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Vor dem Kollaps 

Foto: 123 RF

Schlechtwetter, Angst vor Ansteckung und vor allem sehr viele Gäste haben in diesem Sommer für lange Staus auf den Straßen im Pustertal gesorgt. Das ärgert vor allem die Einheimischen. Aber, was tun? HGV-Obmann Thomas Walch sucht nach Antworten.

von Silke Hinterwaldner 

Die Pustertaler Straße stand heuer im Sommer beinahe jeden Tag kurz vor dem Kollaps. Das hat einen einfachen Grund: Wahrscheinlich so viele Menschen wie nie zuvor waren in den Hochsommertagen im Pustertal und im Gadertal unterwegs. Zum Alltagsverkehr kamen in diesen Tagen die Touristen hinzu, die ganz besonders an An- und Abreisetagen nicht selten im Stau steckten.

Aber während Gäste eher gelassen mit diesem Problem umgehen, ärgern sich die Südtiroler Unternehmer, Pendler und Ausflügler umso mehr über das schier unerträgliche Verkehrsaufkommen. Aber, was tun? Wie kann es weitergehen? Ist es besser, die Anzahl der Touristen zu beschränken oder die Straßen auszubauen? Und werden die Menschen sich gegen den Ansturm an Touristen wehren, sobald sie auf dem Weg zur Arbeit täglich im Stau stehen?

Thomas Walch, Obmann des HGV im Pustertal und im Gadertal, beschreibt diesen Ausnahmesommer und zieht Lehren daraus. 

Tageszeitung: Herr Walch, so viele Menschen wie heuer im August waren im Pustertal noch nie unterwegs, oder?

Thomas Walch: In diesem August wurden ganz sicher die Zahlen von 2019 erreicht, das steht außer Frage. Wir haben zwar noch keine offiziellen Daten vorliegen, aber können bestätigen, dass das Verkehrsaufkommen sehr hoch war. In diesem Zusammenhang mussten wir auch feststellen, dass aufgrund der Pandemie weniger Menschen bereit sind, mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu reisen. Man fährt lieber mit dem eigenen Auto. Viele sind derzeit nicht bereit, sich in einen Bus zu setzen, der voller Leute ist. Gleichzeitig aber wurden die Zubringerbusse zum Pragser Wildsee und zu den Drei Zinnen sehr gut genutzt.

Kann man dem Stau vorbeugen?

Die Kapazität auf der Straße ist begrenzt. Durch das häufige Schlechtwetter in diesem Sommer sind die Gäste auch vermehrt im Tal geblieben, das hat die Lage zusätzlich verschärft. Aber grundsätzlich gilt: Den vielen Verkehr verursachen wir alle gemeinsam. Deshalb fragt man sich schon lange: Welche Lösungsansätze gibt es? Wir müssen verstärkt auf die öffentliche Mobilität setzen, bereits bei der Anreise. Der HGV hat zudem eine letzte Meile zur Verfügung gestellt. Das heißt: Der Gast kommt mit dem Zug nach Südtirol und wird dann mit dem Shuttle zum Hotel gebracht. Es wird immer Spitzentage geben, in denen der Verkehr auf der Straße ins Stocken gerät. Da brauchen wir uns nichts vormachen. Aber erklärtes Ziel ist es, die Gäste in die Öffis zu locken.

Die Pandemie erschwert das…

Der Italiener ist sehr umsichtig unterwegs, er fährt lieber mit dem eigenen Auto und hält sich grundsätzlich an die Coronaregeln. Italiener wollen sich nicht in die Gefahr bringen und wundern sich, warum sie hier in Südtirol kaum nach dem Grünen Pass gefragt werden. Aber das ist eine andere Geschichte.

Hand aufs Herz: Gibt es bei Ihnen im Hotel Gäste, die mit dem Zug anreisen?

Die meisten kommen mit dem Auto, nur vereinzelt kommen sie mit dem Zug. Das führe ich vor allem darauf zurück, dass die Gäste das Angebot vor Ort noch zu wenig kennen. Gleichzeitig aber sind manche Linien heute schon überlastet. Hier gilt es noch einiges zu besprechen und zu organisieren. Alle sind diesbezüglich sehr bemüht.

Kann man das Verkehrsproblem auf der Pustertaler Straße lösen?

Innerhalb von wenigen Jahren ist das Verkehrsaufkommen an der Pustertaler Straße um 25 Prozent gestiegen. Das ist enorm viel, aber nicht nur dem Tourismus geschuldet.

Wie oft sind Sie in diesem Sommer im Stau gesteckt?

Ehrlich gesagt: nicht so oft. Ich fahre grundsätzlich in die andere Richtung. Sobald die Verkehrslawine ins Pustertal rollt, fahre ich nach Bozen und umgekehrt. Ich habe andere Ziele als die meisten Gäste. Was wir in diesem Zusammenhang aber schon erwähnen sollten: Es gibt im Pustertal viele Hotsports, damit steigt die Verkehrsbelastung. Um den Pragser Wildsee oder die Drei Zinnen zu sehen, kommen die Besucher von überallher, auch aus anderen Landesteilen.

Stau ärgert die Leute. Machen Sie sich keine Sorgen, dass die Akzeptanz für den Tourismus sinkt, sobald es kein Vorankommen auf der Straße gibt?

Das darf man nicht unterschätzen. Mich wundert es immer wieder, dass die Gäste über Stau oder zu viel Verkehr kaum maulen. Anders die Menschen vor Ort. Wir müssen deshalb tatsächlich aufpassen, dass die Akzeptanz für den Tourismus nicht sinkt, weil man im Stau steckt und in solchen Situationen sehr emotional reagiert. Es gibt allerdings positive Beispiele. Etwa in Prags hat sich gezeigt, dass wir mit der Kontingentierung und der Onlinebuchung eine gewisse Ruhe in das Tal bringen konnten. Es sind immer noch sehr viele Leute dort, aber von 17.000 an Spitzentagen konnte man jetzt die Zahl der Besucher auf 6.000 senken. Manche haben sich mittlerweile damit abgefunden, dass es im August viel Verkehr gibt, heuer allerdings war noch mehr los als sonst. Aber ich bin überzeugt: Sollte die Pandemie in einem Jahr weniger Einschränkungen bringen, wird auch die Auslastung in den Betrieben bei uns sinken. Wir sind uns bewusst, dass wir jetzt viele neue Gäste akquiriert haben. Das ist super. Aber die werden nicht alle nächstes Jahr wiederkommen. Das geht gar nicht.

Trotzdem wird der Verkehr nicht weniger werden…

Wir haben auch jetzt im September noch sehr viele Gäste hier. So enden jetzt die Verkehrsbeschränkungen in Prags, obwohl das wohl zu früh ist. Diese Beschränkungen werden im nächsten Jahr bis Ende September ausgeweitet werden müssen. Was noch dazukommt: Wir müssen auch über Beschränkungen zu anderen Ausflugszielen nachdenken, etwa am Toblacher See oder am Antholzer See.

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (20)

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  • criticus

    Herr Walch, auch Gäste ärgern sich über die katastrophale Verkehrssituation in Südtirol. Und das ziemlich häufig. Straßen werden in der Hochsaison repariert und geteert. Kopfschütteln unter den Gästen auch in Meran, da wird in der Saisonzeit die halbe Passerpromenade wegen Wartungsarbeiten gesperrt. Dreck, Staub und unnötige Umleitungen. Interessant auch, an den Baustellen sieht man entweder keine Arbeiter oder nur 1 bis 2 Arbeiter, die sich mit ihren Handys beschäftigen. Von Planung keine Rede, jeder Amtschef plant, als wäre er der Einzige im Lande. Aber keine Sorge, nächstes Jahr, wenn die Pandemie nachlässt werden viele wieder ins Flugzeug steigen und in andere Urlaubsdestinationen abwandern. Viele Gäste sagen jetzt schon: Einmal und nie wieder!

  • pingoballino1955

    Kopfschütteln ,aber keinen Plan?????

  • hallihallo

    vor 20 jahren wollte man eine zweispurige straße bauen, aber die pustertaler haben auf die grünen von pro pustertal gehört und der durnwalder wollte sich nicht gegen seine landsleute und bauern stellen. und das ist das resultat.
    nicht einmal die umfahrung von vintl ist vor wenigen jahren zweispurig gebaut worden, wo es dann eine sichere überholmöglichkeit gegeben hätte. so fahren wir halt alle hinter einem langsamen lkw oder wohnwagen.
    das lächerlichste ist wohl das zentrum von kiens. obwohl man die kreuzung verbreitern könnten, müssen alle hinter einem einzigen linksabbieger stehen.
    dabei wäre rechts daneben platz genug , um eine zweite spur zu bauen.
    kiens möchte wohl extra viel stau, damit druck für die umfahrungsstraße zu machen.

  • logo

    Herr Alfreider: wir müssen sofort handeln ! Immer alles auf die lange Bank schieben, bringt uns nicht mehr weiter. Es könnten rasch viele kleinere Maßnahmen getroffen werden, um den Verkehr flüssiger zu bekommen. Die größeren Projekte kann im zweiten Moment realisieren. Eine flüssigere Strasse im Hochpustertal ist noch nicht mal ein Thema, dabei müßte sie schon längst da sein. (Täglich Stau von Kiens bis Toblach)
    Die vorbildlich ausgebaute Strasse in Osttirol existiert seit 30 Jahren !
    Man könnte z.B. den Pässe-Tourismus Wahnsinn sofort stoppen .. wenn man nur wollte.

  • olle3xgscheid

    Ein Traum Algund- Naturns und weiter!! Warum? Weil gratis,….
    Alles,hausgemacht

  • laura

    Ja die Pusterer haben sich immer gegen die Alemania gewehrt und jetzt ist es ja ganz schlimm wegen den Verkehr 🙂 Mann will alle Jahre mehr Gäste, mehr Industrie ja und dann kommt halt auch der Verkehr ist nicht so schwer zu verstehen oder?

  • tirolersepp

    @silberfuxx du bist ein fux

    Recht hast du !

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