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pedevilla architects ausgezeichnet

Armin und Alexander Pedevilla: Das Besondere an dieser Nominierung und dem Preis ist wohl, dass wir als nicht Ortsansässige den Spagat zwischen Architektur und Nachhaltigkeit geschafft haben.

Das Brunecker Architektenduo „pedevilla architects“ ist für seinem Entwurf für das Bildungszentrum Frastanz-Hofen in Vorarlberg mit dem österreichischen Staatspreis ‚Architektur und Nachhaltigkeit‘ ausgezeichnet worden.

Vier herausragende Projekte wurden von Klimaschutzministerin Leonore Gewesser für ihre außergewöhnlichen Leistungen im Bereich des nachhaltigen Bauens und Sanierens mit dem Staatspreis Architektur und Nachhaltigkeit ausgezeichnet. Darunter auch das Bildungszentrum Frastanz-Hofen in Vorarlberg des Brunecker Architektenduos „pedevilla architects“. Das bestehende Schulgebäude wurde erweitert, wobei Alt- und Neubau eine untrennbare Symbiose miteinander eingehen. Während die äußere Erscheinung in einem homogenen Schokoladeton eingefärbt ist, kommen im Innenraum teils geölte, teils unbehandelte Fichtenböden zum Einsatz. Mit viel Liebe zum Detail wurden Möbel, Raumöffnungen und Wegleitsystem gestaltet, wobei die charakteristische Giebelform des Hauses immer wieder als grafische Vorlage dient. Bei den Baustoffen wurden vor allem regionale Produkte wie etwa Kalkputz eingesetzt, hinzu kommt ein umfassendes Produkt- und Chemikalienmanagement. Zur technischen Versorgung zählen eine Fußbodenheizung sowie eine Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung.

Ein Gespräch mit Armin Pedevilla.

Tageszeitung: Herr Pedevilla, das von Ihnen geplante und heuer fertiggestellt Bildungszentrum Frastanz-Hofen in Vorarlberg ist mit dem österreichischen Staatspreis ‚Architektur und Nachhaltigkeit‘ ausgezeichnet worden. Sie haben schon zahlreiche Preise erhalten. Was ist das Besondere an dieser Auszeichnung?

Armin Pedevilla: Das Bildungszentrum in Frastanz war das erste wirklich große Bauvorhaben, das wir als Südtiroler in Vorarlberg realisieren durften. 2015 konnten wir uns mit unserem Wettbewerbsbeitrag gegen eine starke lokale Architekturszene mit internationalem Renommee durchsetzen. Es galt zu zeigen, dass wir die Architekturqualität, wie wir sie in Südtirol umzusetzen versuchen, auch 300 Kilometer entfernt realisieren können, in einer Region mit einer ganz eigenen, sehr ausgeprägten Baukultur. Bei einem Projekt dieser Größe dirigiert man ein großes Orchester an Planungsbeteiligten und hört sehr viel zu. Es brauchte das Vertrauen und die Motivation aller, um unsere Ideen mitzutragen und umzusetzen. Wir haben natürlich auch Vorschläge mitgebracht, die man zum Teil aus der regionalen Baukultur so nicht kannte. Gerade, weil wir die einzigen Nicht-Vorarlberger waren, brauchte es echte Überzeugungsarbeit. Dass wir damit auch gleich eine Punktlandung geschafft haben und für den Staatspreis nominiert sind, ehrt uns besonders. Eine solche Nominierung ist ein schöner Applaus, eine Bestätigung für die Qualität unserer Arbeit. Sie zeigt uns auch, dass wir die Charakteristiken des Ortes und der Menschen richtig verstanden haben. Denn auch die soziale Nachhaltigkeit war ein wichtiges Kriterium, sowohl bei der Umsetzung des Projekts als auch für die Nominierung zum Staatspreis. Das Besondere an dieser Nominierung ist wohl, dass wir als nicht Ortsansässige den Spagat zwischen Architektur und Nachhaltigkeit geschafft haben.

Der Begriff Nachhaltigkeit wird mittlerweile inflationär verwendet. Was bedeutet er für Sie als Architekten?

Bildungszentrum Frastanz-Hofen in Vorarlberg von „pedevilla architects“: Vom Kindergarten bis zur Volksschule „Alle(s) unter einem Dach“.

Nachhaltigkeit bedeutet für uns, Gebäude aus lokalen, mineralischen und natürlichen Materialien zu schaffen, mit denen sich die Nutzerinnen und Nutzer identifizieren können und die sie emotional berühren. Eine gute Dämmung oder hervorragende Werte bei der Energieeffizienz gehören längst zum Standard, doch was nutzt das, wenn das Gebäude nach wenigen Jahrzehnten schon wieder abgerissen wird und im schlimmsten Fall als Sondermüll endet? Konzipieren wir Gebäude so, dass sie uns das Gefühl geben, sie erhalten zu wollen, weil wir sie wertschätzen und sie uns emotional berühren, dann tragen sie mehr zum Klimaschutz bei als das Produkt kühl-mathematisch errechneter Kennwerte. Dann sind sie auch auf sozialer Ebene nachhaltig. Warum schätzen wir historische Gebäude und Räume? Sie berühren und begeistern uns, sie lassen uns staunen. Deshalb wollen wir sie erhalten. Oberflächen und Materialien können natürlich altern. Gelingt es uns auch heute wieder, solche Gebäude zu bauen, bedeutet das gelebte Nachhaltigkeit; dann stimmt auch die Klimabilanz.

Das Gebäude ist aus einem bestehenden Schulhaus heraus entwickelt. War die Herausforderung, Alt und Neu in eine Symbiose zu bringen?

Wir haben im Bestand der 1950er-Jahre eine gewisse formale und funktionale Logik erkannt, die unserer Meinung nach gut umgesetzt war. Wir haben dort angesetzt und am Bestand sozusagen weitergebaut. Dabei war es uns wichtig, am Ende ein Bildungszentrum umzusetzen, ohne große Unterscheidung zwischen Altbau und Neubau, welche sich wohl negativ auf das Gemeinschaftsgefühl auswirken würde. Von außen gibt es schon einige subtile Hinweise darauf, was alt ist und was neu. Im Innenraum zeigt sich aber ein einheitliches Bild der Materialien, Formen und Farben; ein großes ‚Gemeinsam‘.

Es heißt, der Schulraum ist der „dritte Pädagoge“. Haben Sie sich mit neuen pädagogischen Konzepten auseinandergesetzt oder haben Sie sich Rat bei Lehrern geholt?

Seitens der Gemeinde bedeutete bereits der Wettbewerb intensive, mehrjährige Vorbereitungen. Immer öfter werden die Aufgaben in einem partizipativen Prozess entwickelt. Lehrer, Schüler, Eltern, Vereine – alle Gruppen können dadurch ihre Vorstellungen und Wünsche in die Aufgabenstellung einbringen. Es entstehen recht konkrete Zielformulierungen, die allen Wettbewerbsteilnehmern als Grundlage dienen. Die Aufgaben enthalten oft auch umfangreiche Informationen zum pädagogischen Konzept oder zu den Tagesabläufen im Gebäude. Nach dem Wettbewerbsgewinn sind wir tiefer in die Planung und in diese Vorgaben zum pädagogischen Konzept eingestiegen. Das bedeutet eine knapp sechsjährige Zusammenarbeit vieler Beteiligter, im Besonderen dabei vor allem mit den späteren Nutzern. Man kann keine Gebäude bauen, ohne sich intensiv mit den Charakteren, Bedürfnissen und Anforderungen ihrer Nutzer auseinandergesetzt zu haben. Man baut ja für sie, nicht für sich als Architekten. Für den „dritten Pädagogen“ sind dann wir  als Architekten im Besonderen gefordert.

Das Bildungszentrum funktioniert nach dem Motto: Vom Kindergarten bis zur Volksschule „Alle(s) unter einem Dach“. Ist das zukunftsweisende Pädagogik?

Bei der pädagogischen Konzeption wurde schon im Wettbewerb großer Wert auf die Optimierung des Überganges vom Elementar- in den Primarschulbereich gelegt. Das Gebäude soll eine möglichst durchgängige und zielgerichtete Pädagogik für die Kinder im Alter von anderthalb bis zehn Jahren ermöglichen. Die immer wiederkehrenden Gemeinschaftsflächen, die sogenannten Marktplätze, sehen wir als kommunikative und pädagogische Knotenpunkte. Dass es eine solche Durchgängigkeit gibt, dürfte auch das Gemeindeleben stärken. Das Bildungszentrum funktioniert ähnlich einem Dorfgefüge. Es gibt einen zentralen Marktplatz (Dorfplatz), kleinere Plätze in den einzelnen Bildungsbereichen (Schulcluster, Kindergarten, Kinderbetreuung) sowie Gruppenräume zum Zurückziehen.

In Zeiten der Digitalisierung ist Zukunft, gerade was die Schule anbelangt, nur begrenzt planbar. Welche Räume braucht ein zunehmend ins Digitale verlegter Unterricht?

Allem voran braucht es Räume, die Geborgenheit und Halt geben, Sicherheit vermitteln und das Gefühl des „zu-Hause-Seins“ schenken. Es gibt eine Tendenz weg vom klassischen Computerraum. Vieles funktioniert in den Schulen schon heute mobil, also zum Beispiel per Tablet. So gibt es auch die größtmögliche Flexibilität – ein traditionelles Klassenzimmer wird schnell zum digitalen Raum und umgekehrt. Wenn ein Raum zusätzlich so geplant ist, dass er nicht nur für den Frontalunterricht genutzt werden kann, sondern allerlei andere – auch freie – Unterrichtsformen zulässt, dann ist er schon ziemlich fit für die Zukunft. Es geht immer um die Flexibilität – wir sehen beispielsweise die steigende Bedeutung von gemeinschaftlich nutzbaren, nicht wirklich determinierten Flächen. Dort kann vieles stattfinden. In Frastanz gibt es deshalb außer den offenen Gemeinschaftsbereichen auch solche Bereiche, auf die jeweils maximal drei Klassen Zugriff haben.

Wie eine gute Schule funktioniert, wissen die Lehrer am besten. Kann man das so generell behaupten und haben Sie die Schulleitung in den Planungsprozess miteinbezogen?

Eine Schule funktioniert dann gut, wenn alle Beteiligten an einem Strang ziehen und jeder seine Erfahrungen und Visionen mit einbringt. Dazu zählen Pädagogen genauso wie Architekten und Fachplaner. Wenn die beteiligten und betroffene Personen zuhören und auf den Anderen eingehen können, entsteht etwas Neues, etwas Besonderes, weil jeder aus der Sicht seines Fachgebietes neue Impulse setzen kann, die Gewohntes hinterfragen – ist das wirklich gut so, oder hat man sich nur daran gewöhnt?

Auffällig ist die Verwendung von pompejanischem Rot im Innen- und Außenbereich. Warum haben Sie sich für diesen mediterranen Farbton entschieden?

Wir sehen das Rot mehr als einen erdigen Ton, der zeigt, dass das Gebäude an genau seinem Standort fest verankert ist. Er erweckt in Kombination mit den unbehandelten Holzoberflächen Beständigkeit, Sicherheit und Geborgenheit. Die bodenständige Atmosphäre kommt von den regionalen Naturmaterialien. Schlussendlich fördert das die kommunale Identifikation. Die Oberflächen altern auf eine Weise, die sie auch in vielen Jahren noch hochwertig aussehen lässt, wovon wir uns eine langfristige soziale Akzeptanz versprechen.

Interview: Heinrich Schwazer

 

pedevilla architekten

Armin und Alexander Pedevilla studierten Architektur an der Technischen Universität in Graz. Beide gründeten unabhängig voneinander nach dem Studium ein eigenes Büro in Österreich. Vom Verlangen nach alpinem Bauen angetrieben, kehrten die Brüder 2005 nach Südtirol zurück, um dort gemeinsam das Büro pedevilla architekten zu gründen. Seither hat sich pedevilla architekten einen Namen in der nationalen und internationalen Architekturszene gemacht und zählt mittlerweile zu den renommierten Büros in Italien. Ihre Arbeiten wurden vielfach ausgezeichnet, publiziert und waren in zahlreichen Architekturausstellungen zu sehen.

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