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Brunnenkresse

Ankunft auf dem eigenen Stück Land

„Minari“, der oscarprämierte Film von Lee Isaac Chung erzählt von der Besiedlung eines neuen Landes. Chung weiß, wovon er redet.

von Renate Mumelter

Minari ist ein Kraut, von dem wir Westlichen so wenig wissen, dass sogar das allwissende Netz strauchelt. Einmal ist von Wasserpetersilie die Rede, dann von Sellerie und danach wieder von Wasserfenchel. Nur ab und zu wird auf Kresse getippt. Verkostet habe ich das Kraut nie, aber so wie es aussieht und so wie dessen Geschmack beschrieben wird, ist es wohl eine koreanische Art der Brunnenkresse. Unsere Bachkresse wächst ja auch am liebsten am Bach. 

Warum aber so viel Aufhebens um ein Kraut? Weil Minari dem Film von Lee Isaac Chung den Namen gibt, und weil die Natur in dieser Geschichte eine wichtige Rolle spielt. Natur ist nämlich nicht immer gnädig, Menschen noch weniger.

Nur noch heute und morgen

„Minari“ ist ein Film zum Ansehen, aber das ist leider nur mehr heute und morgen möglich. (Ständig muss etwas Neues her, keine Zeit zum Entdecken, aber darum geht es hier nicht.) „Minari“ erzählt jedenfalls die Geschichte einer Siedlerfamilie der Jetztzeit, Vater, Mutter, zwei Kinder. Sie haben koreanische Ursprünge und versuchen in Amerika Fuß zu fassen. Das Geld verdienen sie mit dem Sexing von Küken, einem wenig ertragreichen und sehr stressigen Job. Jedes Küken wird kontrolliert. Die guten (in dem Fall künftigen Hennen) landen im Töpfchen, die unnützen (in dem Fall die künftigen Hähne) im Verbrennungsofen. 

Der Aufbruch

Vater Jacob träumt von einer Farm, wo er koreanisches Gemüse für die vielen Asia-Shops anbauen möchte. Jacob erwirbt ein Stück Land irgendwo in der Einsamkeit, und die Familie zieht aus Los Angeles dorthin. Damit beginnt der Film und mit einem größeren Wohnwagen auf Stelzen, auf den Jacobs Frau Monica nicht vorbereitet ist. Dort soll die Familie jetzt leben. Die Herausforderung ist groß, und weil beide Elternteile voll ausgelastet sind, kommt die Großmutter aus Korea, um auf die Kinder zu schauen. Auch die tun sich schwer. Yoon Yeo-jeong hat für ihre Darstellung heuer den Oscar bekommen. Nominiert war „Minari“ sogar in sechs Kategorien.

Der Hintergrund

Regisseur Lee Isaac Chung ist Sohn einer koreanischen Auswandererfamilie, die in den USA eine Farm betrieb. Er studierte in Yale Biologie und Umweltlehre, bevor er sich für die Filmarbeit entschied. Ausführender Produzent des Films ist Brad Pitt, und das ist sicher kein Zufall, denn Pitt macht wie einige andere US-Stars immer wieder auf sein Engagement für die Umwelt aufmerksam. Das Drehbuch zum Film schrieb übrigens Lee Isaac Chung selbst, er kennt die Situation aus eigener Erfahrung ziemlich genau.

Der Stil

Erzählt ist „Minari“ wie eine alte Siedlergeschichte, wie ein Western von früher, das heißt, es bleibt spannend, weil immer etwas Unvorhergesehenes eintritt, dieses Unvorhergesehene aber auch vorhersehbar war. Eine Erzählform, die sich genießen lässt, die aber nicht alle mögen. Die Musik untermalt, und zwischen den Menschen ereignet sich Dramatisches, zwischendurch aber auch Amüsantes. Ganz besonders ist die Beziehung, die sich zwischen dem Enkel und der Großmutter entwickelt, und ganz besonders ist die schauspielerische Leistung aller, auch der Kinder. Großmutter Yoon Yeo-jeong bekam ihren Oscar zu Recht, zu Steven Yeun, dem nominierten Vater, hätte so eine Statuette auch gut gepasst. 

„Minari – Wo wir Wurzeln schlagen“ (USA 2020, 115 Min.), Regie: Lee Isaac Chung, mit: Steven Yeun, Yeri Han, Youn Yuh-Jung, Alan S. Kim, Will Patton, Scott Haze, Noel Cho, Darryl Cox, Ben Hall

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

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