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Geförderte Privatmedizin

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Gefütterte Privatkliniken: Wie der Südtiroler Sanitätsbetrieb die Zwei-Klassen-Medizin finanziell fördert.

von Heinrich Schwarz

Privatkliniken und andere private Gesundheitseinrichtungen sind in Südtirol in den letzten Jahren wie Pilze aus dem Boden geschossen. Seither gibt es die Diskussion, ob eine Zwei-Klassen-Medizin entsteht oder ob die privaten Angebote eine gute Ergänzung sind.

Eine Tatsache ist jedenfalls, dass das öffentliche Gesundheitssystem viele gute Ärzte an die Privatwirtschaft verliert, weil es dort bessere Verdienstmöglichkeiten gibt. Gleichzeitig werden die Privatkliniken auch noch zunehmend finanziell von der öffentlichen Hand gefüttert, können dadurch weiter expandieren und werden so noch attraktiver für gute Ärzte, die dem öffentlichen Gesundheitssystem dann fehlen.

Um die langen Wartezeiten in den Krankenhäusern abzubauen, hat der Südtiroler Sanitätsbetrieb nämlich für viele Fachbereiche Konventionen mit Privatkliniken abgeschlossen.

Der Grüne Landtagsabgeordnete Riccardo Dello Sbarba hat mittels Landtagsanfrage in Erfahrung gebracht, wie viel Geld der Sanitätsbetrieb zuletzt an die konventionierten privaten Strukturen überwiesen hat. Unterschieden wird dabei zwischen Facharztvisiten und stationären Aufnahmen.

Die Melitta-Klinik und die Bonvicini-Klinik – jeweils in Bozen – haben Konventionen für Erstvisiten in den Bereichen Kardiologie, Augenheilkunde, Dermatologie, Orthopädie und Radiologie. Im Zeitraum vom 1. Jänner 2020 bis zum 31. Jänner 2021 bezahlte der Sanitätsbetrieb den beiden Privatkliniken für die entsprechenden Leistungen insgesamt rund zwei Millionen Euro, wie Gesundheitslandesrat Thomas Widmann auf die Landtagsanfrage mitteilt.

Mit den Kliniken Melitta und Bonvicini gibt es zudem Abkommen für post-akute stationäre Reha-Aufenthalte, Langzeitaufenthalte und Neuro-Reha, wobei im Vorjahr stattdessen teilweise Platz für Covid-Patienten gemacht wurde. Die Melitta-Klinik, die 69 konventionierte Betten hat, erhielt im Jahr 2020 rund 5,3 Millionen Euro. Es gab 698 Aufnahmen von Patienten und insgesamt 18.399 Betreuungstage.

Die Bonvicini-Klinik mit 86 konventionierten Betten zählte im Vorjahr 1.083 Aufnahmen mit insgesamt 25.505 Tagen. Dafür bekam die Privatstruktur 6,7 Millionen Euro.

Die Klinik Brixsana verfügt seit Juli 2020 über eine Konvention für Visiten in den Bereichen Radiologie, Kardiologie und Augenheilkunde sowie seit Beginn dieses Jahres in der Orthopädie. Zwischen Juli 2020 und Jänner 2021 zahlte der Sanitätsbetrieb rund 310.000 Euro.

Ebenfalls seit Jänner dieses Jahres gibt es mit der Brixsana zudem ein Abkommen für stationäre orthopädische Aufnahmen. Bis März gab es 35 Aufnahmen, wofür der Brixner Privatklinik 345.000 Euro ausbezahlt wurden.

In Meran gibt es – immer laut Thomas Widmann – Konventionen des Sanitätsbetriebes mit der Privatklinik St. Anna und Martinsbrunn. Und zwar für fachärztliche Visiten in den Bereichen Radiologie,

Kardiologie, Gastroenterologie, Rheumatologie, Augenheilkunde, Dermatologie und für Blutentnahmen. Im Vorjahr zahlte der Sanitätsbetrieb dafür etwas mehr als eine Million Euro.

Die St.-Anna-Klinik hat weiters ein Abkommen für stationäre Aufnahmen im Bereich Innere Medizin. Zehn bis 15 Betten standen dafür im Vorjahr zur Verfügung. Für 172 Aufnahmen und insgesamt 1.911 Betreuungstage bekam die Klinik rund 450.000 Euro.

Weitere 42 Betten stellt die Privatklinik St. Anna für Langzeitaufenthalte bereit. Dafür bekam sie letztes Jahr etwas mehr als zwei Millionen Euro bei 380 Aufnahmen und 8.406 Betreuungstagen.

Und schließlich gibt es seit heuer noch einen Vertrag mit dem Chirurgiezentrum von St. Anna im Bereich Traumatologie für acht Betten. Thomas Widmann listet aber erst eine Aufnahme für zwei Tage und Kosten von rund 4.000 Euro auf.

Mit der Privatklinik Salus hat der Sanitätsbetrieb ein Mini-Abkommen für fachärztliche Leistungen im Bereich Kardiologie abgeschlossen, wofür zwischen Juli 2020 und Jänner 2021 aber nur fast 4.000 Euro gezahlt wurden.

Ein letztes Abkommen für stationäre Aufenthalte gibt es mit der Bozner Marienklinik für Covid-negative Patienten, die vorwiegend von der Medizin-Abteilung des Bozner Krankenhauses dorthin gebracht wurden. Zwischen November 2020 und März 2021 gab es 75 Aufnahmen mit insgesamt 577 Betreuungstagen. Der Sanitätsbetrieb gab dafür rund 190.000 Euro aus.

Zusammenfassend flossen innerhalb von etwas mehr als einem Jahr also fast 20 Millionen Euro vom Sanitätsbetrieb an die lokalen Privatkliniken für die aufgelisteten Leistungen. Hinzu kommen rund zwölf Millionen Euro, die die Melitta-Klinik, die Bonvicini-Klinik und die St.-Anna-Klinik seit Frühjahr 2020 insgesamt für die Betreuung von Covid-Patienten erhalten haben.

Wie viel Geld in einem „normalen“ Jahr vom öffentlichen Gesundheitssystem an die Privatkliniken fließt, wird sich nach Corona zeigen.

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Kommentare (3)

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  • andreas

    Bedarfsorientiert auslagern, ist nicht falsch, da eigene Kapazitäten beim Moloch Sanität wohl um einiges teurer sind.
    Nicht aber so wie in Deutschland, wo die Kliniken unverhältnismäßig viele Operationen und Therapien ausführen, welche nicht zwingend notwendig sind, aber ihnen viel Geld bringen.

    • vinsch

      sie müssen ja sofort wieder die SVP in Schutz nehmen, dafür werden Sie ja bezahlt. Es ist eine Schande, dass wir in Südtirol so viele Privatkliniken haben, die von uns Steuerzahlern mitfinanziert und erhalten werden. Die Aussage, dass wir Therapien und Untersuchungen auslagern, weil man es in den normalen Krankenhäusern nicht mehr schafft termingerecht zu arbeiten, wäre genau ein Grund, dies Privatkliniken nicht zu unterstützen, denn dann gäbe es keine Privatkliniken, die Ärzte blieben in den allgemeinen Strukturen und es gäbe keine Zweiklassenmedizin. Eine gute Privatklinik mit hochspezialisierten Fachkräften wird immer arbeiten auch ohne finanzielle Unterstützung, aber wir haben nicht die besseren Ärzte dort, sondern nur die kürzeren Wartezeiten.

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