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(K)ein Pulverfass

Foto: Unser Bruneck

Vor wenigen Tagen wurde mit dem Abbau des historischen Pulverturms am Platz vor der Raika Bruneck begonnen. Aber geht das überhaupt? Ein Denkmal einfach abbauen und einmotten, um es danach wieder aufzustellen?

von Silke Hinterwaldner

„Im Herzen der Stadt Bruneck, auf einem urbanen Platz zwischen dem Gebäude der Raiffeisenkasse und dem Hotel Post, steht an der Europastraße ein zinnengekröntes Türmchen mit anmutigen Doppelbogenfenstern, das in frisch renoviertem Glanz erstrahlt.  An den Außenmauern finden sich Spuren von luftig-floraler Malerei, die Öffnungen sind neu gefasst, die Fenster verglast. Im Inneren befindet sich im ersten Stock ein kleines Messner Mountain Museum mit dem Namen Biography, die Ausstellung im Erdgeschoss ist dem Leben und Wirken Friedrich Wilhelm Raiffeisens und den historischen Wurzeln der Raiffeisenkasse Bruneck gewidmet. Das Gebäude selbst verströmt das Flair eines mittelalterlichen oder renaissancezeitlichen Gemäuers, erinnert an die Grimm’schen Märchen und die Südtiroler Sagenwelt, aber auch an das Brunecker Stadtwappen mit seinem wehrhaften Turm, es stellt den interessierten Betrachter vor die Frage nach dem ursprünglichen Aussehen, der Funktion und – nicht zuletzt – auch nach dem Alter.“

 

Diese Zeilen schreibt Andreas Oberhofer 2014 in einem Beitrag über den Pulverturm in Bruneck. Der Aufsatz trägt den Untertitel „Ein (fast) vergessenes Baudenkmal“, erschienen im Buch „Corpus Intra Muros“. Bereits damals hat der Stadtarchivar von Bruneck trotz intensiver Suche nur sehr wenig über den so genannten Pulverturm am so genannten Raiffeisenplatz in Erfahrung bringen können.

Eines schickt Andreas Oberhofer gleich voraus: „Wir können mit einiger Sicherheit sagen, dass unser Turm niemals Pulverturm war.“ Dort wurde also nie Munition oder Schwarzpulver gelagert.  Für diesen Zweck ist der Turm viel zu zierlich. Vielmehr geht der Stadtarchivar davon aus, dass es sich um einen Gartenpavillon handelte, später genutzt als Getreidelager, Backofen oder Selchküche für das Hotel nebenan.

Heute steht dieser Pulverturm mitten auf dem Platz, den die Raiffeisenkasse Bruneck erst vor weniger als zehn Jahren aufwändig umbauen ließ. Mit dieser Platzgestaltung wurde auch der Turm in das Zentrum der Aufmerksam gerückt. Er wurde saniert, mit Zinnen anstatt mit einem Dach versehen und neu nutzbar gemacht.

Nun aber muss er wieder weichen, weil er im Weg steht. In der vergangenen Woche hat man am Raiffeisenplatz mit den Bauarbeiten für eine weitere Umgestaltung des Areals begonnen. Viele Arbeiten müssen unterirdisch erledigt werden, der Pulverturm muss weichen. Er wird abgebaut – später soll er aber wieder in gleicher Form und am selben Standort wieder errichtet werden.

Aber geht das? Kann man historische Bauten einfach im Keller zwischenlagern, sobald sie im Weg stehen?

Claudia Plaikner, Vorsitzende im Heimatpflegeverband, kann ob solcher Vorgehensweise nur den Kopf schütteln. Sie sagt: „Das zeugt von wenig Wertschätzung. Wir brauchen mehr Respekt vor historischen Bauten. Die Gebäude sollen bleiben, wo sie sind.“ Ihr geht es auch um eine grundsätzliche Haltung, die man gegenüber der eigenen Geschichte einnimmt. Sie fordert mehr Respekt gegenüber von Denkmälern.

Grundsätzlich ist zu sagen: Der Pulverturm am noch neuen Platz vor der Raika in Bruneck steht nicht unter Denkmalschutz. Dies wohl auch deshalb, weil nach wie vor unklar ist, wie alt der Turm ist und zu welchem Zweck er tatsächlich errichtet wurde. In der Literatur und in den Quellen ist wenig über diesen so genannten Pulverturm zu finden. Das heißt aber auch: Das Türmchen könnte tatsächlich sehr alt sein. Oder aber auch nicht.

Unabhängig davon scheint es in den Augen von vielen in Bruneck nicht akzeptabel, dass der Turm nun einfach abgebaut wird. Auch wenn er wieder aufgestellt werden soll, befürchtet man, dass durch die Aktion einiges an historischer Authentizität verloren geht. Wenn schon, hätte man zumindest das Landesdenkmalamt mit der Angelegenheit betrauen müssen, auch ohne offizielle Schutzbindung. Aber der Turm ist in privatem Besitz der „Mehr.Wert.Leben.GmbH“, zu 100 Prozent eine Gesellschaft der Bank. So wird es keine archäologischen Grabungen und keine Untersuchung des Mauerwerks geben. Als ob er ein Spielzeug wäre, wird der Turm jetzt abgebaut, dann wieder aufgebaut.

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

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