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Kaser schlachtet, Obexer cancelt

N. C. Kaser: Das, was ich gesagt habe, ist nicht das, über das ihr zu diskutieren habt.

Die Schriftstellerin Maxi Obexer findet, N.C.Kaser hat zu wenig geschrieben und zu viel gesoffen. Der Diskussion, die darauf folgt, entzieht sie sich mit einem Geraune über Shitstorms, Cancel Culture und Framing. Ein Beitrag des SAAV-Mitglieds Stefan Mair.

Eigentlich ist es eine gute Sache, dass es endlich so etwas wie einen Bücherwürmer-Streit in Südtirol gibt. Da traut sich jemand, die Theaterautorin Maxi Obexer, den Säulenheiligen der Südtiroler Literatur so richtig vom Sockel zu stürzen.

Kaser sei überschätzt, habe „ein paar Gedichte verfasst und sich dann im Suff ertränkt“. Das war eine Bombe. Kurz darauf erschien in der Tageszeitung ein Beitrag von Heinrich Schwazer, in dem Obexers Rücktritt als Chefin der Autorinnen- und Autorenvereinigung und ein Hinweis auf ihr Kaser-Zitat vorkommen. Immer wieder wird seitdem behauptet, Schwazer suggeriere einen Zusammenhang. Diesen Zusammenhang sehe ich nicht und ich sehe auch nicht, wie man ihn aus dem Ursprungsartikel herauslesen kann.

Stefan Mair: Verstehe ich das richtig? Die Kritiker der Aussage von Obexer haben eigentlich das Ziel, weibliche Autorschaft in Südtirol zu „überschreiben“?

Inhaltlich meldete sich daraufhin der Germanist Elmar Locher zu Wort. Er fand Obexers Aussagen „zutiefst menschen- und werkverachtend“. Darauf folgte eine Lawine an Artikeln. Stefano Zangrado sah im Alto Adige die Chancen einer Debatte, Martin Hanni versuchte auf Salto den „Versuch einer Schlichtung“ und die Obexer-Fraktion um Cristina Vezarro und Barbara Plagg sprach von „Diffamazione allo stato puro“ und eine bewusste „Ausblendung“ von dem, um was es Obexer eigentlich geht.

Im Artikel „Als ginge es um Kaser“ auf barfuss.it äußert sich nun Obexer selbst. Nicht ohne einleitend zu fragen, ob sie das alles überhaupt ernstnehmen soll. Mit Methoden der Alternative für Deutschland (AfD) wird das verglichen, was ihr gerade widerfahre. Freunde oder Freundinnen raunten ihr zu: „Toxische Medien speisen sich aus einem Gebräu böser Gefühle.“

In der Mitte ihres Textes schreibt Obexer: „Alles spricht dagegen, dass es dem Verfasser der Polemik um N.C. Kaser ging, und vieles dafür, dass Kaser vorgeschoben wurde; dass mit dem Brennglas auf Kaser überschrieben werden soll, worüber Sabine Gruber und ich sprechen.“

Verstehe ich das richtig? Die Kritiker der Aussage von Obexer haben eigentlich das Ziel, weibliche Autorschaft in Südtirol zu „überschreiben“? Es geht nicht mehr um das, was Obexer schwarz auf weiß gesagt hat, sondern sie weiß, um was es ihren Kritikern und Kritikerinnen eigentlich geht?

Damit entzieht sich Obexer jeder Diskussion. Sie sagt: Das, was ich gesagt habe, ist nicht das, über das ihr zu diskutieren habt. Es geht euch gar nicht um das, worüber ihr schreibt, eigentlich geht es euch darum, den ganzen Rest auszublenden. Sie selber cancelt die Kritiker, sie framed Kritik als „Ausblendung“ und schafft damit die Voraussetzungen für neue Diskursverweigerung also known as shitstorm.

Völlig entgleist ihre Argumentation, als sie dekretiert, dass man nicht nur auf ihren kurzen, brutalen Satz fokussieren darf. Sondern man muss das, was ihre Gesprächspartnerin Sabine Gruber darauf antwortet, zwingend erwähnen (sie sieht Kaser positiver). O-Ton Obexer: „Neben dem gesamten Inhalt des Gesprächs, wird auch dieser Einspruch ausgeblendet. Scheint nicht von Interesse oder soll nicht?“

Das Fragezeichen hinter dem verschwörungstheoretischen Geraune steht ziemlich verlegen da.

Es geht um eine Aussage von Maxi Obexer. Punkt. Dass sie nicht selbst darüber entscheidet, dass andere sich darüber aufregen, nennt sich Meinungsfreiheit. Die hat sie beim Thema Kaser selbst herrlich erfrischend und empörend genutzt. Im Übrigen hat sie bei allem, was sie über weibliche Autorschaft und deren strukturelles Verstummen sagt, völlig recht. Nur war eben der Satz über Kaser der Funke in diesem 5000-Wörter Dialog.

Wenn Obexer und ihre Verteidigungsfraktion jetzt damit anfangen würden, ihren Kritikern zuzugestehen, dass sie nichts ausblenden, überschreiben oder aus dem Kontext reißen wollen, sondern an einer Debatte teilnehmen, die sie nun mal ausgelöst hat – dann könnte ein Gespräch stattfinden.

 

Zur Person

Stefan Mair (geboren 1987 in Bruneck) ist Journalist und lebt in Zürich. Er studierte in Wien und Istanbul und absolvierte die Axel Springer Journalistenschule in Berlin. Er arbeitet in der Schweiz als Ressortleiter der Handelszeitung und moderiert den Startup-Podcast „Upbeat“. Während des Studiums arbeitete er als freier Mitarbeiter für die Radio-Literatursendungen der RAI Bozen aus Wien. 2006 erschien sein Buch Austin Leber bei Athesia Spectrum. Journalistische Beiträge erschienen in Die Welt, Le Temps und Blick. Er ist Gastdozent für Journalismus an der Universität Liechtenstein und Mitglied der SAAV.

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