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Streit ums Sternchen

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In Südtirol wird eine Grundsatzdiskussion über die geschlechtergerechte Sprache geführt. Was die Südtiroler Landtags-Frauen vom Gendern in der öffentlichen Verwaltung halten.

von Lisi Lang

Die Freiheitlichen haben mit ihrem Beschlussantrag, mit dem das Gendern aus der öffentlichen Verwaltung verbannt werden soll, eine neue Debatte über die geschlechtergerechte Sprache in Südtirol losgetreten. „Angesichts der Tatsache, dass sämtliche Dokumente der öffentlichen Verwaltung, die veröffentlicht werden, und die Kommunikation auf breitere Bevölkerungsschichten ausgerichtet sind, ist die Verwendung des generischen Maskulinums als allgemein verständliche Praxis anzusehen. Das Gendern hingegen führt zu einer Unleserlichkeit von Texten, unterbricht den Lesefluss und wird vielfach auch als bewusst herbeigeführte Distanz zwischen der Verwaltung und den Bürgern verstanden“, heißt es im Beschlussantrag der Freiheitlichen.

Für Ulli Mair steht fest, dass es beim Gendern längst nicht mehr um die weibliche Schreibweise geht und es zudem in kleinster Weise zu einer tatsächlichen Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern geführt habe. „Für mich ist das Gendern weit mehr als eine harmlose Schreibweise, wo man meint, Frauen sichtbarerer zu machen – für mich ist es eine Ideologie, wo Menschen sortiert werden nach Biologie, nach sexueller Vorliebe usw. – was jemand leistet, zählt nicht mehr“, sagt Ulli Mair. „Mit dem Gender-Stern wird kein Problem gelöst, sondern man schafft neue“, ist Mair überzeugt.

Aber was sagen eigentlich Ulli Mairs Kolleginnen im Landtag zum Gendern?

Magdalena Amhof, SVP

Egal ob Binnen-I oder Gender*, ich will angesprochen werden und nicht mitgemeint sein. Das hat für mich mit Gerechtigkeit zu tun! Wir schaffen mit Sprache Bilder und ganz besonders Vorbilder, wir zeigen unsere Wertehaltung damit auf. Wir haben in Südtirol z.B. 13 Bürgermeisterinnen und nicht 116 Bürgermeister. Sprache ist nicht etwas starres, Sprache verändert und entwickelt sich und deshalb ist für mich die gerechte Sprache kompromisslos. In den öffentlichen Verwaltungen ist die gerechte Sprache zum Großteil angekommen und gerade deshalb kann ich diesem Vorschlag wenig abgewinnen. Vielmehr erachte ich es als Aufgabe der öffentlichen Verwaltung hier vorauszugehen. Wobei: Mittlerweile hält die geschlechtergerechte Sprache vermehrt auch Einzug in die Literatur – somit fällt auch das Argument der Unlesbarkeit. Seien wir offen und entwickeln wir gemeinsam Sprache weiter zu einer Sprache, die allen gerecht wird.

Maria Elisabeth Rieder, Team K

Die Macht der Worte – kann ich dazu nur sagen, ich bin überzeugt über „Sprache wird Wirklichkeit“ geschaffen und die Sprache wirkt sich auf die Gesellschaft aus. Ich zitiere den deutschen Sprachwissenschaftler Anatol Stefanowitsch: „Gerechte Sprache allein schafft noch keine gerechte Welt. Aber indem wir sie verwenden, zeigen wir, dass wir eine gerechte Welt überhaupt wollen“. Ich setze mich seit 30 Jahren für den Gebrauch der gendergerechten Sprache ein und es ist Realität, dass sich die gendergerechte Sprache im Schriftlichen wie im Mündlichen immer mehr durchsetzt.

Gerade in dieser Woche haben die deutschen Nachrichtenagenturen beschlossen „diskriminierungssensibler zu schreiben und zu sprechen“. Warum sollten wir einen Schritt zurück machen?

Und ja, die geschlechtergerechte Sprache allein wird nicht zur tatsächlichen Gleichberechtigung führen. Doch sie ist aus meiner Sicht ein Mosaikstein in einer großen gesellschaftlichen Entwicklung. Zusammen mit anderen Mosaiksteinen, wie gleiche Vertretung in allen Gremien, gleicher Lohn bei gleicher Arbeit, gleiche Verteilung der unbezahlten Pflegearbeit und viele weitere Mosaiksteine ergeben dann am Ende irgendwann das vollständige Bild: Menschen, die alle gleichberechtigt nebeneinander und miteinander leben.

Brigitte Foppa, Grüne

Ich hätte nicht geglaubt, dass wir tatsächlich über die Einführung des generischen Maskulinums diskutieren müssen. Im Jahr 2021! In der restlichen Welt überlegt man sich, wie jene Personen, die sich nicht ausschließlich männlich oder weiblich identifizieren, in der Sprache berücksichtigt werden – in Südtirol will man zurück zum rein Männlichen. Unglaublich auch, dass das von den Freiheitlichen kommt, die bei Genderdebatten sonst immer sagen, es gebe Wichtigeres als die Sprache. Ich sehe das anders. Sprache spiegelt nicht nur die Wirklichkeit, sie schafft sie auch. Von einer Präsidentin reden, lässt sie leichter denkbar werden. Nicht umsonst rechne ich leider damit, dass gar einige SVP-Lega-Vertreter mit dem Maskulinum ihre Freude haben.

Was ich mich immer frage: Kostet es etwas, Frauen zu nennen? Ein bisschen Spucke beim Sprechen, ein bisschen Tinte beim Schreiben, nicht mehr. So viel Unnützes sagen wir alle den ganzen Tag. Nur bei der weiblichen Form, da wird die Zeit knapp. Schon absurd.

Myriam Atz Tammerle, Süd-Tiroler Freiheit

Als Süd-Tiroler Freiheit haben wir Achtung vor individueller Selbstbestimmung, dazu gehört auch, dass alle Menschen so leben und sich fühlen können wie sie wollen. Die politischen und sprachlichen Entwicklungen zum Genderthema ufern jedoch mittlerweile von Diversität in Perversität aus. Dass Menschen vor Gericht landen oder sogar ihre Arbeit verlieren, weil sie Anwesende mit „sehr geehrte Damen und Herren“ begrüßen, finde ich absolut tragisch und kann doch nicht das Ziel sein. Die Umwandlung des gesamten Wortschatzes in geschlechter-lose Bezeichnungen mit „-ens“ Endungen und die Abschaffung der Artikel verschlingt Steuergelder, obwohl diese Gelder dringend für die gerechtere Entlohnung oder bessere Rentenabsicherung von Frauen gebraucht würden. Um bei dieser übermäßigen Ideologie des Genderwahns, die vor allem aus den grünen und linken Reihen stammt, nicht ganz zu verzagen, hilft über die Absurdität lediglich zu schmunzeln.

Jasmin Ladurner, SVP

Sprache schafft Wirklichkeit. Deshalb steht für mich außer Frage, dass es kein Zurück zum generischen Maskulinum geben kann. Der Retro-Antrag von Ulli Mair, sollte er im Landtag eine Mehrheit finden, ist in jedem Fall ein Rückschritt und das Frauenthema ist mir zu wichtig, als dass es zu einem Sommerlochfüller missbraucht wird. Ich möchte für Frauen keine Rückschritte, sondern echte Fortschritte erzielen – in der Arbeitswelt, bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, bei den Gehältern, bei der Rentenabsicherung. Lasst uns darüber einen ganzen Sommer lang diskutieren.

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Kommentare (14)

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  • andreas

    Hyperaktive Femministinen und sonstige Fundamentalistinnen, drängen der Gesellschaft ein Problem auf, welches es ohne sie in dieser Form gar nicht geben würde.
    Um von diesen nicht attackiert zu werden, versuchen nun die Medien und auch der Duden, mit kreativen Wortschöpfungen wie Gästin oder Sternchen oder Strich, die Gemüter dieser Fundis zu beruhigen.

    Aber was solls, diese Fundis sind primär im öffentlichen Dienst, beziehen regelmäßig ihre Gehälter und haben sonst keine anderen Probleme, dann muss man sich halt welche schaffen.

    Einer Aussage von Foppa kann man aber durchaus zustimmen.
    „So viel Unnützes sagen wir alle den ganzen Tag.“

  • steve

    Statt ständig einen Keil zwischen Mann und Frau zu treiben schaut, dass endlich wieder genug Kinder geboren werden, denn davon hängt die Zukunft unserer Gesellschaft ab.

  • enfo

    Worüber man nicht sprechen kann, soll man schweigen.
    Das würde ich diesen damen gerne mitgeben.

    • steve

      Naja Wittgenstein wollte mit dem Satz komplett was anderes ausdrücken….

      • enfo

        Sie sind anscheinend nicht von der Materie. Er meinte, was es nicht gibt, sollte man nicht versuchen in worte zu fassen, ansonsten konstruieren wir ein nichtphänomenales Problem.
        Ich hoffe sie haben es jetzt verstanden

        • steve

          Wittgenstein hat den Satz doch im Rahmen der Erkenntnistheorie über die Metaphysik verwendet. Was das jetzt mit dem Genderproblem zu tun hätte naja…

          • enfo

            Alle Probleme entstehen, da wir für metaphysische „dinge“ Begriffe erfinden. Deshalb schaffen wir sozusagen probleme, die es gar nicht gibt, da alles metaphysische nicht zur wirklichkeit gehört. Durch das gendern wird ein problem erschaffen, das in der Wirklichkeit nicht existiert.
            W. wollte zeigen, dass alle Probleme der Wirklichkeit durch sprache entstanden ist, da wir dinge benennen, die nicht von dieser welt sind dwshalb Erkenntnistheorie und metaphysik.
            Ich hoffe das ist nachvollziehbar

          • enfo

            Z.b. entsteht erst ein gottesproblem in dem Moment, wo sie ein übernatürliches Wesen erfinden und es benennen.

          • steve

            🙂 die Mair Ulli könnt uns ja den Zusammenhang zw. Gendern und Metaphysik aufzeigen!
            Ach nein dann bellt sie wieder rum…

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