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Himmelserscheinungen in neuem Licht

Das Altarbild von Guercino: Die diffuse Beleuchtung bringt alle Farbnuancen des Altarbildes zur Geltung.

Ein neues Beleuchtungssystem setzt das Guercino-Altarbild in der Domenikanerkirche und die Johanneskapelle endlich ins richtige Licht. Zwei kunsthistorische Juwelen erstrahlen in neuem Glanz.

Die Bozner Domenikanerkirche ist ein kunsthistorisches Juwel. Die gotische Kirche und der Kreuzgang  stellen zwar nur die Reste des 1272 urkundlich erwähnten Dominikanerklosters dar – Kloster und Kirche wurden bei den Bombardierungen des Zweiten Weltkrieges schwer beschädigt – doch sie bergen einige der wichtigsten Kunstwerke der Landeshauptstadt. Die von der Florentiner Familie De Rossi – Botsch gestifteten Fresken der Johanneskapelle, insbesondere die Darstellung des Triumphes des Todes, gelten als Hauptwerk der Giottoschule in Bozen.

Nicht minder bedeutend ist das frühbarocke Altarbild in der Merkantilkapelle. Es stammt von Giovanni Francesco Barbieri, genannt Guercino da Cento, und stellt die Erscheinung von Soriano dar. Die Madonna hält eine Leinwand mit der Vera Effigies des Ordensgründers Dominikus in den Händen. Zu ihren Seiten stehen Maria Magdalena und Katharina von Alexandrien. Der Heiligenlegende gemäß hatte die Madonna einem Domenikanerpater das Bild des Heiligen übergeben, damit dieser es über dem Hochaltar aufhänge.

Das Altarbild war 1654 vom Bozner Merkantilmagistrat in Auftrag gegeben worden. 100 Gulden gab man dem Maler, verlangte jedoch die Garantie, dass das Bild auch von ihm selbst gemalt werde. Das war alles andere als selbstverständlich. Guercino, dem man zu seiner Zeit unter dem Künstlernamen „Der kleine Schieler“ kannte, war ein überaus gefragter Maler, der Bilder häufig von seinen Gehilfen fertig stellen ließ. 1591 in Cento geboren, 1666 in Bologna gestorben, war er einer der bedeutendsten Künstler des Frühbarocks in Norditalien. Auf ihn und seine Werkstatt gehen über 100 Altarbilder und weitere etwa 140 bekannte Gemälde zurück.

Malerisch ist der Autodidakt Guercino ein geradezu klassischer Vertreter des barocken Chiaroscuro zwischen Caravaggio und der Carracci-Familie. Von Ludovico Carracci übernahm er das Studium des menschlichen Körpers am lebenden Modell, das Interesse an natürlichem Licht und dessen Brechung auf der Haut, von Caravaggio die dramatische Lichtführung, die das Fleisch plastisch hervortreten lässt.  Die herangezoomten Gestalten wirken mit ihrer bedrängende Körperlichkeit wie Großaufnahmen im Film.

Die Johanneskapelle: Hauptwerk der Giottoschule in Bozen.

Die Dramatik des dargestellten Augenblicks fängt er in einer kontrastreichen Hell-Dunkel-Malweise ein. Licht ist der Stimmungsfaktor Nummer eins, mit dem die Körper aus dem Dunkel des Bildgrundes herausmodelliert werden. Ein naturalistischer Impetus hat die Idealisierungen der Renaissance abgelöst, Stoffliches und Dingliches, etwa Glas, Haut, Stoffdrapierungen werden im Vordergrund in schlaglichtartiger Beleuchtung vor einem undurchdringlichen Dunkel fast greifbar dargestellt. Man spürt ganz deutlich das Ansinnen des Malers, den Betrachter mit den Dingen, den Körpern selbst und nicht ihren Abbildern zu konfrontieren. Seine Hell-Dunkel-Kontraste werden mit zunehmendem Alter gemäßigter als bei Caravaggio, er setzt die harten Kontraste nur mehr punktuell ein und wurde damit zu einem Vorreiter der über Caravaggio hinausgehenden barocken Malweise.

Erscheinungen und Visionen, die von den Barockmalern so überaus geliebt wurden, brauchen Licht, genaugenommen sind sie Licht. Daran haperte es bislang in der Domenikanerkirche. Das Guercino-Gemälde konnte man ob der Dunkelheit nicht wirklich zur Gänze erkennen, von der Johannes Kapelle ganz zu schweigen. Jetzt erweckt eine neue Lichtinstallation das Gemälde und die Kapelle zu neuem Leben. Ein neues System aus LED-Elementen sorgt für eine diffuse Beleuchtung und bringt alle Farbnuancen sowohl der Fresken als auch des Altarbildes zur Geltung. Die Helix-Optik hebt die bisher wenig kontrastreichen Aspekte der architektonischen Elemente hervor.

Die doppelte Reihe von 128 LEDs, die hinter der Struktur verborgen sind, bringt das Blau des Madonna-Schleiers besonders zur Geltung; die barocken Figuren des Altars bis zu den Friesen und Kapitellen werden nun beleuchtet.  In der Kapelle hingegen verteilt sich das Licht in Strahlengängen zwischen 120 und 25 Grad, die eine klare Sicht bis ganz nach oben ermöglichen; die pulsierende Atmosphäre der verschiedenen Darstellungen werden verstärkt und selbst kleinste, bisher unerforschte Details, wie eine Inschrift an der Westwand, können nun betrachtet werden.

Das vom Verkehrsamt Bozen in Auftrag gegebene und von diesem sowie vom Rotary Club Bolzano Bozen und dem Distrikt 2060 finanzierte Projekt wurde von der Firma Fibretec realisiert. Diese hat unter anderem Kunden wie den Vatikan für die Cappella Paolina, den Domschatz in Mailand, die Stadt New York für die Thermalbäder und den bekannten Brand Dolce&Gabbana, wofür Fibretec die temporären Geschäfte beleuchtet hat.

„Ein herzliches Dankeschön geht an das Landesdenkmalamt, insbesondere an Arch. Scolari, Arch. Bruno Stefani und den Pfarrer Don Mario Gretter, die uns geholfen haben, ein Projekt für die Stadt und ihre Gäste zu verwirklichen“, kommentiert der Präsident des Verkehrsamts Bozen Roland Buratti, zufrieden mit dem Ergebnis und der guten Zusammenarbeit, die zwischen den verschiedenen Akteuren des Projekts entstanden ist.

„Ein prestigeträchtiges Ergebnis, welches sich in die zahlreichen Initiativen einreiht, die der Rotary Club Bolzano Bozen auch in diesen Jahren der Pandemie unterstützt und organisiert hat“, fügt der Präsident des Bozner Clubs Ezio Facchin hinzu, „der auch auf die aktive Unterstützung des Distrikts und seines Präsidenten Raffaele Caltabiano zählen konnte“.  Der Besuch wird durch eine neue Audioführung erleichtert, die über einen QR-Code neben den Werken heruntergeladen werden kann und die Werke in drei Sprachen erläutert. Die Texte wurden von Prof. Giovanni Novello verfasst.

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (1)

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  • andreas1234567

    Hallo nach Südtirol,

    ein wunderschöner Text, interessant, detailreich und flüssig zu lesen.
    Einen lieben Dank an dem im letzten Satz erwähnten Gelehrten.

    Es sind gut angelegte Spendengelder solche Kulturschätze zu bewahren.

    Falls es mal auf Wiedersehen in Bozen heisst schau ich es mir sehr gern an..

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