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„Pompini“ im Landtag

Im Hohen Haus wurde diskutiert, ob man Centaurus den Geldhahn zudrehen soll, weil der Verein auf einer Messe Anleitungen zum Oralverkehr verteilt hat. Das Wortprotokoll.

von Matthias Kofler

Der Antrag stammt aus der Feder von Alessandro Urzì. Der Abgeordnete von Fratelli d’Italia fordert darin, Vereinen, die „extreme Darbietungen“ an den Tag legten, den Geldhahn zuzudrehen. Urzì spielt auf die LGBTI+ Vereinigung Centaurus an, auf deren Stand in der Messe Bozen kürzlich eine Anleitung zu sicherem Oralverkehr auflag. „Mein Urteil würde genauso ausfallen, wäre eine Ausstellung zum Kamasutra für Heterosexuelle angeboten worden“, stellt Urzì klar. Die provokanten Initiativen von Centaurus verfolgten „einzig und allein das Ziel, Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen und einen Skandal auszulösen“, so der FDI-Mann.

In einer leidenschaftlichen Debatte melden sich mehrere Mandatare zu Wort. Als erste erhebt sich die Grüne Brigitte Foppa vom Stuhl:

„Ich möchte vorausschicken, dass ich mich sehr schwer tue, hierzu eine Stellungnahme abzugeben. Da aber der Schweigende zustimmt, will ich nicht still sein. Dieser Landtag ist keine Sittenpolizei. Er hat nicht darüber zu befinden, was bei einer Messe gezeigt werden darf und was zensuriert werden muss. Sie, Herr Urzì, sagen, dass Sie genauso über eine Ausstellung zum Kamasutra für Heterosexuelle denken würden. In Wahrheit stoßen Sie sich daran, dass es um Sex zwischen Gleichgeschlechtlichen geht. Das stört Sie! Sie haben ein Problem mit Centaurus! Sie haben hier im Landtag auch schon über die „richtige Familie” referiert. Was soll das Land tun: Soll es jeden aufgelegten Zettel vorher überprüfen? Wer soll in der Landesverwaltung die Zensur übernehmen? Zurück in die Vergangenheit, aber echt! Ich trete für eine liberale, diversifizierte Gesellschaft ein, in der jede und jeder in Würde und Freiheit leben kann.“

Als nächstes meldet sich Sven Knoll zu Wort. Der STF-Politiker will nicht verhehlen, was er über den Antrag denkt:

„Als ich den Antrag gelesen habe, ist mir eine Anekdote aus meiner Mittelschulzeit eingefallen. Das war in der 3. Klasse. Am ersten oder zweiten Schultag bin ich zum Schuldiener gegangen, weil ich was holen musste. Dieser hatte auf seinem Tisch einen ganzen Stapel von Nacketen, alles Bilder von nackten Frauen und Männern. Wisst ihr warum? Auf der letzten Seite unseres Biologiebuchs waren Bilder von nackten Männern und Frauen in drei Generationen zu sehen. Da gab es Eltern, die geglaubt haben, es brauche hier einen Filter, denn das könne man den Jugendlichen nicht einfach so zeigen. Als Filter musste der arme Schuldiener herhalten, der aus allen Büchern der gesamten Schule diese Bilder rausreißen musste. Wir haben uns damals schon darüber lustig gemacht, weil man nicht davon ausgehen konnte, dass ein 14-Jähriger solche Bilder noch nie gesehen hätte. Womit Urzì aber recht hat: Homosexuellen-Vereinigungen werben sehr oft mit der Darstellung des männlichen Körpers. Wenn es Frauen wären, würde man sagen, das sei sexualisierte Werbung sei. Es liegt aber an der Messeverwaltung zu entscheiden, wer was wie darstellen kann. Aufklärung sollte in einer durch und durch sexualisierten Gesellschaft kein Tabuthema sein.“

Knoll kündigt Enthaltung an. Sodann erteilt Präsidentin Rita Matte F-Chef Andres Leiter Reber das Wort, der sich nicht zweimal bitten lässt:

„Ich habe deinen Antrag aufmerksam durchgelesen. Ich finde es schon toll zu wissen, dass du „weder prüde noch verlegen“ bist, dann aber doch Probleme hast, das Wort „Blowjob“ auszuschreiben. Wenn man die Prämissen liest, denkt man, dass es bei der Messe um riesengroße Plakate über Oralverkehr gegangen wäre, die jedes kleine Kind sofort gesehen hätte. Da hätte ich auch ein Problem gehabt. Denn eines ist eine Erotikmesse, das andere eine Freiwilligenmesse. Da ging es aber um den Infostand von Arcigay. Was sollen die dort bringen? Das Gotteslob? Man geht ja dort hin, um  Infos zu bekommen. Deshalb finde ich das schon an den Haaren herbeigezogen.“

Vor der entscheidenden Abstimmung stellt Urzì noch einmal klar, dass er sich nicht von Brigitte Foppa belehren lasse, die im Hohen Haus getrennte Saunaeingänge für Männer und Frauen gefordert habe.

Der Antrag wird mit vier Ja, 24 Nein und zwei Enthaltungen abgelehnt.

Giuliano Vettorato, Massimo Bessone und Rita Mattei haben, neben Einbringer Alessandro Urzì, als einzige Abgeordnete für eine Streichung der Beiträge an Centaurus gesimmt. „Die mit öffentlichen Geldern finanzierten Flyer sind übertrieben und fehl am Platz. Es gibt angemessenere Formen, um für sicheren Geschlechtsverkehr zu werben, als solche starken Bilder“, erklärt Bessone. Der Lega-Landesrat fügt aber hinzu, dass er gegen die Hasskampagnen bestimmter Parteien sei, die andere wegen ihrer Sexualität diskriminieren und beleidigen.

Doch hat die Lega mit ihrem Abstimmungsverhalten gegen den SVP-Wertekatalog verstoßen, den sie zu Beginn der Legislaturperiode unterzeichnet hatte? Dort heißt es explizit, dass die Landesregierung „jegliche Form der Ausgrenzung oder Diskriminierung von (…) sexuellen Minderheiten strikt ablehnt“.

SVP-Chef Philipp Achammer kündigt an, die Sachlage prüfen zu lassen. Bei der Oralverkehr-Debatte sei er selbst aber nicht im Landtag gewesen.

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (7)

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  • andreas

    Es ist zwar kein Grund, ihnen den Geldhahn abzudrehen, die Grenze des guten Geschmacks, hat Centaurus da aber deutlich überschritten, vor allem deshalb, weil es eine Messe der Freiwilligen war.
    Diese Forderung der Toleranz von Minderheiten nervt so langsam, da ich nicht annehme, dass jemand die Freiwilligenmesse besucht hat um zu erfahren, wie sie sich gegenseitig einen blasen.
    Toleranz ist auch, nicht bei jeder passenden und nicht passenden Gelegenheit einer Mehrheit, welche das Thema gar nicht interessiert bzw. es gar nicht wissen will, die eigene Ideologie aufzudrücken.

    Solches Verhalten schadet der Sache mehr als sie nützt. Was Politiker dazu sagen ist irrelevant, die sind längst kein Maßstab mehr, eher im Gegenteil.
    Ich z.B. denke mir, was diese wohl als Provokation gedachte Aktion soll.

  • artimar

    Was macht ein faschistischer Glaubenseiferer in seiner Bigotterie eigentlich auf einer Erotikmesse?
    Die Kolleg*innen werden ihm wohl nicht auch noch einen Dildo und eine Einführungstunde über den genussvolle Umgang damit spenden müssen.

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