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Der Schwert-Bischof

Schwert-Bischof Schneider

Woher die so genannten Neuchristen kommen. Wie stark sie in Südtirol verbreitet sind. Und: Was der Schwert-Bischof sagt.

Stöbert man ein wenig in den veröffentlichten Predigten von Nikolaus Schneider und auf der Facebook-Seite der Neuchristen, wird schnell klar, in welche Richtung es geht. Da findet man Sätze wie: „Warnung vor dem Coronatest und der Impfung, tausende starben bereits an der Impfung, was von den Medien verschwiegen wird.“ Im November predigte er unter dem Titel „Die Impfung zerstört euren Körper“: „Ziviler Ungehorsam der Christen gegenüber dem Regime, weil man Gott mehr gehorchen muss als den Menschen. Obwohl es immer mehr Geimpfte gibt, nehmen die an Corona Erkrankten zu! Das hochgeweihte Michaelssalz ist ein Geschenk Gottes an die Menschen.“

Dieses hochgeweihte Michaelssatz hilft angeblich „gegen höllische Belästigungen“ und kann nebst anderen Produkten dann im Online-Shop der Neuchristen erworben werden. Das Salz bekommt man gegen eine freiwillige Spende, dazu passende Bilder vom Erzengel oder Kerzen muss man bezahlen. Dass Spenden mehr als willkommen sind, zeigt sich auch im Aufruf dazu, die neuen Bauten der Neuchristen in der Schweiz mitzufinanzieren.

Grundsätzlich gilt für die Neuchristen: Sucht man nach den verbreiteten Dogmen der Querdenker und Verschwörungstheoretiker, findet man in den Predigten und Schriften von Nikolaus Schneider, besser bekannt unter der Bezeichnung Schwert-Bischof, nahezu alles. Da gibt es die Warnung vor den Chemtrails genauso wie die Verteufelung von Homosexualität oder Abtreibung.

Auch die Schule scheint in den Augen der Neuchristen kein guter Ort für den Nachwuchs zu sein. Zitat: „Schon in den Schulen werden die Kinder verdorben und sexuell verführt.“ Die Politik kann von derlei Lehren auch nicht verschont bleiben. Angefangen bei „Hillary Clinton und der Kriegsmaschinerie“, übrigens ein beliebtes Narrativ der QAnon-Bewegung, die aus den USA kommt und längst auch Europa und die Anhänger des Schwert-Bischofs erreicht hat. Ganz besonders verbreitet bei QAnon-Anhängern ist die erfundene Geschichte einer mächtigen, weltweiten Elite, die Kinder in Kellern und Höhlen gefangen halten soll, um sie zu foltern und das Blut für ein Serum zur ewigen Jugend zu gewinnen. Dieser „satanistischen Elite“ soll auch Clinton angehören. Die Glaubenssätze der Neuchristen reichen weiter bis hin zur „gottwidrigen Genderlehre und Sexualunterricht“.

Auch vor der Amtskirche machen die Neuchristen nicht Halt. Im Gegenteil. Unter anderem, weil Papst Franziskus zum Impfen aufgerufen hat, ist der Vatikan für sie „zum Sitz Satans“ geworden.

Wer sind diese so genannten Neuchristen? Wie viele Anhänger gibt es? Und wie kommt diese Sekte nach Sand in Taufers? (siehe dazu nebenstehenden Kasten) Aber im Tauferer Ahrntal und weit darüber hinaus stellt man sich seit Bekanntwerden des Falles rund um fünf Frauen, denen Kindesmisshandlung vorgeworfen wird, auch die Frage: Was haben sie bloß getan?

Zu den Neuchristen gehören schätzungsweise 200 Anhänger, vor allem in der Schweiz, aber auch in Deutschland, Österreich und den Niederlanden. Ob diese Zahl noch aktuell ist, bleibt unklar, es ist aber anzunehmen, dass der Schwert-Bischof seit Beginn der Pandemie wieder mehr Anhänger für sich gewinnen konnte.

Balthasar Schrott zeigt sich überrascht. Der ehemalige Leiter des Referats für Weltanschauungen in der Diözese beschäftigt sich seit vielen Jahren mit Sekten und anderen religiösen Bewegungen. Auch die Neuchristen sind ihm bekannt. „Nur“, sagt er, „war ich bis zu dieser Meldung der Meinung, dass sie in Südtirol so gut wie keine Anhänger mehr haben.“ Und trotzdem heißt es, dass die Neuchristen vor allem im Vinschgau weitere Anhänger haben sollen.

Nikolaus Schneider ist mittlerweile 84 Jahre alt.

Die Geschichte der Neuchristen geht zurück auf das Jahr 1977 als Schneider in den Niederlanden die Arche gründete, er wurde von einem Vaganten-Bischof selbst zum Bischof geweiht, natürlich von der Amtskirche nicht anerkannt. Die Arche wurde nach Missbrauchsvorwürfen aufgelöst. Nikolaus Schneider ging in die Schweiz und gründete 1984 die Gemeinschaft „Kampf gegen Satan“ (KGS), später umbenannt in Neuchristen. Die Kirche kritisiert diese Bewegung als fundamentalistisch orientiert.

„Bei den Neuchristen handelt es sich um kleine Gruppen, offensichtlich auch in Südtirol“, sagt Balthasar Schrott. Er geht davon aus, dass Anhänger mehr oder weniger regelmäßig dem Hauptsitz in der Schweiz einen Besuch abgestattet hatten.

Auf eine schriftliche Nachfrage der TAGESZEITUNG bei Nikolaus Schneider erklärt dieser:

Man habe gar keine Mitglieder in Sand in Taufers (Ahrntal). „Wir wundern uns, wie es zu so einer Anklage kommen konnte, denn wir lehren unsere Mitglieder niemals solche Handlungsweise. Die genannte Anschuldigung, dass Kinder zum stundenlangen Gebet gezwungen wurden, steht ganz im Gegensatz zu dem, was ich schon jahrelang lehre: Das Gebet muss absolut freiwillig sein, aus dem Herzen kommen, ich tendiere auf kurze Herzensgebete – Qualität nicht Quantität – nur das ist Gott wohlgefällig! Anderes habe ich nie empfohlen. Davon geben zahlreiche Predigten von mir Zeugnis, die auf diversen Plattformen veröffentlicht sind.“

„Der Schwert-Bischof“, erklärt Schrott, „predigt vor allem, dass man sich gegen die Mächte des Satans wehren müsse. Da helfe nur das Beten.“ Haben die radikaleren gläubigen Gruppen mit Beginn der Pandemie stärkeren Zulauf erhalten, weil sich die Menschen nach einfachen Erklärungen sehnen und irgendwo Halt suchen? „Die Macht des Bösen und die Erklärung, dass Corona ein Produkt des Satans sei“, erklärt Balthasar Schrott, „hat man in konservativen Gruppen öfter vernommen.“ Er geht trotzdem davon aus, dass dieser Glaube und dahinterstehende Gruppierungen nicht weit verbreitet sind. (sul)

Balthasar Schrott

 

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