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Die Zahlen-Jongleure

Der Streit um die Impfquoten: Wie sich die Bürgermeister der roten Gemeinden und der Sanitätsbetrieb gegenseitig für den Kommunikations-GAU verantwortlich machen.

Von Matthias Kofler

In den roten Gemeinden steigt der Frustrationspegel: Viele der (geimpften) EinwohnerInnen können nicht nachvollziehen, warum für sie zwei Wochen lang strengere Regeln gelten als im restlichen Landesgebiet. Die Landesregierung begründet den Teil-Lockdown damit, dass die Gemeinden die drei vorgeschriebenen Kriterien – Sieben-Tage-Inzidenz über 800, Impfquote unter 70 Prozent und mehr als fünf aktive Corona-Fälle – erfüllen würden. „Unser Ziel ist es, die Überlastung des Gesundheitswesens zu vermeiden. Deshalb haben wir Maßnahmen für jene Gemeinden vorgesehen, die eine hohe Inzidenz bei gleichzeitig niedriger Impfquote aufweisen. Denn wo sich besonders viele Ungeimpfte befinden, ist die Wahrscheinlichkeit von schweren Verläufen, die im Krankenhaus behandelt werden müssen, besonders hoch“, erläutert Sanitätslandesrat Thomas Widmann.

Doch einige Bürgermeister wollen partout nicht wahrhaben, dass sie in ihren Gemeinden ein Impfproblem haben. Im Gegenteil: Sie verweisen auf die hohe Impfquote bei den über 60-Jährigen, die auch in den roten Gemeinden um die 90 Prozent liegt. „Die Impfquote ist bei uns nicht schlecht. Wir befinden uns bei den über 60-Jährigen und bei den unter 60-Jährigen genau im Landesschnitt“, sagt Stefan Leiter, der Bürgermeister von Lajen. Ähnlich äußert sich Alois Fischnaller, Vizebürgermeister von Villnöß: „Wir verstehen nicht, wie die Impfquote berechnet wird. In unserer Gemeinde sind über 82 Prozent der impfbaren Bevölkerung geimpft.“ Heinrich Seppi, der Bürgermeister von Mühlbach, geht noch einen Schritt weiter und verkündet: „Die Impfquote bei der Gesamtbevölkerung liegt bei uns weit über 70 Prozent.“ Damit ist die Verwirrung perfekt – und die BürgerInnen fühlen sich von der Landespolitik zunehmend an der Nase herumgeführt.

Das Problem: Das Dekret des Landeshauptmanns sieht explizit vor, dass als Einstufungskriterium die Impfquote der ansässigen Bevölkerung herangezogen wird. Berücksichtigt werden hier nur die in der Gemeinde gemeldeten EinwohnerInnen, die zweimal (oder mit Johnson bzw. drei bis zwölf Monate nach einer Genesung einmal) geimpft wurden, die also den Impfzyklus abgeschlossen haben.

Im Netz verbreiten Impfgegner die Meldung, wonach nun ausgerechnet die impffleißigsten Gemeinden mit dem Lockdown bestraft würden. Sie führen – gleich wie einige der Bürgermeister – die Impfquote der über 60-Jährigen ins Feld. Allerdings bezieht sich diese Quote auf die Erstimpfung der impfbaren Bevölkerung – und es sind auch die Genesenen enthalten. Auf diesen Unterschied seien die Bürgermeister am Montag in einer Videokonferenz hingewiesen worden, heißt es aus der Landesregierung. Zudem sei jedem Bürgermeister die Impfquote seiner Gemeinde – auch die für die Einstufung als rote Zone entscheidende Quote der ansässigen Bevölkerung – mitgeteilt worden. Manche Gemeindenchefs würden sich aber bewusst mit den guten Zahlen schmücken und die schlechten Zahlen unter den Tisch kehren, um beim Volk gut anzukommen. Dieses Zahlenwirrwarr nehmen die Impfgegner dankbar auf – und verbreiten im Netz die Impfquoten, die ihnen in den Kram passen, sagt man sich im Gesundheitsressort hinter vorgehaltener Hand.

Lukas Raffl, der Kommunikationsbeauftragte im Sanitätsbetrieb, stellt im Bezug auf eine entsprechende Meldung der Impfgegner, die seit Tagen auf Facebook, Telegramm und WhatsApp, klar: „Das sind typische Fake News. Die Tatsachen werden absichtlich verdreht.“

Der TAGESZEITUNG liegen die tatsächlichen Zahlen vor. Es zeigt sich, dass in der Tat alle roten Gemeinden die Kriterien erfüllen. Von den angeblichen 90-Prozent-Impfquoten sind sie meilenweit entfernt.

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