle wieviel Jahr. Da rührt sich leider nichts.
    Schlage vor Sie arbeiten ( wenn man das arbeiten heißen darf) für ein Lohn im Handel

  • echnaton

    Ja Löhne werden sich sicher erhöht, wie heuer im Jänner um 1,7% bei einer Inflation von 6,2% und Pensionisten, die unter 1000 bekommen spüren diese Erhöhung gar nicht und fallen auch bei der IRPEF Reform durch den Rost, da der erst Prozentsatz unverändert geblieben ist. Wieder mal erhalten Personen, die schon gute verdienen mehr, als Personen, die unter einem gewissen Betrag (sei Lohn als Pension) bleiben.

  • meintag

    Was spricht ein Tschenett von nationalen Verträgen wenn Er nicht mal im Stande ist auf Landesebene für Klarheit zu sorgen. Es spricht Alleine schon die erhöhte Inflation bei Uns im Gegensatz zum restlichen Italien dafür dass ein ASGB sich in die Hufe stellen und Tatsachen schaffen muss dass das Gross der Arbeitnehmer Jetzt und Heute nicht in die Armut abrutscht.

  • olle3xgscheid

    1.250 € im Handel bei 40 h!!!!
    Noch Fragen?

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