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„Sind wir nur Daten?“

Monika Obrist: Wer die Gegenwart als pandemisches Inferno empfindet, dem ist Dante vielleicht ein Trost.

Die Bücherwelten im Waltherhaus stehen, ganz ohne Science Fiction, unter dem Motto „Mensch und Maschine“. Ein Gespräch mit der Leiterin der Sprachstelle im Kulturinstitut, Monika Obrist.

Tageszeitung: Frau Obrist, die Bücherwelten quellen über vor Lesestoff. Welches literarische Werk und welches Sachbuch sollte man auf keinen Fall verpassen?

Monika Obrist: Aus etwa 1000 ausgestellten Neuerscheinungen zwei auszuwählen, wäre Größenwahn. Was sich an Büchern in unser Gedächtnis einprägt, hat wohl auch mit Fragen zu tun, die uns persönlich umtreiben – häufig unbewusst. Wer sich angesichts des diesjährigen Bücherwelten-Mottos „Mensch und Maschine“ etwa fragt, ob Bücher zukünftig von Maschinen stammen werden, dem sei als Beruhigung Daniel Kehlmanns Bericht „Mein Algorithmus und ich“ empfohlen. Wer die Gegenwart als pandemisches Inferno empfindet, dem ist Dante vielleicht ein Trost, dem im Gedenkjahr mehrere Bücher gewidmet sind. Und in dem Kinder- und Jugendbuch „Das wird bestimmt ganz toll! Wenn ich groß bin …“, gestaltet vom Labor Ateliergemeinschaft, könnten auch wir Erwachsene uns schöne Visionen für die Zukunft abschauen. Bei dieser Vielfalt findet jede*r von uns Antworten auf Fragen, von denen wir vielleicht gar nicht wussten, dass wir sie uns stellen könnten.

„Mensch & Maschine“ lautet der diesjährige Schwerpunkt. Mit Science Fiction hat das nichts zu tun, oder?

Die ausgewählten Bücher befassen sich mit der Frage, wie Maschinen unsere Gesellschaft und unser Leben verändern. Dies gilt insbesondere für die neuen digitalen Technologien oder die künstliche Intelligenz. Ausgestellt sind dazu vor allem Sach- und Fachbücher. Aber auch Schriftsteller*innen beschäftigt dieses Thema. Beispiele dafür sind der neue Roman des Nobelpreisträgers Kazuo Ishiguro „Klara und die Sonne“ oder der mit dem Österreichischen Buchpreis ausgezeichnete Roman „Dave“ von Raphaela Edelbauer. Bei der Sachbuch-Debatte zum Thema „Mensch – Maschine – Natur“ am 7. Februar werden Eva Cescutti, Hermann Atz, Roland Psenner, Roger Pycha und ich über fünf dieser Bücher diskutieren.

Zur Eröffnung sprach die Philosophin und Ethikerin Janina Loh zum Thema „Zur digitalen Transformation unserer Gesellschaft“. Hat Sie Ihnen einen Schrecken eingejagt?

Keineswegs! Janina Loh ging darauf ein, wie die Digitalisierung uns als Individuen, unsere Beziehungen, die Bildung und die Arbeit verändert. Sie hat zu diesen vier Bereichen Fragen aufgeworfen, die den Besuch der Ausstellung begleiten können. Dazu zählen etwa: Sind wir wirklich eine Gesellschaft von Individuen, die man auf Daten reduzieren kann, oder sind die Beziehungen zueinander wichtiger? Wie sieht eine Bildung aus, die auf das Zeitalter der Automation vorbereitet? Und wie können wir uns eine Gesellschaft ohne Arbeit vorstellen?

Zum Literaturtag am 29. Jänner haben Sie vier Autor*innen eingeladen. Können Sie uns diese und ihre Werke kurz vorstellen?

Der Literaturtag steht heuer unter dem Motto „Sein und Wollen“, dem sich die Autor*innen auf unterschiedlichste Art nähern: Der Roman „Nil“ der in Österreich lebenden Autorin Anna Baar will uns keine Geschichte als wahr verkaufen. Wenn wir der Hauptfigur überhaupt etwas glauben können, dann vielleicht, dass sie für ein Magazin eine Fortsetzungsstory schreibt, die schlecht läuft und die sie beenden soll. Der Roman ist ein sprachlich reizvolles Verwirrspiel der Möglichkeiten.

In Timon Karl Kaleytas preisgekröntem Debütroman „Die Geschichte eines einfachen Mannes“ scheint die Sache klarer: Die Hauptfigur, ein junger Mann, ist in Sachen Karriere wie Liebe mehrfach gescheitert. Jedoch wähnt er sich im fast perfekten Glück, weil er sich sein Dasein einfach schön redet.

Amanda Lasker-Berlin erzählt in ihrem Roman „Iva atmet“ von einer Familie, die von der historischen Last deutscher Kolonialgeschichte und familiärer Geheimnisse überschattet ist.

Die österreichische Rapperin und Poetry-Slammerin Mieze Medusa verknüpft in ihrem Roman „Du bist dran“ eine 18-Jährige, einen Computer-Nerd mit Midlife-Crisis und eine 69-jährige zu einer Geschichte, die zeigt, dass der Spagat zwischen Sein und Wollen in keinem Alter einfach ist.

Interview: Heinrich Schwazer

Info

Die Bücherwelten im Waltherhaus sind bis zum 22. Februar montags bis samstags von 9-18 Uhr geöffnet. Informationen zum Rahmenprogramm: www.kulturinstitut.org.

Zur Person

Monika Obrist, geboren und aufgewachsen in Brixen, studierte Germanistik und Publizistik und Kommunikationswissenschaften in Salzburg und Freiburg (CH) sowie Buchwissenschaften in München. Sie war vier Jahre lang Lektorin des Otto Müller Verlags in Salzburg und drei Jahre lang Lizenzmanagerin des Arena Verlags in Würzburg, bevor sie 2005 ihre Arbeit in der Sprachstelle im Südtiroler Kulturinstitut antrat.

 

 

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