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Die Anti-Schule

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Die Zahl der Kinder im Elternunterricht hat durch Masken- und Testverweigerer im heurigen Jahr schlagartig zugenommen. Mit welchen Tricks sie die Schulpflicht umgehen.

von Markus Rufin

Es ist still geworden um Masken- und Testverweigerer an den Schulen. Das hat damit zu tun, dass sich ein Großteil der Eltern mit den Regeln in den Schulen angefreundet hat. Ein kleiner Teil sträubt sich aber nach wie vor gegen die Schutzmaßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus.

Besonders deutlich wird das, wenn man die Zahl der Kinder im Elternunterricht anschaut. 125 Schüler in Südtirol werden derzeit zu Hause von den Eltern oder in Lerngruppen unterrichtet. Das klingt nicht nach viel, entspricht aber einem Anstieg von rund 1.000 Prozent. Zum Vergleich: Im Schuljahr 2019/20 wurden gerade einmal zehn Schüler zu Hause unterrichtet.

Bisher wurde der Elternunterricht vor allem in Anspruch genommen, weil das Kind sich in der Schule nicht wohlgefühlt hat oder Eltern mit dem Schulsystem nicht einverstanden waren. Schließlich ist es für viele Eltern auch eine große Herausforderung, die Kinder zu Hause zu unterrichten, während man nebenher noch einem Beruf nachgehen muss – der Lockdown hat das eindrucksvoll bewiesen.

Doch weshalb kam es nun zu diesem Anstieg? Bildungslandesrat Philipp Achammer hat darauf eine klare Antwort: „Die deutliche Zunahme beim Elternunterricht ist auf die Testpflicht und auf die Pflicht für Mund- und Nasenschutz zurückzuführen. Nicht alle, die gegen die Testpflicht sind, sind auch im Elternunterricht gelandet, viele machen Homeschooling. Den größeren Anstieg gab es wegen der Maskenpflicht an Schulen.“

Der Elternunterricht wurde zwar bereits in den Jahren zuvor in Südtirol in Anspruch genommen, jedoch nie in diesem Ausmaß. In Vergangenheit waren es vor allem Eltern, die ihr Kind auch wirklich selbst unterrichten wollten. Deshalb gab es bisher auch kaum Probleme, wie Landesschuldirektorin Sigrun Falkensteiner bestätigt.

Was zu Hause gelehrt wird, bleibt im Prinzip den Eltern selbst überlassen. Landesrat Achammer weist aber darauf hin, dass der Elternunterricht keinesfalls eine „Abmeldung von der Schule“ sei: „Es ist vorgesehen, dass Kinder im Elternunterricht jährlich eine Eignungsprüfung ablegen. Der Bezugssprengel überprüft, ob die jeweiligen Kompetenzziele erreicht wurden.“

Dabei müssen sich die Eltern an Rahmenrichtlinien halten, die der Bezugssprengel vorgibt. Sie erhalten also eine Art Curriculum, an das sich die Kinder halten müssen. Außerdem müssen die Eltern dem Bezugssprengel ein Prüfungsprogramm abgeben. Die Frist für die Abgabe dieser Programme fiel vor kurzem.

Dabei wurde ersichtlich, wie gut die Personen, die den Elternunterricht in Anspruch nehmen, untereinander vernetzt sind. Viele haben nämlich einfach dasselbe Programm abgegeben, um die Voraussetzungen zu erfüllen.

Tatsächlich wurden im heurigen Schuljahr zahlreiche sogenannte „Lerngruppen“ in allen Landesteilen gegründet. Die meisten davon sind dem Illumina Circle recht nahe, dem einige Staatsverweigerer in Südtirol angehören (TAGESZEITUNG berichtete).

Auch Landesschuldirektorin Falkensteiner bestätigt das: „Viele haben das gleiche Programm abgegeben, das ist möglich, ist aber auch nicht falsch. Das Programm muss auf die Rahmenrichtlinien aufgebaut sein und die meisten Schulen laden ihre Curricula auf die Homepage, dementsprechend ist es naheliegend, dass die Eltern diese Dokumente austauschen und sich gegenseitig helfen. Das ist also nicht falsch.“

Ein genauerer Blick auf die verschiedenen Gruppen zeigt aber, dass der Elternunterricht nur mehr wenig mit Schule zu tun hat. Die Gruppen werden häufig als „freie Spiel- und Lernorte“ bezeichnet. Viel wird dem Kind selbst überlassen. Einige der Gruppen werben damit, dass das Kind nach eigenen Interessen lernt. Da der Termin für die Eignungsprüfung Wochen zuvor mitgeteilt wird, bereiten sich einige Eltern gezielt darauf vor, im restlichen Jahr wird das Programm dagegen – gelinde gesagt – locker genommen.

In Vergangenheit haben die Eignungsprüfungen laut Falkensteiner keine Probleme dargestellt: „Es waren ja vor allem Eltern, die das wirklich wollten und es waren auch nicht viele. Es kann aber durchaus sein, dass sich nun einige Eltern überschätzt haben, aber das wird sich bei den Eignungsprüfungen zeigen.“

Ein Scheitern bei den Eignungsprüfungen ist im Übrigen nicht konsequenzlos. Zunächst wird der jeweilige Schulsprengel mit den Eltern das Gespräch suchen und die Gründe für das Scheitern herausfinden. Dabei kann die Schule von den Eltern auch einfordern, das Programm genauer einzuhalten. Reicht das nicht aus, kann das Gesuch auf Elternunterricht auch abgelehnt werden. Im schlimmsten Fall kann dann sogar die Jugendgerichtsbarkeit eingeschaltet werden, bisher kam das aber nicht vor.

Ein Problem darin, dass es nun so viele Personen den Elternunterricht in Anspruch nehmen, sieht sie aber nicht: „Es ist grundsätzlich so, dass die Verantwortung für den Elternunterricht bei den Eltern liegt, diese müssen wir ihnen auch zugestehen. Unsere Aufgabe wird es sein, im Rahmen der Eignungsprüfung festzustellen, ob diese Aufgabe entsprechend erfüllt wurde und die Kinder vorbereitet sind. Zu sagen, dass manche schlechter oder besser sind, wäre ungerecht. Die Eltern kennen die Bedingungen und bei den Eignungsprüfungen wird sich dann zeigen, ob diese Verantwortung angenommen wurde.“

Damit stimmt auch Achammer überein: „Ich sehe derzeit von der Anzahl her kein Problem, man muss zur Kenntnis nehmen, dass es einen Anstieg gab. Es ist mir lieber, dass jemand, konsequente Entscheidungen trifft, wenn er mit den Schulregeln nicht einverstanden ist, als dass täglich vor den Schulen protestiert wird.“ Ohnehin glaubt der Bildungslandesrat, dass viele der Kinder wieder in die Schule zurückkehren, sobald die Corona-Schutzmaßnahmen fallen.

Doch selbst wenn sich herausstellen sollte, dass die vielen Kinder im Elternunterricht nicht ausreichend weitergebildet werden, könnte das Land nichts unternehmen. „Die Materie ist zu hundert Prozent staatlich geregelt und wir haben keine Zuständigkeit“, erklärt Achammer.

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Kommentare (37)

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  • flottebiene

    Ich Frage mich, ob diese Eltern, die sich so stur gegen Maske stellen, ob die alle zu Hause sind u.keiner Arbeit nachgehen??
    Unverantwortlich ihren Kindern gegenüber

    • schwarzesschaf

      Ja ich würde sagen Landesangestellte die 4 kinder haben und schon 12 jahre zu hause sind. Weil ein anderer kann sich das nicht leiste. Reiche arbeiten damit sie noch mehr geld haben deswegen fallen di weg

  • artimar

    Allgemein man nimmt den Kindern und Jugendlichen im Elternunterricht so viel, nicht nur den soziale Umgang untereinander, sondern auch die Möglichkeit, in einem freien und offenen Lernort, wie jenen der öffentlichen Schule, sehr unterschiedliche Positionen, Methoden und Persönlichkeiten an Lehrkräften kennen zu lernen.

  • sougeatsnet

    Mir ist egal ob Unterricht in der Schule oder zu Hause, würde aber vorschlagen, für die Öberschule sollte dann eine Aufnahmeprüfung gemacht werden müssen. Dort tummeln sich zur Zeit Schüler, welche dort nicht hin gehören. Dann würden einige dumm dreinschauen, der Schule würde es aber sehr gut tun.

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