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Suche nach Strom-Alternativen

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Die Landesregierung beruft nach der heftigen Kritik nun doch einen Energietisch ein, um die Südtiroler Strompolitik zu verbessern. Daneben sollen schnelle Hilfsgelder die explodierenden Strompreise abfedern.

von Heinrich Schwarz

Auf seiner Pressekonferenz am Dienstag hatte Landeshauptmann Arno Kompatscher den Druck gegen sich in der Stromfrage vergrößert. Nachdem Verbände, Verbrauchervereine und Oppositionsparteien eine Abkoppelung vom nationalen Stromsystem forderten, damit Südtirol die Strompreise langfristig selbst regulieren kann, kam von Kompatscher die Message, dass man darüber erst gar nicht reden brauche. Das Ganze sei nämlich weder rechtlich noch faktisch machbar.

Ganz anderer Meinung ist da unter anderem Rudi Rienzner, Direktor des Südtiroler Energieverbandes. Südtirol habe sehr wohl einen Gestaltungsspielraum für die Schaffung eines autonomen Stromsystems, wenn man nur wolle. Rienzner attestierte der Landesregierung im TAGESZEITUNG-Interview fehlenden Willen und fehlende energiepolitische Kompetenz.

Freilich lasse sich damit das Problem der aktuell hohen Strompreise nicht lösen, so Rienzner, allerdings könne sich Südtirol für die Zukunft unabhängig(er) von der staatlichen Stromregulierung und Preisgestaltung machen und den günstigen Strom aus Wasserkraft direkt und günstig an die Haushalte und Betriebe weitergeben.

Am Donnerstag war der Strom das große Thema im Landtag. Es gab eine lange Debatte zu einem Beschlussantrag der Freiheitlichen. Diese forderten – neben kurzfristigen Entlastungsmaßnahmen – einen Austausch mit allen Akteuren im Energiesektor, um nach möglichen mittel- und langfristigen Spielräumen für Südtirol zu suchen.

„Die Heimholung der Energie ist nämlich nicht bei den Verbrauchern angekommen, wie die aktuellen Stromrechnungen zeigen. Es sind nicht alle autonomiepolitischen Möglichkeiten ausgeschöpft worden“, erklärte der Freiheitliche Abgeordnete Andreas Leiter Reber. Er spricht sich für ein Landes-Energie-Netzwerk auf möglichst genossenschaftlicher Basis aus.

SVP-Fraktionssprecher Gert Lanz, der sich in der Debatte gleich zu Wort meldete, kündigte Zustimmung für die Suche nach Lösungsansätzen mit allen Akteuren an. Man dürfe aber nicht in Populismus verfallen und den Eindruck vermitteln, dass sich das Strom-Problem schnell lösen lasse.

Dass es wichtig sei, mit Experten alle Möglichkeiten auszuloten, betonten auch die SVP-Abgeordneten Helmut Tauber, Magdalena Amhof, Helmuth Renzler und Paula Bacher.

Sven Knoll von der Süd-Tiroler Freiheit und Paul Köllensperger vom Team K kritisierten genauso wie der Energieverband die jüngsten Aussagen des Landeshauptmannes. Die Zukunft der Strompolitik sei eine Frage des Wollens. „Wie kann es sein, dass wir mehr Geld für Strom zahlen müssen als Bürger in anderen Regionen? Zudem ist es ein großer Wettbewerbsnachteil, wenn man in Südtirol für den Strom deutlich mehr als etwa in Tirol zahlen muss“, meinte Sven Knoll.

Paul Köllensperger: „Die autonome Gestaltung des Stromsektors ist ein langer Weg, aber seit wann nehmen wir das, was unser Autonomiestatut anbietet, nicht mehr wahr? Wieso das prinzipielle Nein des Landeshauptmannes?“ Der Oppositions-Chef vermutet, dass die Landesregierung nichts tun will, weil ihr das System mit Alperia als Dividendenbringerin für den Landeshaushalt gut passe.

Dazu erklärte auch Andreas Leiter Reber: „Die Heimholung der Energie ist nur dann eine Heimholung, wenn die Bürger und Betriebe direkt eine Entlastung über die Stromtarife erfahren. Und nicht indem man sagt, die Dividenden fließen in den Landeshaushalt ein, womit dann Straßen und Krankenhäuser für alle finanziert werden. Das ist ein Unterschied.“

Zustimmung zu einer Diskussion über alternative Konzepte und neue Wege kam auch von Sandro Repetto (PD) und Josef Unterholzner (Enzian).

Dann die mit Spannung erwartete Stellungnahme von Arno Kompatscher, der sichtlich verärgert über die Aussagen von Rudi Rienzner war, aber doch (oder gerade wegen der Kritik) grünes Licht für einen Energietisch gab. Die aktuell hohen Strompreise werde man mit neuen Konzepten für die Energiewirtschaft zwar nicht lösen können, allerdings werde man darüber reden, ob es bessere Modelle zum Vorteil der Bürger und Betriebe gibt.

„Wir sollten dabei aber nicht in den Populismus verfallen. Ich wundere mich, wenn Energieexperten Aussagen von mir aus dem Kontext reißen“, sagte Kompatscher in Richtung Rudi Rienzner.

Man müsse sich der Komplexität bewusst sein, so Kompatscher. Eine genossenschaftliche Lösung sei theoretisch wunderbar, aber in der praktischen Umsetzung kompliziert und führe nicht unbedingt zu Vorteilen gegenüber der heutigen Situation mit Alperia im Eigentum von Land und Gemeinden.

Auch die Schaffung einer eigenen Regulierungsbehörde sei grundsätzlich möglich, aber es sei angesichts der strengen EU-Gesetzgebung fraglich, inwieweit man wirklich regulieren könnte. Und man müsse aufpassen, dass Südtirol mit einer eigenen Tarifgestaltung am Ende nicht draufzahlt.

„Ich hoffe, dass wir wieder eine vernünftige Diskussion über mögliche Alternativen und Ergänzungen führen können und uns nicht in der Öffentlichkeit anpöbeln“, so der Landeshauptmann in Richtung Rudi Rienzner.

Kompatscher weiter: „Wir werden wieder alle an einen Tisch holen und schauen, was man langfristig tun kann. Wobei es schon x-fach Energietische in Südtirol mit intensiven Gesprächen gegeben hat. Diese sind nicht umsonst gewesen, nur weil der eigene Vorschlag nicht angenommen worden ist.“

Die harte Kritik von Rudi Rienzner am Landeshauptmann hat zumindest bewirkt, dass die Landesregierung das Thema einer langfristigen Neuausrichtung des Stromsektors nicht mehr unter den Tisch zu kehren versucht, sondern sich auf einen Austausch und die gemeinsame Suche nach Möglichkeiten einlässt. Das dürfte kaum schaden.

Dem entsprechenden Punkt des Beschlussantrages der Freiheitlichen haben denn auch fast alle Landtagsabgeordneten zugestimmt.

Was kurzfristige Maßnahmen gegen die horrenden Strompreise betrifft, erklärte Arno Kompatscher den Stand der Dinge am Donnerstag so: Der Staat müsse dringend Hilfszahlungen gewähren (was Mario Draghi auch angekündigt hat). Anschließend werde die Landesregierung nach Bedarf zusätzliche Unterstützungen gewähren. Zudem kämpfe man gegen das staatliche Dekret, wonach die Produzenten von grünem Strom (wie eben Alperia) ihre Zusatzgewinne infolge der hohen Verkaufspreise an der Strombörse an den Staat abgeben müssen.

Der SVP-Abgeordnete Helmuth Renzler fordert, dass auch die Gemeinden Unterstützungsmaßnahmen mitfinanzieren. Man müsse besonders Geringverdienern, Rentnern und Kleinbetrieben helfen.

Dem Südtiroler Strombonus in der Stromrechnung, der jahrelang versprochen wurde, erteilt der Landeshauptmann indes weiterhin eine Absage. Es sei für die öffentliche Hand und somit den Steuerzahler nämlich günstiger, für öffentliche Dienste Gratisstrom zu beziehen. „Selbstverständlich geben wir den Mehrwert aber in irgendeiner Form an die Bürger weiter. Das können wir auch in sichtbarer Form tun“, so Kompatscher.

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Kommentare (24)

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  • tirolersepp

    Das Volk will einen billigeren Strompreis !

    Alperia gehört zum Grossteil dem Land und somit entscheidet der Eigentümer wohin Gelder fließen !

    • besserwisser

      wieso alternativen? wir haben ja die energieproduktion in der hand? die alperia mit ihrer präsidentin (was tut die eigentlich dafür?) gehört land und gemeinden.
      in meiner firma schaffe halt ich an, wie ist das in der alperia? haben die die gesandten der politk der eigentümer????) nix zu melden?

  • hallihallo

    das passiert eben, wenn die politik nur noch mit sich selbst beschäftigt ist. wahlen und posten ist ihr problem. ein besseres leben für die bevölkerung ist nicht ihr ziel.
    auch nicht der opposition. danke an rienzner , der hier einiges bewirkt hat.
    es ist nur zwei jahre her, daß den gemeinden empfohlen wurde, mit unseren steuergeldern aktien der alperia zu kaufen und den gemeinden ein hohe rendite versprochen wurde. wer nicht zugreift ist selber schuld.
    also zwischen land und gemeinden immer höhere renditen auf kosten der stromrechnungen der bürger.
    einfach traurig.

  • criticus

    Der „Eneregietisch“ sollte sich fragen warum:
    -Alperia den Strom um weitaus das doppelte als Nordtirol verkauft
    -Alperia den Strom in Italien teurer als andere Stromanbieter verkauft
    -ob Nordtirol auch so viele Wasserköpfe in der Stromverwaltung hat
    -wie hoch sind die Verwaltungsspesen in Nordtirol und wie hoch in Südtirol
    -warum kommt Nordtirol ohne Stromzukauf durch dem Winter und anscheinen Südtirol (lt. Landeshauptmann nicht??
    Man müsse besonders Geringverdienern, Rentnern und Kleinbetrieben helfen, sagt Herr Renzler. Komisch, diese Hilfe habe ich bei ihnen noch nie entdeckt. Dass Sie und ihre Kollegin die Arbeitnehmer nicht vertreten kann ihnen wohl jeder bestätigen, vielleicht achten Sie zu viel, ob der Daumen des LH nach oben oder unten steht.

  • @alice.it

    Helmuth Renzler kann sich schon mal hinter die Ohren schreiben, dass zuallererst unsere Paurn Unterstützung finden werden.

  • fakt60ist

    Wenn man mal bedenkt, was vor kurzem alles so durchgeboxt wurde in unserer Politik, ohne einen größeren Einspruch von Seiten der Opositionen und aber auch Bürgern selbst, dann brauchen wir uns jetzt nicht mehr wundern wohin die Reise geht. Da wurde zb.von heute auf morgen einfach entschieden, dass alle öffentlichen Gewässer dem Land gehören. Eigentümer von Grundstücken wo Gewässer vorhanden sind wurden sozusagen einfach als Wasserbesitzer enteignet. Dadurch wurde schon mal die Grundlage geschaffen, dass der Rohstoff Wasser der öffentlichen Verwaltung untersteht. Das wäre im grunde genommen ja auch nicht ganz falsch, aber unter solchen ergebnissen wie wir sie jetzt hinnehmen müssen ist die Frage erlaubt, was unsere Politiker eigentlich noch alles mit uns vor haben??? Ich glaube da wird viel spekuliert, dass man sich am schnellsten persönlich bereichern kann, wenn man eine Politik wie in China in Zukunft schaffen würde. Wenn man mal zurück denkt an die 60er und 70er Jahre, wieviel wir da noch Demokratie genießen durften, da stehen einem heute die Haare zu berge wenn man sieht, wieviel wir schon Diktatur mittlerweile geschaffen haben.Und das in vielen bereichen unseres heutigen Lebens! Der Grund dafür…..Unzufriedenheit und Gier nach Macht und Geld!!! Der Tag wird kommen, wo genau diese Dinge in den Abgrund führen werden.

  • artimar

    Haben in unserer kleinen sehr überschaubaren Tiroler Provinz tatsächlich schon verlernt ganz normal miteinander zu reden?
    Warum sich erst in der „Öffentlichkeit anpöbeln“ und das Gesprächsklima bereits im Vorfeld vergiften und sich nicht gleich ergebnisoffen an einen Tisch setzen?
    Die Kommunikation eines sich mürrisch und genervt gebenden und bürgerfernen LHs hier, der nicht mal Empathie für die Sorgen des Alltags der Menschen zeigt, war/ist gelinde gesagt, katastrophal. Kommunikation ist auch das, was beim Gegenüber ankommt; und das Ergebnis von Politik das, was ‚rauskommt.

  • sougeatsnet

    Habe bereits vor etlichen Jahren Stromanbieter gewechselt, Alperia bzw SelAG waren bereits damals nicht die Kostengünstigsten. Das Ziel dieser Firmen war immer Profitoptimierung, teilweise wurden auch sinnlose Investitionen getätigt, ich denke da an die Stromzähler, welche nun wieder getauscht werden sollten. Offensichtlich war das Managment nicht das beste, bzw man strebte nach Zielen, welche nicht der Bevölkerung dienten. Die Südtiroler Opposition ist fachlich leider sehr schwach aufgestellt, und hat nicht immer den Durchblick, wodurch die Sel machen konnte was sie wollte. Im Regelfall haben die staatlichen Leitlinien recht gut funktioniert, nur jetzt hat man sich mit dem Gas total verspekuliert, von der SELGas ganz zu schweigen. Nun muss der Normalbürger verschlafene Maßnahmen teuer bezahlen. Auch hier ist zu beachten, dass ca. 2/3 der Stromrechnung Steuern sind. Die hohenn Staatschulen erlauben da keine Senkungen und sollten mehr Leute auf E-Autos umsteigen muss da nochmals erhöht werden. So sieht es aus.
    Ich sehe da nur eine Lösung, den Strom selbst produzieren, dann kann die Sel auch den Bach hinunter gehen! Ach, die Steuerung unserer E-Werke ist schon längere Zeit nicht mehr in Südtirol, wer wird dann wo wann entscheiden?

  • andreas

    Delle Sbarba erklärt beim Begehrensantrag Nr.198, dass das Gequatsche im Landtag eigentlich recht sinnlos ist. 🙂

    https://stream.consiglio-bz.org/de/sitzung/681

  • dn

    Allein mir fehlt der Glaube, dass der Strom billiger wird, wenn er in Südtirol verwaltet wird. Die ach so bösen Pauern kennen das Genossenschaftssystem. Der Großteil davon ist keinen Neid wert, das Sagen haben die, bei denen Neid nicht ganz unbegründet ist. Doppelte Watschn für die, die das System erhalten und auch schauen müssen, über die Runden zu kommen.

  • olle3xgscheid

    Täte mich wundern wieviel Aktionäre unter den Schreibern sind…

  • franz19

    Jetzt hat die SVP auf einmal den Zauberstab…Jetzt sieht man wie diese Partei die Leute verarscht…bis vor ein paar Tage sagten alle es geht gar nichts !!!!

  • robby

    Was Südtirol braucht ist eine Politiker-Alternative. Dann ist eine Strom-Alternative gar kein Problem mehr.

  • dn

    Vielleicht sinds einfach Coronasteuern, die in ganz Europa zu bezahlen sind. So zahlen wenigstens alle mit.

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