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„Man sollte sich nicht aufregen“

Manfred Pinzger

HGV-Präsident Manfred Pinzger über die Sommersaison, die Grenzen des Tourismus und die Staus auf den Straßen.

Tageszeitung: Herr Pinzger, wie schaut die bisherige Bilanz in der Tourismusbranche für die Sommersaison aus?

Manfred Pinzger: Kurz zusammengefasst können wir folgende Bilanz ziehen: vorsichtiger, verhaltener Start im Juni, gut gebucht ab 15. Juli, ein insgesamt sehr gut gebuchter August und noch verhaltene Buchungen für den Herbst. Im gesamten August gab es überraschend viele italienische Gäste im ganzen Land.

Welche Südtiroler Gebiete sind in diesem Sommer Hauptziele der Touristen?

Der italienische Gast bevorzugt größtenteils das Dolomitengebiet, aber auch der Westen, die Gebirgsgegenden und die Seitentäler waren von den Italienern gut besucht. Eine interessante Entwicklung, die wir heuer beobachten konnten, war, dass im Vergleich zu anderen Saisonen das Hochgebirge und die hohen Destinationen schon frühzeitig gut gebucht waren. Das hängt wahrscheinlich auch mit der Corona-Pandemie zusammen. Der Wunsch nach guter Luft und Natur war bei vielen groß. Bereits im Juni gab es in den Destinationen über 1.500 Metern Höhe eine gute Buchungssituation. Normalerweise sind diese Gebiete witterungsbedingt erst im Hochsommer gut ausgelastet. Diese Entwicklung ist positiv zu bewerten.

Aus welchen Ländern kommen die Gäste vorwiegend?

Südtirol hat in einem Radius von 600 Kilometern als Reiseziel einen guten Namen und aus diesem Gebiet kommen auch die meisten Gäste. Der Hauptteil der Gäste kommt jedoch weiterhin aus dem deutschsprachigen Raum – aus Deutschland, Österreich und der Schweiz.

Hat sich das Buchungsverhalten durch die Corona-Pandemie verändert?

Ja. Viele Leute waren unsicher, haben abgewartet und daher kurzfristig gebucht. Zudem sind viele mit dem eigenen Auto angereist, wobei wir als HGV dazu anregen, die öffentlichen Verkehrsmittel zu nutzen.

Im Innenbereich der Gastronomiebetriebe brauchen Gäste seit dem 6. August den Green Pass. Wie hat sich diese Regelung auf das Gastgewerbe ausgewirkt?

Man muss hier unterscheiden zwischen Hotellerie und Gastronomie. In der Hotellerie wurde vielfach schon vor dem 6. August ein Impfzeugnis oder ein negatives Testergebnis gefordert. Für diesen Bereich war es also nichts Neues. Mehr zu schaffen machte der Green Pass sicherlich der Gastronomie. Mitarbeiterbedingt ist es dort schwieriger zu kontrollieren. Zudem ist die Frequenz dort viel intensiver als in einem Hotelbetrieb. Es war für die Bars, Konditoreien und Restaurants eine zusätzliche Auflage, die erst gemeistert werden musste.

Zudem gilt seit dem 1. August für die Einreise nach Deutschland der verpflichtende Nachweis von Test, Impfung oder Genesung. Hat es diesbezüglich Probleme gegeben?

Es kam vereinzelt zu Problemen. Jede zusätzliche Auflage bringt Unsicherheiten mit sich, aber sie haben sich in diesem Fall in Grenzen gehalten. Für uns ist wichtig, dass man den Gästen in allen Territorien eine Möglichkeit zum Testen gibt. Es hat lange gedauert, bis Rom reagiert hat und die Vereinbarung mit den Apotheken geschlossen hat. Wir sind noch nicht dort, wo wir sein sollten, vor allem im peripheren Raum. Ein Teil der Apotheken bietet noch keine Corona-Tests an, wir hoffen aber, dass in den nächsten Wochen noch weitere Apotheken die Vereinbarung treffen.

Landesrat Schuler sagt in seiner Halbzeitbilanz, dass die Grenze des Tourismus in den Hauptsaisonen erreicht sei und dass man im Tourismus auf Qualität setzen müsse. Wie stehen Sie als HGV-Präsident dazu? 

Ich bin absolut auch dafür. Es gilt, die Qualität stets zu erhöhen und darauf arbeiten wir als HGV auch hin. Man kann Südtirol insgesamt aber nicht über einen Kamm scheren. Geht man etwa den Marteller Höhenweg, kann es auch in den Sommermonaten vorkommen, dass man vier Stunden niemandem begegnet. Es gibt aber andere Gebiete, in denen die Grenze des Tourismus absolut erreicht ist.

Und wie kann man mehr Qualität im Tourismus erreichen?

Wir müssen die Tourismusgesinnung der einheimischen Bevölkerung auf jeden Fall stärken. Ohne Zustimmung der Bevölkerung ist kein hochwertiger Tourismus möglich. Zudem muss man die qualitativ vorzüglichen Produkte, die wir in Südtirol haben, besser in die Tourismusangebote einbauen. Wir werden in Südtirol immer eine bestimmte Anzahl an Touristen brauchen. Wir haben 220.000 Gästebetten und diese sollten auch belegt werden.

An den vergangenen Wochenenden kam es aufgrund der touristischen Hochsaison auf vielen Hauptverbindungen des Landes zu Staus und Wartezeiten. Wie kann man hier eine Entlastung schaffen?

Ich sehe das sehr nüchtern. Wir haben in Südtirol sehr viel hausgemachten Verkehr. Es gibt noch einige Hausaufgaben, die in Südtirols Verkehrspolitik zu erledigen sind. Im Februar dieses Jahres etwa, als keine Touristen im Land waren, war auf einigen Verbindungen gleich viel los wie jetzt in der Hochsaison. Man muss auch klar sagen, dass Südtirol über Jahrzehnte ein Durchzugsland war, da können wir als Gastwirte nicht viel dafür. Wir als HGV haben etwa eine Kooperation mit Südtirol Transfer, damit werden die Gäste vom Bahnhof zur Beherbergung gebracht und der Individualverkehr soll entlastet werden. Kommt es für zwei Wochen zu einem höheren Verkehrsaufkommen auf Südtirols Straßen, dann wird das sicher auch zur Wertschöpfung beitragen und man sollte sich nicht aufregen.

Wird es in Südtirols Tourismus langfristig einen Bettenstopp geben?

Einen generellen Bettenstopp kann es nicht so einfach geben. Es wird strategische Überlegungen geben, wo und mit welchen Konzepten man noch weitere Betten zulässt. Bei bestehenden Betrieben ist nach wie vor unsere Forderung, dass man in einem bestimmten Maße und in bestimmten Gebieten Entwicklungen zulässt.

Interview: Bettina Gatterer

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