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Das Phänomen Meloni

Foto: Giorgia Meloni/Facebook

Giorgia Meloni, deren Fratelli d’Italia in den Umfragen mit der Lega gleichgezogen haben, schickt sich an, die erste Ministerpräsidentin Italiens zu werden. In Südtirol verfolgt man den rasanten Aufstieg der Rechtsaußenpolitikerin mit Sorge. 

Von Matthias Kofler

Sie hat ein Ziel: Giorgia Meloni will die erste Regierungschefin Italiens werden und das Land auf Rechtskurs bringen. Ihre Popularität wächst ebenso schnell, wie jene von Matteo Salvini sinkt. Die letzten Umfragen sehen ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen den rechtsnationalistischen Fratelli d’Italia und der rechtspopulistischen Lega. Mit 20 Prozent liegt die 44-jährige Meloni nur mehr einen Prozent hinter ihrem Bündnispartner. Zum Vergleich: Bei den Europawahlen betrug der Abstand zwischen den beiden noch über 25 Prozent.

Der Höhenflug der Rechtsaußenpolitikerin überrascht auch die politischen Beobachter. Als ein Grund für Melonis rasanten Aufstieg wird ihre klare Haltung in der Pandemie-Politik ausgemacht: Während sich die FDI-Chefin mit Kritik am Lockdown weitestgehend zurückhielt, wirkte Salvini mit immer wieder wechselnden Ansagen wenig glaubwürdig. Außerdem kommt Meloni zugute, dass ihre Partei mittlerweile die einzige echte Oppositionskraft im Parlament ist. Damit lockt sie alle Unzufriedenen an: Skeptiker, Krisenverlierer, Verschwörungstheoretiker.

Meloni, die in ihrer Jugend Mitglied des Fronte della Gioventù, der Jugendbewegung der Faschisten, war, sitzt seit ihrem 31. Lebensjahr im Parlament. Trotz Schärfe und Härte im Diskurs ist die Römerin selbst bei ihren politischen Gegnern beliebt. Sie gilt als ausnehmend nett im persönlichen Umgang und erfährt für ihren klaren Kurs große Wertschätzung.  „Meloni ist wenigstens kohärent. Anders als Salvini sagt sie nicht einen Tag das eine und am nächsten das Gegenteil davon“, sagt SVP-Senatorin Julia Unterberger. Während sich FDI klar in der Opposition befinde, habe Salvini „einen Fuß in der Regierung und den anderen in der Opposition“. Er mache teilweise sogar Opposition gegen die Beschlüsse seiner eigenen Minister. „Man muss Meloni lassen, dass sie bei ihren Positionen bleibt. Es zieht sich ein logischer Faden durch ihr politisches Handeln. Das verleiht Glaubwürdigkeit“, so die Chefin der Autonomiegruppe.

Ähnlich äußert sich die SVP-Kammerabgeordnete Renate Gebhard: „Der derzeitige Erfolg von FDI hängt sicher damit zusammen, dass sie die einzige Partei in der Opposition sind und Meloni eine klare Linie fährt und keine Kompromisse eingehen muss.“

In Südtirol verfolgt man den Aufstieg der Machtfrau mit Sorge. SVP-Obmann Philipp Achammer schloss jedwede Zusammenarbeit mit den FDI bereits kategorisch aus. Es handle sich um eine „absolut nationalistische und zentralistische Partei, die wenig übrig für Andersartiges in jeder Hinsicht hat, auch nicht für Minderheiten“, sagt Unterberger. Das sei bei der Lega anders, mit der die SVP in Südtirol regiert. „Ihr Kerngebiet liegt im Norden und die Präsidenten der Regionen legen viel Wert auf autonome Verwaltung und sind autonomiefreundlich eingestellt. Bei allen Vorbehalten gegenüber Salvini, können wir mit der Lega in bestimmten Bereichen durchaus zusammenarbeiten“, meint die Senatorin. „Wenn wir uns hingegen anschauen, was Alessandro Urzì in Südtirol aufführt, erhalten wir eine Vorstellung davon, was uns mit FDI blühen könnte.“

Die SVP-Parlamentarier hoffen, dass der Höhenflug der FDI nicht ewig anhält. Gebhard: „Wie heißt es so schön: Gewinnen muss man Wahlen, nicht Umfragen.“ In Italien änderten sich die Umstände oft schnell und bis zu den nächsten Wahlen sei es noch eine Weile hin. Die SVP-Politikerin erinnert daran, dass sich Giuseppe Conte noch vor einem halben Jahr einer Zustimmung von 60 Prozent erfreuen konnte. Heute liege die für Mario Draghi bei 70 Prozent. Noch vor zwei Jahren sei das Land von Lega und 5 Sternen regiert worden, dann für genau 31 Monate von einem Mitte-Links-Verbund bestehend aus 5 Sternen, PD, Leu, Italia Viva und Maie, und seit März seien alle diese Parteien wiederum gemeinsam am Ruder.

Unklar ist, wie weit nach rechts Salvini mit seiner Lega rücken wird, um mit Meloni Schritt halten zu können. Laut Unterberger wäre es „eine Illusion zu glauben, dass die Lega mit ihrem föderalistischen Gedankengut die Vorherrschaft im Mitterechts-Lager behält.“ Es sei denn, Meloni wandle sich zur Föderalistin, so wie sich Salvini zum Europäer gewandelt habe. 

Die drei Parteien im Mitterechts-Lager haben ein Abkommen geschlossen, wonach der/die Meistgewählte auch Regierungschef wird. „Der Trend geht eindeutig in Richtung Meloni. Es wird nicht mehr lange dauern, bis FDI die Lega überholt hat“, prognostiziert die Senatorin. Salvini mache Melonis Aufstieg natürlich Angst. „Es gibt sogar Überlegungen, eine Fusion von Lega und Forza Italia durchzuführen, um gemeinsam stärker als FDI zu sein. Es wird auch gemunkelt, dass Silvio Berlusconi nicht länger bereit ist, viel Geld in das Projekt FI zu stecken. FI droht in dem Fall allerdings die Spaltung. Man hört derzeit allerhand Hintergrundgeräusche“, weiß Unterberger.

Gebhard sieht den wesentlichen Unterschied zwischen Lega und FDI darin, dass ihre Ausrichtung sehr zentralistisch sei, autonomiepolitische Ansätze seien unerwünscht. Hinzu komme, dass es ihnen an politischer Erfahrung auf lokaler und regionaler Ebene fehlt. Schlechte Vorzeichen für eine Zusammenarbeit auf römischer Ebene. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir so eine Mitterechts-Regierung unterstützen könnten“, bekennt Unterberger. Andererseits seien die Südtiroler Parlamentarier eine kleine Gruppe und müssten in irgendeiner Form ein Auskommen finden. Die Chefin der Autonomiegruppe beschreibt das Dilemma: „Es ist schade, dass es in Italien keine liberale Rechte wie CDU/CSU in Deutschland gibt. Die Lega ist mit der Afd und mit Le Pen auf einer Wellenlänge und vertritt, was Europa anbelangt, die Positionen der extremen Rechten. Salvini wurde zwar von seiner Partei gezwungen, sich einen europafreundlichen Anstrich zu geben, er paktelt aber weiterhin mit Orban und den Gegnern des Projekts Europa. Das Mitterechts-Lager ist also einerseits gekennzeichnet durch die autonomiefeindlichen Tendenzen von FI und FDI und andererseits durch die Ablehnung Europas durch die Lega und FDI.“

Auch Gebhard ist überzeugt, dass eine von Meloni geführte Koalition „für Südtirol sicher nicht einfach“ werden würde, wobei es in einer solchen Regierung immer auch andere Kräfte geben würde und die effektiven Ergebnisse von der Gesamtkonstellation abhängen würden. „Wie wir wissen, gab es in der Vergangenheit immer Perioden, in denen viel erreicht werden konnte und wiederum andere, in denen man schauen musste, das Erreichte abzusichern. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die SVP in eine Regierungsmehrheit mit FDI eintritt, das wäre gegen unsere Prinzipien. Was aber nicht heißt, dass es nicht gilt, mit allen und somit auch mit FDI im Dialog zu bleiben, auch wenn wir als ideologisch weit voneinander entfernt sind“, betont die Abgeordnete. Das Gespräch gelte es mit allen zu suchen, den Luxus, dies aus ideologischen Gründen nicht zu tun, könne man sich im  Interesse des Landes nicht leisten.

In jedem Fall würde Meloni – sollte sie die nächsten Wahlen tatsächlich gewinnen – die erste Regierungschefin in Italien. Für die Feministin Unterberger wäre dies kein Grund zur Freude: „Über eine Regierungschefin Meloni kann ich mich beim besten Willen nicht freuen. Ihre nationalistischen und reaktionären Positionen sind zu extrem. Bei aller Frauenförderung überwiegt bei mir der letzte Aspekt.“

Vorerst bleibt Meloni aber in ihrer Rolle als Oppositionsführerin. Obwohl Gebhard mit ihr in der Kammer sitzt, gab es bislang kaum Kontakt zur FDI-Leaderin: „Meloni ist bekannt für ihre wortgewaltigen Auftritte im Parlament, ihre populistische Art ist jedoch nicht die meine. Es gab einige wenige direkte Kontakte auf Smalltalk-Niveau, Meloni ist jedoch nicht oft im Parlament anzutreffen. Mit ihren KollegInnen in den Gesetzgebungsausschüssen gab es auch Gespräche inhaltlicher Natur.“ Ob diese Gespräche vertieft werden müssen, werden die nächsten Wahlen zeigen.

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