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Das Treffen im Laurin

Die Landesbeamtin Carmen Larcher, die SAD-Chef Ingemar Gatterer geheime Unterlagen zugespielt hat, die letztendlich zur Annullierung der Ausschreibung für die außerstädtischen Busdienste geführt haben, steht wieder vor Gericht.

von Artur Oberhofer

Die Szene könnte einem mittelmäßigen Spionage-Film entlehnt sein: Am 5. Juli 2018, es ist ein Donnerstag, gegen Mittag verlässt die Beamtin des Landesamtes für Motorisierung Carmen Larcher ihr Büro im Landhaus II in Bozen und geht zu Fuß Richtung Hotel Laurin. Die Landesbeamtin ist mit SAD-Chef Ingemar Gatterer verabredet.

Carmen Larcher hat an jenem Tag „heiße“ Infos für den befreundeten Unternehmer. Eine vertrauliche E-Mail.

In jenen Tagen läuft die Teilnahmefrist der großen Bus-Ausschreibung. Es geht um einen 700-Millionen-Euro-Kuchen.

Ingemar Gatterer befürchtet in jenen Tagen, dass das Land den Wettbewerb stoppen könnte, weil zwei Mitbewerber – LiBus und KSM – nicht über die erforderliche REN-Eintragung (es ist die das elektronische Verzeichnis der Güterkraftverkehrsunternehmer) verfügen. Gatterer vermutet folgendes Szenario: Der (immer laut Gatterer) dem LiBus-Präsidenten Markus Silbernagl nahestehende LH wolle den Wettbewerb annullieren, um dem Ausschluss der Mitbewerber LiBus und KSM zuvorzukommen.

Die Landesbeamtin Carmen Larcher überibt SAD-Chef Ingemar Gatterer an jenem 5. Juli 2018 im Hotel Laurin eine vertrauliche E-Mail, der der damalige Leiter der Landesabteilung Mobilität, Günther Burger, zwei Tage vorher, also am 3. Juli, an den Verfahrenszuständigen Gianluca Nettis und an den damaligen Leiter der Ausschreibungsagentur des Landes, Thomas Mathà geschickt hatte.

In dieser E-Mail hatte Günther Burger die Beamten Nettis und Mathà aufgefordert, einige Fragestellungen bezüglich der erforderlichen REN-Eintragung für die am Wettbewerb teilnehmenden Bus-Konsortien abzuändern und die am 6. Juli 2018 auslaufende Teilnahmefrist zu verlängern.

Für Ingemar Gatterer ist das Dokument, das ihm die Landesbeamtin Carmen Larcher zugespielt hat, eine Bombe!

Er ist jetzt nämlich überzeugt davon, dass der LH und die Verfahrensbeteiligten das Spiel von LiBus und KSM machten und diese beiden Unternehmen vor einem Ausschluss aus dem Verfahren verhindern wollten.

Und in der Folge macht Ingemar Gatterer etwas, was er im Nachhinein tief bereuen wird: Der SAD-Chef faxt die vertrauliche Burger-E-Mail an seinen Vater Josef. Der Gatterer-Vater, er ist auch Bürgermeister der Gemeinde Pfalzen, leitet das Dokument an die Medien weiter, und zwar in der Absicht, die sich anbahnende Wettbewerbsverzerrung zugunsten von LiBus und KSM zu verhindern.

Pech für Ingemar Gatterer: Der SAD-Chef weiß zu dem Zeitpunkt nicht, dass am Vormittag des 5. Juli 2018 zwei Treffen von Spitzenbeamten stattfanden, bei denen die Beamten einstimmig zu dem Entschluss gelangten, dass die Eingaben von LiBus und KSM (die ins Feld führten, sie bräuchten keine REN-Eintragung) nicht stichhaltig seien und die Ausschreibung deswegen wie geplant weitergeführt werden soll.

Mit anderen Worten: Ingemar Gatterer und seine SAD wären die sicheren Wettbewerbssieger gewesen.

Doch mit der Veröffentlichung der vertraulichen Burger-E-Mail haben sich Gatterer Vater und Sohn selbst ins Knie geschossen, denn das Land hat die Ausschreibung dann tatsächlich annulliert. Und zwar mit dem Argument, dass der ordnungsgemäße Ablauf des Wettbewerbs nach der Veröffentlichung von internen Dokumenten nicht mehr gewährleistet werden könne.

Pech für Gatterer: Hätte er die E-Mail, die ihm die Landesbeamtin Carmen Larcher zugespielt hat, nicht veröffentlichen lassen, wäre die Ausschreibung wie geplant weitergegangen – und er wäre wohl heute der alleinige Platzhirsch im öffentlichen Nachverkehr.

Auch für die „untreue“ Landesbeamtin Carmen Larcher hat die Weitergabe der internen Dokumente ein Nachspiel.

Gegen Carmen Larcher wurden zwei Ermittlungen angestrengt. In einem Strang ermittelte die Staatsanwaltschaft Bozen gegen die Beamtin Carmen Larcher wegen Verletzung des Amtsgeheimnisses. Die Staatsanwaltschaft beantragte am Ende überraschend die Archivierung des Verfahrens, die auch vom Richter für die Voruntersuchung angenommen wurde. Allerdings: Gegen die Archivierung der Akte Carmen Larcher hat die Landesregierung (mit Beschluss vom 6. Juli 2021) Beschwerde eingelegt.

Der entsprechende Widerspruch wurde am 13. Juli dieses Jahres bei Gericht hinterlegt.

Die Landesbeamtin Carmen Larcher hatte gegenüber den Behörden immer angegeben, sie habe aus „Freundschaft zur Familie Gatterer“ gehandelt. Gerichtsdokumente und Abhörprotokolle, die der TAGESZEITUNG vorliegen, belegen, dass die Verbindung zwischen der Beamtin im Landesamt für Motorisierung und SAD-Chef Ingemar Gatterer sehr intensiv war.

Ingemar Gatterer nennt die Beamtin in abgehörten Telefongesprächen einmal sogar „Chefin“. Einmal ist Carmen Larcher sogar während der Arbeitszeit von Bozen nach Pfalzen gefahren, um Gatterer zu treffen.

Gegen Carmen Larcher behängt noch ein zweites Strafverfahren.

Dabei geht es um das Verfahren mit dem Aktenzeichen 1632/2020 am Landesgericht in Trient.

Der Landesbeamtin wird die fortgesetzte Offenbarung und Nutzung von Amtsgeheimnissen (nach Artikel 326 des Strafgesetzbuches) vorgeworfen, weil sie als Bedienstete des Landesamtes für Motorisierung und somit als mit einer öffentlichen Dienstleistung betraute Person wiederholt und missbräuchlich den Zugang zum zentralen Informationssystem der Kfz-Zulassungsstelle genutzt und die solcherart erlangten Informationen an Dritte (an Ingemar Gatterer) weitergegeben hat.

Zwischen November 2018 und März 2019 soll Carmen Larcher – laut den Gerichtsakten – über ihren Username und ihr Passwort Informationen über drei Personen eingeholt haben. Bei den drei Personen, zu denen Carmen Larcher Infos aus dem Zentralcomputer abgerufen hat, handelt es sich um Angestellte des Busunternehmens SAD.

Die Vorverhandlung in diesem Fall ist auf den 25. November festgelegt worden.

 

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