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„Es war ein Fehler“

Bischof Ivo Muser

Bischof Ivo Muser hat nach den Enthüllungen der TAGESZEITUNG zum Fall Timothy Meehan seine Vorgehensweise ohne Wenn und Aber als Fehler bezeichnet. 

Tageszeitung: Herr Bischof, was hat Timothy Meehan Ihnen über seine Vorgeschichte bei den „Legionären Christi“ gesagt, als er sich 2017 um eine Anstellung in der Diözese beworben hat?

Bischof Ivo Muser: Er hat mir umfangreich und von sich aus von seiner Vorgeschichte erzählt, er fügte auch gleich dazu, dass auch seine Oberen davon wissen. Er versicherte mir, dass es sich um eine einmalige homosexuelle Beziehung zu einem 17-jährigen Novizen in den 90 Jahren gehandelt hat. Alles fand vor seiner Priesterweihe statt. Er bestätigte mir auch, dass keine kirchenrechtliche und zivilrechtliche Anklage oder Verurteilung gegen ihn vorliegen.

War die Priesternot der Grund, dass Sie Meehan trotz seines Missbrauchs angestellt haben?

Nein, absolut nicht.

Kirchenrechtlich durfte er als Priester eingesetzt werden, weil der sexuelle Missbrauch geschah, als Meehan noch nicht Kleriker war. Diese Begründung ist in einem weltlichen Verständnis kaum nachvollziehbar. Ein Missbrauch ist ein Missbrauch, zumal es sich um einen Abhängigen gehandelt hatte. 

Es ist ein schwerwiegender Fehler, dass für mich damals allein der kirchenrechtliche und zivilrechtliche Aspekt für die Einschätzung ausreichend war.

Der rechtliche Aspekt ist eine Sache. Hatten Sie keine ethischen und pastoralen Bedenken, ihn in Südtiroler Pfarreien arbeiten zu lassen?

Die schwerwiegende Tat hat Timothy Meehan immer eingesehen und zugegeben. Der rechtliche Aspekt – zivilrechtlich und kirchenrechtlich – hat für mich durchaus auch eine moralisch-ethische Seite. Aber dass das in diesem Fall nicht genügt, sehe ich heute als Fehler ein – ohne Wenn und Aber.

Warum haben Sie Meehan nicht die Einschränkung auferlegt, nicht in der Kinder- und Jugendseelsorge tätig zu werden? 

Das war mein größter Fehler! Böser Wille oder gar die Absicht, etwas zu vertuschen, waren nicht dabei.

Warum haben Sie den Fachbeirat für den Schutz von Minderjährigen nicht informiert? 

Für mich ging es hier in erster Linie um eine homosexuelle Beziehung mit einem schutzbefohlenen 17-jährigen, bei der keine Gewalt im Spiel war. Es gab keine Anklage gegen ihn. Vor diesem Hintergrund sah ich die Einbeziehung des Fachbeirates als nicht notwendig an. Dieser Austausch mit dem Fachbeirat wäre aus heutiger Sicht besser gewesen. Die gemeinsame Aufarbeitung dieses Falles führte zu einem Dokument, das festlegt, wie in Zukunft in solchen Fällen die Arbeit zwischen Fachbeirat und Bischof zu geschehen hat. Ein Fortschritt, für den ich dankbar bin.

Die Legionäre Christi machten Meehans Missbrauch Anfang 2021 öffentlich. Warum durfte er noch bis Ende August in der Diözese arbeiten und warum haben Sie den Fall nicht sofort öffentlich gemacht?

Die Liste der Legionäre Christi wurde Ende März 2021 veröffentlicht. Sowohl seine Oberen als auch ich haben ihn unmittelbar kontaktiert.  Auch nach dieser Veröffentlichung sah ich keinen Anlass, aufgeregt und panikartig zu handeln. Ich wollte eine verantwortete Lösung finden, die dem Fall gerecht wird und die im August zu seinem Abschied aus der Diözese geführt hat.

Im Sender Bozen haben Sie Meehans Einstellung als einen „Fehler“ bezeichnet. Besteht  der Fehler darin, dass Sie ihn angestellt haben oder dass Sie seine Vorgeschichte weder dem Fachbeirat, noch den Pfarreien mitgeteilt haben?

Ich habe auf Rai Südtirol von einem schwerwiegenden Fehler gesprochen, für den ich die volle Verantwortung übernehme und für den ich um Vergebung bitte. Der Fehler besteht vor allem darin, dass ich die ganze Tragweite nicht richtig eingeschätzt habe und dass ich den Fachbeirat – und vor allem die betroffenen Pfarreien – nicht in meine Entscheidung einbezogen habe.

Im Zuge der aktuellen Diskussion um die abgebrochene Missbrauchsstudie wirft die Geschichte um Meehan kein gutes Licht auf den Willen der Diözese zur Aufarbeitung. In der Öffentlichkeit und vor allem bei Betroffenen herrscht der Eindruck vor, dass man immer noch lieber verheimlicht, als offen zu reden. Wie wollen Sie diesem Vertrauensschwund entgegenwirken? 

Meine Einschätzung der ganzen Frage entsprach nicht allen wichtigen Kriterien, die heute in solchen Fällen zu beachten sind. Das gebe ich betroffen zu, dafür übernehme ich die Verantwortung und dafür entschuldige ich mich in aller Form.  Der Wille der Diözese und auch mein persönlicher Wille zur Aufarbeitung bleiben. Vergangene Woche traf ich mich mit dem Fachbeirat. Dort wurde vereinbart, durch umfassende Aufarbeitung in die konkrete Weiterentwicklung der Prävention zu investieren. Als Ausgangspunkt dienen die bisher geleisteten Vorarbeiten und ich erwarte mir bereits in den kommenden Monaten konkrete Schritte.

Interview: Heinrich Schwazer

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (27)

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  • annamaria

    Verschwiegen und alles unterm Teppich kehren, ist dies nich tragbar.
    Aber es wird mit einer Entschuldigung abgetan, schlimm!!!!

  • kritiker

    Immer das Gleiche. Sich schwer betoffen zeigen, wenn die Sache ans Licht kommt. Fehler zugeben, wenn es nicht mehr zu leugnen ist. Aber weiterhin alles tun, um alles unter den Teppich zu kehren, um Schaden von der Institution abzuwenden..Die volle Verantwortung übernehmen würde bei vielen Bischöfen bedeuten, zurückzutreten.Tun sie aber nicht, lieber verteilen sie salbungsvolle Worthülsen und kirchenrechtliche Finessen, siehe Ex Papst Benedikt.

  • pingoballino1955

    Wenn Muser mindestens jetzt still wäre und nicht weiterhin Versuche starten würde um weiterhin alles zu vertuschen,deshalb auch keine Studie.Reden sie sich nicht so billig raus ihre Entschuldigung glaubt ihnen sowieso kein Mensch,ist ja nur mehr höchst peinlich für sie und die Kirche insgesamt.Welche WICHTIGEN Kriterien……..???? Vertuschungskriterien ??????Schämen sie sich Muser! Vonwegen Aufklärung ,wo sie selbst im Gremium, sitzen?? Nach meiner Einschätzung um ihr Wort zu gebrauchen,sollten sie schnellstens zurücktreten und die Verantwortung tatsächlich übernehmen für diese Sauereien und Missbräuche in Südtirol!

  • pantone

    Ich nehme an, dass sich diejenigen unter der Bevölkerung, die diese Vorfälle am meisten verurteilen mit der Katholischen Kirche sowieso nichts am Hut haben.
    Ich vermute das Problem im Konflikt der weltlichen mit der kirchlichen Gesetzgebung. Unter letzterer denke ich an die 10 Gebote und das Sakrament der Beichte.
    Wenn diese bedauerlichen Vorfälle so aufgebauscht werden, entsteht der Eindruck, als würde ein Großteil der Priester solche Verfehlungen ausüben.
    Die weltliche Gesetzgebung muß natürlich gemäß Gesetzen handeln. Die Kirche wird sich den sich veränderten Empfindungen der Gesellschaft anpassen müssen.

  • robby

    Gerade die katholische Kirche zwingt ihre Gläubigen seit gut 2000 Jahren in ein absurdes moralisches Korsett und mordete und folterte Menschen bei Nichteinhaltung, hält und hielt sich jedoch selbst nie an diese Vorgaben. Und hatte und hat dabei nie etwas zu befürchten. Scheinheiliges Pack.

  • gerhard

    Anders als sein ehemaliger Boss in Rom, der Schande-Papst Benedikt II hat er wenigstens seinen schweren Fehler zugegeben und entschuldigt sich.
    Offenheit und Transparenz
    – wenn auch alles andere als schön!

    Aber in Punkto Aufarbeitung der widerwärtigen Sauereien gegenüber Kindern und Schutzbefohlenen – NULL, NULL Einsicht und Interesse einer Aufarbeitung.
    das könnte ja gena so ausgehen wie in der Diözese München Freising.

    Anstadt reinen Tisch zu machen und endlich einmal DIE WAHRHEIT zu sagen, wird weiter vertuscht, unter den Tisch gekehrt und gelogen.

    Kein Wunder, der Schande Papst aus Rom macht es seinen Schäfchen ja vor !

    Mir tun aufrichtig die vielen, vielen ehrlichen, aufrechten, liebevollen Priester, Seelsorger, Ordensfrauen leid, die Tag für Tag Gutes tun und von diesem widerwärtigen Morast überschüttet werden
    Bischof Muser ist ein Bischof des Vatikans.
    Lügen, Betrügen, Verdunkel, Verdrängen.
    Aber lieber Herr Muser, die Zeiten sind vorbei, als die Schäfchen ehrfurchtvoll den Kopf gesenkt haben wenn Ihr Männer Gottes arrogant und überheblich vorbeigeschritten seid. Das Mittelalter ist vorbei.
    Jetzt herrscht Augenhöhe.
    Wir verlangen Euren Respekt den Menschen gegenüber.
    Respekt insbesondere den armen Seelen gegenüber die EINIGE WENIGE VON EUCH mit Füßen getreten haben, mißbraucht, geschändet, zerstört und der Seele beraubt.
    Ihr könnt niemanden mehr auf den Scheiterhaufen binden und anzünden, wenn er Euch nicht bedingungslos folgt oder gar widerspricht.
    Die Zeiten sind endgültig vorbei.

  • pingoballino1955

    gerhard………..ihre Zeilen treffen den Nagel auf dem Kopf-bester Komentar hier in diesem Forum. SHAPO!!!

  • annamaria

    Sollten für diese Schandtaten zur Rechenschaft gezogen werden, besonders Ratzinger und sein Gefolge, unter ihnen Muser & co, die sich nichts als scheinheilig entschuldigen wollen.

  • gerhard

    Liebe Emma, das ist Blödsinn, was Sie da schreiben.
    Vor 15 Jahren wußte in der breiten Öffentlichkeit wirklich niemand, was für ein verlogener Kerl dieser Papst ist. Zu diesem Zeitpunkt war er noch ein hoch angesehener Mensch. Und ich unterstelle einmal, hätte der Großteil derer, die dort hingepilgert sind, gewußt, welch verlogener Charakter hinter diesem Papst steht, dann hätten viele „Pilger“ rohe Eier dabei gehabt.
    Im Übrigen steht es jedem Gläubigen frei, seinen Papst zu treffen, wann und wo er möchte, jeder der dort hin gefahren ist hat dies von Herzen gerne getan.
    Und als Nichtgläubiger (dazu rechne ich auch meine Person) steht es uns nicht zu, Gläubige für ihren Glauben zu kritisieren.

  • aufmerksamerbeobachter

    Schritt für Schritt.
    Es ist gut wenn man Fehler eingesteht. (Jedoch längst überfällig und nicht erst wenn mann in der Klemme sitzt) aber man kann ja jederzeit durch genannte Vorfälle lernen).
    Es ist gut wenn man aus Fehlern die Lehren zieht. (Dumm ist nur, dass man den gleichen Fehler zwei Mal mach oder gar noch öfter. Viel Authentischer wäre, wenn man von Taten sprechen kann, bevor man darauf hingewiesen wird)
    Und immer daran denken: sobald es einen Mitwisser gibt, dann besteht ein hohes Risiko, dass dass geheimnis früher oder später gelüftet wird.
    Könnten Klostermauern sprechen, dann……….gnade Gott. Gottseidank sind die meisten schon unter der Erde, aber im Grab umdrehen könnten sie sich ja immer noch.
    Jedenfalls, das erste was man daraus lernen kann: Hände weg von Kindern, schwangeren Frauen und von den Frauen mit jeglichem sexuellem und gewalttätigem Hintergedanken. So einfach ist das.

  • tirolersepp

    Das Problem löst sich von selbst !
    Keine Priester – keine Missbrauchsfälle !!

    Das Problem bleibt dann in der Familie, es wird nie aufhören, leider !!!

  • gerhard

    Lieber Tirolersepp
    Ja, leider, auch in der Familie und auch fremden Männern wird mißbrauch. Das ist widerlich und es wird leider nie aufhören.
    Aber ich gebe zu bedenken, wieviele herzensgute Priester es gibt, wieviele herzensgute Ordensfrauen und -Brüder.
    Die tun so unendlich viel Gutes auf dieser Welt.
    Wegen einiger, weniger (Verzeihung!!!) Dreckskerle im Priestergewand darf man doch um Himmels Willen nicht Priester generell ablehnen und verunglimpfen.
    Ich bin fanatisch ungläubig, und das ist gut so.
    Aber ich respektiere Menschen, die im Glauben Stärke oder auch Zuflucht finden und ich kenne als Ateist viele Pfarrer, die tolle Menschen sind.
    Es ist mir zu einfach, über die Kirche an sich zu schimpfen oder Priester generell abzulehnen.

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