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Pille gegen Corona?

Bernd Gänsbacher

Das Medikament Molnupiravir wird bereits als Wunderpille gegen das Coronavirus beschrieben. Doch hält es wirklich was es verspricht? Der Immunologe Bernd Gänsbacher klärt auf.

Tageszeitung: Herr Professor, das Medikament Molnupiravir des Konzerns Merck soll das Risiko für Krankenhausaufenthalte durch Corona um die Hälfte senken. Wie funktioniert das Medikament?

Bernd Gänsbacher: Es handelt sich um ein ähnliches Medikament wie Remdesivir. Beide weisen einen ähnlichen Wirkungsmechanismus auf, in dem sie der RNA-Polymerase des Coronavirus einen falschen Baustein für den Kopierprozess bei der Virusvermehrung zur Verfügung stellen. Das Coronavirus besteht ja aus den Bausteinen A,C,G und U. Durch Molnupiravir wird ein falscher Baustein für das C angeboten und eingebaut. Wenn sich das Virus nun kopiert, und einen dieser falschen C-Bausteine einbaut, kommt es zu einem Reproduktions-Stopp. Das heißt, das Virus kann sich nicht mehr vervielfältigen. Das Remdesivir bietet hingegen einen falschen Baustein für das A an und hat deshalb eine ähnliche Wirkung. Wichtig bei dieser Art von Medikamenten ist immer die Frage, ob die körpereigenen menschlichen Polymerasen diese Bausteine auch verwenden. Wenn das der Fall wäre, würde es zu starken Nebenwirkungen kommen. Zum Glück ist das bei Molnupiravir und Remdesivir nicht der Fall.

Wie wirksam ist das Medikament?

Man hat das Medikament in der klinischen Studie bereits getestet. In einer Gruppe von neuen Corona-Infizierten mit Risikofaktoren haben die Hälfte Molnupiravir und die andere Hälfte ein Placebo bekommen. Während in der Kontrollgruppe 14 Prozent hospitalisiert wurden, waren es bei Molnupiravir nur mehr sieben Prozent. Das heißt, man hat die Hospitalisierungsrate um 50 Prozent gesenkt.

Die Medien betiteln das Medikament bereits als Super-Pille und setzen große Hoffnung darin. Handelt es tatsächlich um ein Super-Medikament?

Überhaupt nicht. Es handelt sich nämlich um ein Medikament, das nur dann wirksam ist, wenn man es im Anfangsstadium der Infektion einsetzt. Es hat den großen Vorteil, dass es im Gegensatz zu Remdesivir, das intravenös verabreicht werden muss, als Tabletten oral eingenommen werden kann. Das bedeutet, dass ein Arzt das Medikament auch für einen ambulanten Patienten verschreiben könnte. Dieses Medikament muss also bei einem neu infizierten Menschen bereits vor einer schweren Erkrankung eingenommen werden.

Das heißt, das Medikament ist nichts Besonderes?

Der Punkt ist, dass es sich um einen Schritt in die richtige Richtung handelt. Je mehr Zeit und Geld für die Corona-Forschung an guten Universitäten investiert wird, desto bessere Medikamente werden entwickelt. Irgendwann wird man dann so gute Medikamente entwickeln, wie man sie beispielsweise bereits beim HIV-Virus oder dem Hepatitis-C-Virus hat.

Momentan sollte man aber weiterhin auf die Impfung setzen?

Die Impfung wirkt ganz anders, sie greift in einem Bereich ein, in dem das Medikament nicht wirkt. Bereits bevor man infiziert ist, lässt man sich impfen und verhindert dadurch schwere Verläufe.

Glauben Sie, dass sich nun die Forschung vermehrt auf Medikamente gegen das Coronavirus konzentrieren wird?

Das ist fast nicht möglich, denn bereits jetzt wird das Maximum an Medikamentenforschung betrieben. Viele Universitätsabteilungen, die bereits Hervorragendes geleistet haben, sind nun auf die Corona-Forschung übergegangen, weil dort auch viel Geld von den Staatsfonds kommt. Man muss aber immer darauf achten, wo man diese Geldmittel einsetzt. Das Geld muss dort hineingesteckt werden, wo effektive und erfolgreiche Forschung betrieben wird. Es genügt nicht, dass eine Forschergruppe ein neues Medikament finden will, sie muss vorab die richtige instrumentelle Ausrüstung, die richtigen Techniken und Forscher mit dem notwendigen Knowhow in ihrer Gruppe haben.

Ein anderes Thema: Dänemark und Schweden haben einen Impfstopp für Moderna für die unter-30-Jährigen eingeführt. Warum?

Von Moderna weiß man, dass der Impfstoff in seltenen Fällen eine Myokarditis (Herzmuskelentzündung) auslöst. Myokarditis wurde bei rund einem von 100.000 hauptsächlichen jungen Männern beobachtet. Perikarditis (Herzbeutelentzündung) in rund 1,8 von 100.000 vorwiegend älteren Männern. Die meisten dieser Fälle heilen aber aus. Da es aber mittlerweile viele alternative Impfstoffe wie Johnson & Johnson oder Pfizer gibt, hat man sich dazu entschieden, junge Leute vor der Myokarditis zu schützen. Obwohl die Erkrankung also sehr selten vorkommt, handelt es sich um einen vernünftigen Beschluss, da es Alternativen gibt.

Werden auch Italien und das restliche Europa einen solchen Beschluss fassen?

Dass ganz Europa einen gemeinsamen Beschluss fällt, wäre zwar wünschenswert, kam aber bisher sehr selten vor. Schweden, Norwegen oder Dänemark sind sicher nicht dümmer als der Rest von Europa. Wenn es Alternativen gibt und wenn der Impfstoff von Moderna – wenn auch äußerst selten – zu Problemen führt, warum sollte man dann nicht einen Impfstopp für junge Menschen einführen, um diese zu schützen?

Eine letzte Frage zur aktuellen Lage: Landesrat Thomas Widmann hat Schließungen im Winter nun nicht ausgeschlossen. Wie groß ist die Ungewissheit, die der Winter nun mit sich bringt

Auf der einen Seite hat man die Tatsache, dass viele Menschen geimpft oder genesen sind und das Virus deshalb Probleme hat, sich auszubreiten. Auf der anderen Seite bringt der Winter zwei Faktoren mit sich. Zum einen kommen die kälteren Temperaturen ins Spiel, welche die respiratorischen Viren lieben. Zudem kehrt man in die Innenräume zurück, wo man weiß, dass rund 90 Prozent aller Infektionen geschehen. Es ist also die Gefahr vorhanden, dass sich das Virus bei Ungeimpften ausbreitet und umso mehr Gelegenheit hat, impfresistente Mutanten zu erzeugen.

Interview: Markus Rufin

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