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Gemeinsam „gartln“

Rund 30 Bauern stellen im Rahmen des Pilotprojekts Hof, Garten und Zeit zur Verfügung, um gemeinsam mit Menschen mit Unterstützungsbedarf zu „gartln“.

Beim gemeinsamen Pilotprojekt „Heilsamer Bauerngarten“ der Sozialgenossenschaft „Mit Bäuerinnen lernen – wachsen – leben“, des Südtiroler Bauernbundes und der Bäuerinnenorganisation in Zusammenarbeit mit der Lebenshilfe Onlus können Menschen mit Unterstützungsbedarf sowie SeniorInnen die Gartenarbeit auf einem Bauernhof entdecken und neue Seiten an sich selber kennenlernen.

Dabei zählt nicht die Leistung, sondern das Übernehmen von Aufgaben im Garten, das Miteinander mit Bäuerin oder Bauer in der Natur und das gemeinsame Erleben und Tun. Nun präsentieren die Sozialgenossenschaft und die Lebenshilfe einen ersten Zwischenbericht.

„Arbeit haben wir auf unserem Hof genug. Wenn ich etwas Zusätzliches mache, muss es für mich Sinn machen, und dieses Projekt macht Sinn“, bringt es Christine Pfitscher, Bäuerin und Sozialarbeiterin aus dem Passeiertal, auf den Punkt.

Rund dreißig Bäuerinnen und Bauern in ganz Südtirol stellen derzeit im Rahmen des Pilotprojekts Hof, Garten und Zeit zur Verfügung, um gemeinsam mit Menschen mit Unterstützungsbedarf zu „gartln“. Sie treffen sich wöchentlich, meist für einen halben Tag, um miteinander zu säen, zu pflanzen, zu ernten oder zu verarbeiten.

„Es ist schön, dass man seine Tore öffnen kann, um einem anderen Menschen etwas Gutes zu tun. Es ist ein kleines Stückchen Heimat, das ich ihm zeigen kann – ein Stück von meinem Leben, das wir jetzt miteinander gehen,“ so eine Bäuerin aus Brixen. Menschen die Freude am Garten zu ermöglichen und diese mit ihnen erleben zu dürfen, ist das Besondere an diesem Projekt. Auch Maria Hochgruber Kuenzer, die Präsidentin der Sozialgenossenschaft, freut sich über den Einsatz und die Begeisterung der Mitwirkenden: „In schwierigen Zeiten wie diesen bringt dieses Projekt nicht nur Mensch und Natur zusammen, sondern initiiert Begegnungen und schafft Beziehung.“

Gemeinsam „gartln“ schafft Vertrauen
Gartenarbeit verbindet die positive Wirkung der Natur auf Körper, Geist und Seele mit dem komplexen Zusammenspiel von Muskeln und Sinnesempfindungen. Mit kleinen, aber zielgerichteten gärtnerischen Aktivitäten können der gesamte menschliche Organismus aktiviert und für den Alltag relevante Kompetenzen trainiert werden. Feinmotorik, Wahrnehmung, Konzentration, Planen und das Abschätzen von Konsequenzen des eigenen Tuns: All diese Fähigkeiten kann die Gartenarbeit fördern.

Die garten- und pflanzengestützten Aktivitäten auf den Höfen werden durch eine Ausbildung gestützt und von einem Expertenteam begleitet. „Den Gedanken, Menschen auf so einfache Weise und mit den Möglichkeiten, die mir zur Verfügung stehen, helfen zu können, fand ich genial“, erklärt Wally Menghin, Bäuerin aus Schlanders, ihre Teilnahme. „Außerdem hilft das gemeinsame Arbeiten, ins Gespräch zu kommen. Im Tun ist jeder gleich wichtig, und das schafft Vertrauen“, fügt Christine Pfitscher hinzu.

Landesbäuerin Antonia Egger Mair freut sich über das bäuerliche Engagement: „Es ist bemerkenswert, mit welchem Einsatz sich alle Beteiligten für dieses Projekt engagieren und mit welcher Begeisterung auf den Höfen die gemeinsamen Tätigkeiten stattfinden.“

Gut begleitet durch den Dienst der Lebenshilfe
Rund zwanzig Menschen mit Unterstützungsbedarf „gartln“ derzeit auf Bauernhöfen in ganz Südtirol – und die Nachfrage steigt. Die Teilnehmergruppe ist bunt gemischt und alle Altersgruppen von 12 bis 90 Jahren sind vertreten.
Elf Personen kommen aktuell über die Lebenshilfe zum Projekt. „Die Bauernhöfe sind ideal, um neue Erfahrungen und konkrete Lernsituationen zu ermöglichen. Die Vielfalt dort bietet jede Menge neue Impulse. Gartenarbeit, Pflanzen und das In-der-Natur-Sein ermöglichen den Teilnehmern, zur Ruhe zu kommen und ihre Fähigkeiten und Stärken kennenzulernen“, so Verena Harrasser, Bereichsleiterin Freizeit der Lebenshilfe.

Der Nutzen für die Teilnehmer ist augenscheinlich. Die Lebenshilfe hat in einer Umfrage Meinungen zu den Tätigkeiten auf den Höfen eingeholt und ein erstes Stimmungsbild erstellt. „Wir merken, wie unser Kind strahlt und wie es aufblüht“, schilderten Eltern die Veränderungen. Die Arbeiten im Bauerngarten würden als große Bereicherung erlebt, die Fahrten auf den Hof würden jedes Mal mit Vorfreude erwartet.
Besonders eindrucksvoll zeigt sich das bei einem 36-jährigen Mann, der auf einem Bauernhof in Aldein „gartelt“. „Es ist das erste Mal, dass er ein Projekt nicht abbricht, dass er freiwillig und gerne kommt“, berichtet Bäuerin Kathi Mittermair. Für Eltern und Angehörige ist es wichtig zu wissen, dass ihre Familienmitglieder am Hof und bei der Begleitung durch die Lebenshilfe in guten Händen sind. Aktuell sind fünf Begleitpersonen und ein Koordinator der Lebenshilfe für dieses Projekt tätig.

Andere Kontakte bereichern
„Die Arbeit mit Menschen ist auch für mich selber eine große Bereicherung. Ich komme dadurch mit einer anderen Welt in Berührung, und das tut mir gut“, so Helene Gruber, Bäuerin aus Margreid. „Mein Teilnehmer kommt oft gestresst zu uns auf den Hof. Bei mir im Garten wird er ruhiger. Es hilft ihm, sich in der Natur aufzuhalten.“ Für sie steht fest: „Dieses Projekt hat eine enorme Kraft.“

Projekt gewinnt Wettbewerb
Im Jänner war das Projekt „Heilsamer Bauerngarten“ („Benessere con l’aiuto di piante“) unter den drei Gewinnern des staatsweiten Wettbewerbs „Coltiviamo Agricoltura Sociale“, gesponsert vom italienischen Bauernverband Confagricoltura, Onlus Senior und der Reale Foundation.
Zukünftig soll der Dienst im Rahmen der Sozialen Landwirtschaft als weiteres Standbein für Bäuerinnen und Bauern angeboten werden. „Das ist für uns Bäuerinnen eine große Chance und für mich persönlich eine großartige Möglichkeit, meine Wirkungsbereiche miteinander zu vereinen – meinen Beruf als Sozialarbeiterin, die Arbeit in der Natur und am Bauernhof sowie die Freude an der Begleitung von Menschen“, ergänzt Doris Meyer, Bäuerin als Ulten.

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