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Alla romana

Sergio Mattarella mit Julia Unterberger

Die SVP hat bei der Staatspräsidentenwahl in Rom einen unkoordinierten und konfusen Eindruck hinterlassen. Die Chronik eines „Eiertanzes“.

von Matthias Kofler

Die Zahl 8 gilt in der jüdisch-christlichen Religion als Glückszahl schlechthin: In der Bibel lesen wir, dass acht Menschen in Noahs Arche waren und die Sintflut überlebten. David wurde als achter Sohn Isais zum König von Israel gewählt. Die Welt wurde nach dem Schöpfungsbericht in sieben Tagen erschaffen. An jedem Sonntag, der sowohl der erste wie auch der achte Tag ist, feiern die Christen die Auferstehung Jesu. Acht Anläufe waren auch bei der heurigen Staatspräsidentenwahl in Rom nötig. Nachdem sich alle Kandidaten – von Silvio Berlusconi über Pier Ferdinando Casini, Maria Elisabetta Alberti Casellati und Franco Frattini bis hin zu den „Technikerinnen“ Marta Cartabia und Elisabetta Belloni – an den gegenseitigen Vetos der Parteichefs die Zähne ausgebissen hatten und auch Ministerpräsident Mario Draghi einsehen musste, dass sein Traum vom Wechsel in den Quirinalspalast platzen würde, ließ sich Amtsinhaber Sergio Mattarella von den Sprechern der Parlamentsfraktionen zu einer zweiten Amtszeit beknien.

Am Samstagabend, nach sechs zähen Wahltagen, war klar: Italien bekommt „Mattarella bis“. 759 Parlamentarier stimmten für den 80-Jährigen, der eigentlich schon seinen Auszug aus dem Quirinalspalast organisiert und eine neue Wohnung in Rom angemietet hatte.

SVP-Chef Philipp Achammer bezeichnet die schwierigen Tage der Präsidentenwahl als „Armutszeugnis“: Die großen Parteien hätten ein „Schaulaufen“ veranstaltet, die Wahl sei in einem „Machtkampf der Blöcke“ ausgeufert. Was der Obmann verschweigt: Auch seine Partei hat in diesen sechs Tagen nicht geschlossen gewirkt. Bei sechs von acht Abstimmungen wählten die sieben SVP-Vertreter unterschiedlich ab – von einer „Parteilinie“ konnte keine Rede sein Die Tageszeitung rekonstruiert diesen (O-Ton eines Leitungsmitglieds) „Eiertanz“.

Montag, 24. Jänner:

Der erste Wahlgang, bei dem die Zweidrittelmehrheit nötig ist, endet ergebnislos. 672 Parlamentarier geben einen weißen Stimmzettel ab – so auch die sieben SVP-Vertreter. Noch zeichnet sich die Wiederwahl des Amtsinhabers nicht ab: Mattarella erhält nur 16 Stimmen. In der Autonomiegruppe steigt bei allen die Hoffnung, dass Kollege Pier Ferdinano Casini am Ende die Nase vorne haben könnte.

Dienstag, 25. Jänner:

Die SVP-Kammerabgeordneten ändern ihre Richtung. Kammer-Fraktionschefin Renate Gebhard verschickt eine Pressemitteilung, in der sie erklärt: „Wir von der Kammer haben Mattarella gewählt, um an die Verantwortung aller Beteiligten zu appellieren, damit rasch eine gemeinsame politische Entscheidung gefunden wird. Eine politische Instabilität oder gar eine politische Krise gilt es zu verhindern.“ Im Gespräch mit der Tageszeitung fügt sie hinzu: „Unser Stimmverhalten war auch als Signal an Mattarella gedacht, um ihn zu ersuchen, in dieser Situation im Interesse des Gemeinwohls seine bisherige Haltung zu überdenken.“ Die drei SVP-Senatoren stimmen erneut weiß ab.

Mittwoch, 26. Jänner:

Die Stimmen für Mattarella steigen von Wahlgang zu Wahlgang. Erstmals erreicht der Amtsinhaber über 125 Stimmen, drei davon kommen von den Kammerabgeordneten der SVP. Sepp Noggler, der als Delegierter der Region nach Rom entsandt wurde, erklärt öffentlich, weiß gewählt zu haben. Heute stellt er klar: „Ich habe vom zweiten Wahlgang an für Mattarella gestimmt, weil es geheißen hat, dass wir seine Stimmen steigern müssen, damit er sich bereit erklärt, als ,Retter der Nation‘ einzuspringen. Alles andere wäre ein Wagnis gewesen.“ Warum macht Noggler das erst jetzt publik? . „In Rom gibt es zwei Arten, weiß zu wählen: votare bianco bianco oder votare bianco sporco.“ Die Autonomiegruppe will ein Zeichen setzen und wählt Casini. Senator Dieter Steger teilt Fraktionssprecherin Julia Unterberger mit, dass er Stimmen für Casini gesammelt habe. Der Ex-Kammerpräsident kommt auf 52 Stimmen. Bis auf die Lega haben sich alle großen Parteien mit der Idee einer Präsidentschaft des Zentrumspolitikers angefreundet.

Donnerstag, 27. Jänner:

Im vierten Wahlgang reicht erstmals die absolute Mehrheit. In der SVP bricht ein Streit über das Abstimmungsverhalten aus. „Wir waren sechs gegen eine“, erinnert ein „Großer Wahlmann“. Autonomiegruppen-Chefin Unterberger plädiert dafür, weiß zu wählen, um Casinis Chancen zu wahren. „Mattarella hat unzählige Male betont, nicht für eine zweite Amtszeit zur Verfügung zu stehen, daher sollte man ihn aus Respekt nicht dauernd am Rockzipfel ziehen“, sagt sie. Die Kammerabgeordneten bleiben bei ihrer Mattarella-Linie. Obmann Achammer will die Parlamentarier auf eine einheitliche Linie bringen: Er gibt die Losung aus, Mattarella zu wählen. Die Senatoren Meinhard Durnwalder und Dieter Steger gehorchen und wählen den Amtsinhaber, dessen Stimmenanteil auf 166 steigt.

Freitag, 28. Jänner:

Erstmals finden an einem Tag zwei Wahlgänge statt. Am Morgen schickt Mitte-Rechts mit Maria Elisabetta Alberti Casellati eine eigene Kandidatin ins Rennen. Aus Angst vor Heckenschützen beteiligt sich Mitte-Links nicht am Wahlgang. Senator Dieter Steger teilt mit, für Mattarella zu stimmen – „um nicht Casini zu schaden“. Meinhard Durnwalder schließt sich dem an. Einzig Julia Unterberger wählt erneut weiß. Im Zentrumsblock stößt das Verhalten der beiden SVP-Männer auf Unverständnis. Matteo Renzi und Maria Elena Boschi (Italia Viva) bitten die SVP-Senatoren darum, Mattarella erst dann zu wählen, wenn dieser zugesagt hat. Sonst schade man Casini und Mattarella. Bei der sechsten Abstimmung am Nachmittag erreicht Mattarella 336 Stimmen. Steger teilt der Tageszeitung mit, dass sich nur noch drei Kandidaten im Rennen befinden: „Neben Casini und Draghi könnte es morgen auch in Richtung Belloni gehen.“

Samstag, 29. Jänner:

Casini persönlich ruft Steger und fordert ihn auf, nicht weiter für Mattarella zu stimmen, falls er – wie er immer betont habe – für ihn sei. Der SVP-Politiker schwenkt auf Weiß um und empfiehlt auch den Kollegen, weiß zu wählen. Auch LH Arno Kompatscher schaltet sich ein und spricht sich dafür aus, weiß zu wählen, um Casini zu unterstützen. Gebhard und Co. stimmen am Vormittag erneut für Mattarella ab, der auf 387 Stimmen kommt. Am Nachmittag folgt die finale Abstimmung, bei der die SVP erstmals seit dem ersten Wahlgang einheitlich abstimmt: Amtsinhaber Mattarella wird mit 759 Stimmen wiedergewählt. Steger frohlockt, dass die SVP „von Anfang an aufs richtige Pferd gesetzt“ habe, „ohne unseren Freund Casini, der ebenfalls ein guter Präsident gewesen wäre, zu schwächen“. In der Parteileitungssitzung stellt Durnwalder klar: „Es war von Anfang an klar, dass alle anderen Namen – auch Casini – keine Chance hatten.“ Julia Unterberger sieht das anders: Casini war bis zum Schluss der Favorit. Es ist logisch, dass ich als Präsidentin der Autonomiegruppe ihn unterstützt habe, und zwar in jedem Wahlgang. In der Autonomiegruppe haben meine beiden Kollegen immer wieder betont, dass sie ihn unterstützen. In der Partei sagen sie das Gegenteil. Wäre Casini gewählt worden, hätten sie es immer schon gewusst. So wie sie jetzt immer schon gewusst haben, dass Mattarella gewählt wird. Diese Chamäleonmentalität liegt mir fern.“

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (14)

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  • schwarzesschaf

    Eines muss man sagen doe einsigste die dort unten was bewirkt umd wirklich frau Unterberger, wobei ich am anfang sehr skeptisch war das sie ja achon ohne wahlen feststand das sie runter kommt. So langsamwird sie mir sympathisch

    • treter

      Aber die Unterberger hält bei diesem engen Treffen mit dem Staatspräsidenten den Corona-Sicherheitsabstand überhaupt nicht ein und zudem halten sich beide auch noch an den Händen! Beide tragen auch keine Maske.
      Zudem sah ich kürzlich in den Medien ein Bild mit der SVP Delegation in Rom eng beisammen mit dem Politiker Cassini an einem Tisch bei einem Glas Prosecco. Natürlich alle ohne Maske!!
      Frage: wo bleibt da die Vorbildfunktion der Politiker?? Und uns Fussvolk macht man das Leben schwer mit all den Vorschriften!!!

  • pingoballino1955

    SVP CASINO,wie üblich,vonwegen geschlossen gewählt!!! Man merkt immer wider die zwei „LAGER“

  • besserwisser

    SVP-Chef Philipp Achammer bezeichnet die schwierigen Tage der Präsidentenwahl als „Armutszeugnis“ :-). Der ist gut. Hat er damit jemanden beurteilen wollen, sich selber, seine Partei?
    Die einzige dies überschaut ist wohl die Unterberger …

  • prof

    Sollte LH Kompatscher bei den nächsten Wahlen nicht mehr antreten,so wäre Frau Julia Unterberger wohl die beste Kandidatin und Achammer und Co könnten sich dann bei Athesia einen Job suchen. Ideal wäre einer als Arsch………….?

  • prof

    @batman
    Warum nicht eine Frau an der Spitze?

  • artimar

    Ein Trauerspiel.
    Nicht nur, weil hier eine kleine Autonomie- und Minderheitenpartei meint einfach Anweisungen von anderen, auch von unfreundlichen Kräften, folgen und gar das nationale Italien retten zu müssen. Dummheit, gepaart mit Hypris.
    Unsere Minderheit sollte in 100 Jahren wohl doch gelernt haben: Eine Minderheit kann sich Dummheit nicht leisten — ebenso wie persönliche Ambitionen zum Nachteil der Interessen der Minderheit. Denn wie politisch glaubwürdig sind wir noch in Rom ohne Einigkeit?

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