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Kehrt Wirth Anderlan zurück?

Jürgen Wirth Anderlan

Der einzige Kandidat für das Amt des Landeskommandanten der Schützen, Renato des Dorides, könnte über eine alte Geschichte stolpern – und damit den Weg für eine spektakuläre Rückkehr Jürgen Wirth Anderlans ebnen.

von Artur Oberhofer

Seit dem Rücktritt von Jürgen Wirth Anderlan sind fünf Monate vergangen. Innerhalb des Südtiroler Schützenbundes mehrten sich zuletzt die Stimmen, wonach sich der Bund im Fall des singenden und rappenden Landeskommandanten vielleicht doch zu sehr von externen Kräften und von der veröffentlichten Meinung in den (a)sozialen Netzwerken habe treiben lassen.

Und jetzt, so die Wahrnehmung im Bund, stehe man vor einem Dilemma, das ein Insider wie folgt beschreibt: „Auf einen Landeskommandanten, der im positiven Sinne verrückt war und einen absolut notwendigen Modernisierungsschub eingeleitet hat, soll jetzt einer folgen, der auch aufgrund seines fortgeschrittenen Alters für Stillstand steht, am Gängelband der Volkspartei hängt und den Schützenbund als apolitischen Trachtenverein sieht.“

Man riskiere, vom Regen in die Traufe zu kommen, so der Tenor.

Im Vorfeld der Bundesversammlung vom 19. Juni, auf der die 141 Schützenkompanien und die drei Schützenkapellen einen neuen Landeskommandanten wählen sollen, sind jetzt politische Manöver in Gang gekommen, die es in sich haben – und die zu einem politischen Paukenschlag führen könnten.

Die TAGESZEITUNG kann auf der Grundlage von Hintergrundgesprächen und vertraulichen Dokumenten die Grabenkämpfe rekonstruieren.

Die Vorgeschichte, die den Südtiroler Schützenbund in eine Identitätskrise gestürzt hat, ist bekannt: Jürgen Wirth Anderlan ist am Abend des 8. Jänner dieses Jahres als Landeskommandant zurückgetreten und hat damit die Konsequenzen aus der Rap-Affäre gezogen.

Der Mama-Tyrol-Rap des Kalterers war insbesondere vom Landesbeirat für Chancengleichheit und von den Grünen als rassistisch, homophob und sexistisch gebrandmarkt worden.

Jürgen Wirth Anderlan hat es in der entscheidenden Sitzung nicht auf eine Kampfabstimmung – die vermutlich ganz knapp ausgegangen wäre – ankommen lassen, sondern er hat die Sitzung vorzeitig verlassen, nachdem selbst engste Weggefährten sich von ihm abgewandt und ihn für seinen Rap massiv kritisiert hatten (ein protokollierter O-Ton aus der Sitzung: „Ich will mit einem sexistischen Neonazi nichts mehr zu tun haben“).

Diese Kritik aus den eigenen Reihen, so heißt es aus Jürgen Wirth Anderlans engstem Umfeld, habe ihn mehr geschmerzt als die Dinge, „die von Außenstehenden und notorischen Schützen-Gegnern in den Rap-Text hineininterpretiert worden“ seien.

Mit seinem freiwilligen Rücktritt habe er den Bund aus der Schusslinie nehmen wollen, sagte Wirth Anderlan vor wenigen Wochen in einem TAGESZEITUNG-Interview.

Da die Personaldecke für leitende Funktionen bei den Schützen ziemlich dünn ist, wird im Bund seit Wochen frenetisch versucht, die Verlegenheitslösung – mit Renato des Dorides als LK – zu verhindern.

Zunächst war es der ehemalige freiheitliche Landtagsabgeordnete Pius Leitner, der über den Bezirk Brixen einen Versuchsballon startete. Doch die Kandidatur des freiheitlichen Ehrenobmannes erntete wenig Zustimmung, so dass Leitner sich rasch wieder zurückzog.

Zum Stichtag am vergangenen Freitag gab es dann nur mehr einen einzigen Kandidaten: den amtierenden Landeskommandant-Stellvertreter Renato des Dorides, der sich bereiterklärt hat, den Bund bis zu den Neuwahlen im nächsten Jahr zu führen.

Jürgen Wirth Anderlan (Foto: SSB)

Doch je näher der Tag der Bundesversammlung rückt, desto lauter werden die Stimmen der Zweifler und Skeptiker. Renato des Dorides ist nicht nur wegen seines hohen Alters – er ist 81 – umstritten, sondern wegen einer Geschichte, die sich im Jahr 2009 zugetragen hat – und die viele Federhutträger bis heute nicht vergessen haben.

Diese alte Geschichte, die jetzt von den Dorides-Gegnern aus den Schubladen der SSB-Geschichte herausgeholt und hinter den Kulissen gespielt wird, könnte den Ausgang der Bundesversammlung am 19. Juni beeinflussen.

Ein hoher Offizier aus dem Burggrafenamt sagt im Hintergrundgespräch mit der TAGESZEITUNG: „Dieser Mann ist für einen aufrichtigen Schützen nicht wählbar, Verrat bleibt Verrat!“

Um was geht es konkret?

Im Tiroler Gedenkjahr 2009 fand der große Landesfestumzug in Innsbruck statt. Als am 20. September 2009 Vereine, Trachtengruppen und Schützenkompanien aus allen Landesteilen Tirols an der Ehrentribüne vorbeizogen und die hohen politischen Würdenträger durch Kopfwendung und Hinblick grüßten, kam es zum Eklat durch die Burggräfler Schützen.

Dem Marschblock des Burggräfler Schützenbezirks gingen junge Federhutträger mit einem großen Transparent voraus, auf dem geschrieben stand: „Wir blicken in die Zukunft!“

Die Burggräfler Schützen schritten dann – ohne Defilee, ohne Salut und ohne die Polit-Prominenz eines Blickes zu würdigen – an der Ehrentribüne vorbei, den Blick stur nach vorn, in die Zukunft gerichtet.

Der Kommandant der Schützenkompanie Algund, Stefan Gutweniger, sagt damals gegenüber der TAGESZEITUNG trotzig: „Auf der Ehrentribüne vor der Hofburg standen einige hochrangige Nord- und Südtiroler Politiker, die die Forderung nach Selbstbestimmung für Südtirol als Provokation empfinden und all jene, die über mögliche Zukunftsperspektiven nachdenken, zu ,Ewiggestrigen‘ oder ,Zündlern‘ abstempeln. Den Respekt muss man sich verdienen, und des liegt immer noch in unserem Ermessen zu entscheiden, ob sich jemand unseren Respekt verdient.“

Die Empörung über diese „Provokation“ (so LH Luis Durnwalder) war nördlich und südlich des Brenners groß.

Die „Tiroler Tageszeitung“ titelte damals: „Gäste beleidigt, sich selbst blamiert“ und hielt den Burggräfler Schützen vor, durch ihre Salutverweigerung vor allem den österreichischen Bundespräsidenten Heinz Fischer und Kanzler Werner Faymann beleidigt zu haben.

Renato des Dorides und Pius Leitner

Der damalige SVP-Chef Richard Theiner nannte die Burggräfler Schützen „Unverbesserliche“.

Die einzige Burggräfler Kompanie, die sich an dieser Aufsehen erregenden Protestaktion nicht beteiligte, war die Schützenkompanie Meran unter Hauptmann Renato des Dorides. Bereits damals war Hauptmann des Dorides vorgeworfen worden, er habe einen Kniefall vor der SVP gemacht.

Nun ist eine alte E-Mail aufgetaucht, die in Schützen-Kreisen für großen Wirbel sorgt und den Ausgang der Wahl am 19. Juni beeinflussen könnte.

Wenige Tage nach dem 20. September 2009 schrieb Renato des Dorides dem damaligen Landeskommandanten der Nordtiroler Schützen, Otto von Sarnthein, eine E-Mail, in der es unter anderem hieß:

Ich schäme mich für die Burggräfler Kameraden – vor allem für diejenigen, die diese widerliche und lächerliche Aktion durchgesetzt haben.“

Ein SSB-Insider sagt: „Diese E-Mail wurde Renato des Dorides bereits damals als Hochverrat an seinem eigenen Bezirk ausgelegt, seit diesem Tag war des Dorides im Bezirk abgeschrieben.“

Dass nun ausgerechnet der Burggräfler Bezirk Renato des Dorides als Landeskommandanten installieren will, ist in den Augen der Gegner mehr als kurios. Sie sagen: „Des Dorides muss offenbar als Marionette für einige Offiziere des Burggräfler Bezirks herhalten.“

Renato des Dorides und seine Mitstreiter könnten tatsächlich die Rechnung ohne den Wirt(h) und dessen Unterstützer gemacht haben.

Denn obwohl der zurückgetretene LK zuletzt immer wieder sagte, er genieße seine zurückgewonnene Freiheit, könnte Jürgen Wirth Anderlan durch ein Seitenfenster wieder in das Chef-Büro zurückkehren.

Der Hintergrund: Bevor die Wahl des neuen Landeskommandanten stattfinden kann, muss – laut Statut – zuerst die Bundesversammlung des Südtiroler Schützenbundes den Rücktritt des ehemaligen Landeskommandanten annehmen. Wirth Anderlan ist derzeit de facto noch immer gesetzlicher Vertreter des SSB.

Sollte sich also am 19. Juni die Mehrheit der Kompanien gegen den Rücktritt Wirth Anderlans aussprechen bzw. diesen nicht annehmen, bliebe dieser Landeskommandant.

Insider schließen nicht aus, dass sich die Mehrheit der Kompanien hinter den zurückgetretenen LK stellen könnte. Denn mit Renato des Dorides stehe, erstens, kein attraktiver Kandidat zur Wahl, zweitens mehrten sich im Bund die Stimmen, dass Wirth Anderlan eine zweite Chance verdiente habe.

Jürgen Wirth Anderlan wollte auf Anfrage keine Stellungnahme abgeben.

 

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (18)

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  • andreas

    Anderlan scheint ein Kumpel von Oberhofer zu sein, warum sonst werden diese Geschichten aus dem „“Paulanergarten“ immer wieder in der TZ publiziert?

    Da damals nur die Burggräfler die recht dämliche Aktion mitgetragen haben würde das bedeuten, dass die anderen dagegen waren. Warum sollten diese den Dorides also ablehnen?

    Aber vielleicht will die Folkloregruppe doch wieder den Anderlan, welcher die Schützen eher wie eine Straßengang bzw. Rockergruppe sieht und wohl am liebsten mit Lederkutte und Motorrad auftreten würde um zu zeigen, wie cool sie sind.

    Anderlan hätte die Oberhammer eigentlich wegen Verleumdung anzeigen sollen und ev. auch die Grünen, da die Unterstellungen und Vorwürfe in dieser Form falsch waren.
    Einer Meute wildgewordener Feministinen und Emanzen etwas entgegenzusetzten, ist aber wohl etwas schwierig. 🙂

    Petitionen gegen einzelne Personen sollten in dieser Form verboten werden. Es kann nicht sein, dass man mit diesem Instrument Mitstreiter sucht, um teilweise Einzelpersonen persönlich und wirtschaftlich fertig zu machen, unabhängig des vermeindlichen Vergehens.
    Diese Oberhammer gehört eigentlich sofort von dieser öffentlichen Stelle entfernt, da es nicht im Interesse der Öffentlichkeit ist, wenn sie ihren „Hass“ gegen Einzelpersonen so auf andere übertragen will. Die will nicht diskutieren, sie will nur andere die nicht ihre Meinung teilen, fertigmachen.

    • gorgo

      Geh bitte, Andreas, so ein Exkurs um der Oberhammer gegen das Bein zu treten, die ich aber nicht weiter verteidigen möchte.
      Aber sie ist nicht das Problem. Auch Jürgen will sich das einreden. 🙂
      Die Petition hätte sie sich freilich sparen können.
      Da ging so ein Gelächter und Fremdschämen durchs Land, sogar ich hatte Mitgefühl mit den Schützen. So peinlich. Kann gut verstehen, dass sie ihn loshaben wollten.

    • schwarzesschaf

      Wer soll sonst berichten darüber???
      Dolomiten ebner zett Ebner stol ebner südtirolnews ebner alto adige ebner sportnews ebner vinschger ebner pustertaler ebner also printmedien ebner radio südtirol 1 radio tirol und alle di dazugehören ebner. Und qas ebner nicht berichten will wird totgeschwiegen

    • george

      Ach ‚andreas‘, tu nicht so scheinscheilig und sprich nicht andere (z.B. Oberhammer u. co.) für das Malheur schuldig, das doch diese Provokateure sich selber eingebrockt haben. Willst wohl auch alles so verdrehen, dass sich keiner mehr an der Sache zurecht finden sollte. Deine ewige Verwirrungstaktik, die du hier spielst und worauf dir immer wieder einige hereinfallen.

  • nochasupergscheiter

    Man muss sich hier halt mal vor Augen halten dass es nicht um einen bezahlten feinen Sessel bei bezirksgemeinschaft, alperia, brennerautobahn usw. geht sonst würden die üblichen Herren schon vorsprechen… Nein hier geht’s um VIELGELOBTE Ehrenamt, eigentlich arme Schweine die in Zweifelsfall den Kopf herhalten müssen, der Abkassierwilligkeit unserer Juristen und Richter wegen, und die dann auch noch der Politik „zu Diensten“ und ja nicht lästig sein müssen….
    Also Hut ab wer das macht, und wenns der Anderlan wieder machen würde, obwohl ihm viele Interpretierwütige mit kleinem Dingens oder auch keinem Dingens was reininterpretiert haben, dann auch vor ihm Hut ab Herr Anderlan…
    Danke für den Einsatz…
    Schon in der Corona Krise haben ein paar freiwillige Schützen mehr geleistet als unsere Vielgelobten öffentlich Bediensteten, die immer: nicht meine Aufgabe nicht meine Zuständigkeit brüllen…

    Also danke nochmal auch an die schützen…

  • prof

    Ich bin für Anderlan als Landeskommandant,aber nur unter der Voraussetzung,daß bei jeder Veranstaltung wo Anderlan dabei ist, er Singen darf bezw. MUSS.

  • brutus

    Ich bin für die Rückkehr von JWA!
    Stefan Raab hat auch so eine Lücke hinterlassen!

    • besserwisser

      als entertainer eine zeit lang ganz nett. nach dem zweiten video wird es schwierig den unterhaltungswert noch zu toppen. die nächste stufe der eskalation ist die provozierende beleidigung. und die, die jwa angreifen will sitzen es aus, wohl wissend wie es enden wird.
      was das ganze kasperletheater mit den schützenwesen und dem tirolertum zu tun hat fragt man sich schon

  • artimar

    Basisdemokratie – schön und gut.
    Ich bin kein Mitglied. Heißt das Hr. Oberhofer, dass JWA zu seinem freiwilligen Amt — trotz seines Rücktritts — dennoch dazu formell „gezwungen“ werden kann?
    Wem sollen all die persönlichen Animositäten aus der Vergangenheit … helfen?
    Wieso nicht mal einen ökologisch denkenden Tiroler (f.d.m.) im Amt des LK?
    Das Gemeinwohl und die Kernaufgabgabe der Schützen, das Schützenswerte unseres Tiroler Landes zu schützen, wird schon wichtiger sein – oder?

  • tirolersepp

    Zurück mit dem Wirth, mandr brauch das Land !!!

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