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Wie Südtirol rot wurde

Hat sich Südtirol mit seiner Meldestrategie bei den Antigentests selbst in die dunkelrote Zone samt harten Lockdown bugsiert? TAGESZEITUNG Online macht den Fakten-Check.

Von Matthias Kofler

LH Arno Kompatscher kommentiert die Meldungen der letzten Tage wie folgt: „Es reicht tatsächlich, vorhandene Probleme aufzuzeigen. Wir brauchen keine zusätzlichen erfinden.“ Sanitätslandesrat Thomas Widmann reagiert indes kämpferisch auf die Rücktrittsforderungen aus dem Team K: „Ich finde es problematisch, dass mit Franz Ploner ein Arzt dazu auffordert, dass wir weniger testen sollen.“

Der Südtiroler Sanitätsbetrieb hat in dieser Woche sein Meldesystem bei den Corona-Neuinfektionen umgestellt: Nach Rom werden nunmehr ausschließlich die PCR-Fälle sowie die binnen drei Tagen bestätigten Antigen-Fälle geschickt. Es ist dies eine bemerkenswerte Kehrtwende: Bislang war es in Südtirol Usus, dass nicht alle positiven Antigentests im Nachgang mit einem PCR-Test nachgeprüft werden. Auch Antigentests, die nicht noch einmal per PCR abgesichert wurden, schickte der Sanitätsbetrieb als Neuinfektionen nach Rom. Jene Antigen-Fälle, die sich in Folge einer Nachtestung als falsch positiv herausstellten, wurden nachträglich aus der Infizierten-Liste gestrichen.

Der Sanitätsbetrieb begründet den Strategiewechsel mit der „unterschiedlichen Handhabe in den verschiedenen Regionen Italiens“. Nach einer Absprache mit den Fachleuten im Gesundheitsministerium sei man zum Schluss gekommen, der Forderung Roms nach PCR-Testungen nachzukommen. Auf die Teststrategie des Landes wirke sich dies aber nicht aus. „In Südtirol werden wie bisher sowohl die Neuinfektionen, die mittels PCR-Test, als auch jene, die durch einen Antigentest festgestellt worden sind, veröffentlicht“, erklärt der Sanitätsbetrieb.

So teilte das Landespresseamt am Mittwoch 53 neue Fälle durch einen PCR-Abstrich und 39 positive Antigenfälle mit. Nach Rom wurden jedoch nur die 53 PCR-Fälle geschickt, mit dem Hinweis, dass 13 davon nachgeprüfte Antigentests sind.

Die Auswirkungen des neuen Meldesystems lassen sich bereits an der 7-Tage-Inzidenz ablesen: Weil nur mehr die PCR-Tests und die bestätigten Antigentests nach Rom gemeldet werden, ist diese deutlich unter 100 gesunken. Vor einer Woche lag sie noch bei 130.

Das Team K wirft Widmann und Co. vor, das Land mit der bisherigen Test- und Meldestrategie selbst in die rote bzw. dunkelrote Zone bugsiert zu haben. Der harte Lockdown und die Reisebeschränkungen auf europäischer Ebene wären vermeidbar gewesen, hätte man nicht päpstlicher als der Papst agiert, sind Paul Köllensperger und Co. überzeugt.

Was ist dran an den Vorwürfen? Die TAGESZEITUNG hat den Fakten-Check gemacht.

Dabei ist zwischen dem Ampelsystem auf römischer und auf europäischer Ebene zu unterscheiden.

Südtirol wurde in der Woche nach Dreikönig – namentlich am 15. Januar – von der Regierung Conte erstmals in diesem Jahr als rote Zone eingestuft. De facto hätten alle Gastronomiebetriebe und Geschäfte schließen müssen – die Landesregierung beanstandete aber die Einstufung und zögerte den Lockdown bis Februar hinaus.

Brisant: Erst seit dem 15. Januar haben die Regionen die Möglichkeit, auch die Antigentests nach Rom zu schicken. Dies hatte zur Folge, dass der Sanitätsbetrieb erst am 21. März jene 10.692 Fälle nachträglich ans Gesundheitsministerium übermitteln konnte, die bereits vor dem 15. Januar per Antigentest festgestellt worden waren. Diese Fälle konnten allein vom zeitlichen Ablauf her nicht zur Einstufung Südtirols als rote Zone beigetragen haben.

Ohnehin gehörte die 7-Tage-Inzidenz lange Zeit nicht zu den über 20 Parametern, die der Staat bei der Einstufung der Risikozonen verwendete. Es zählten vielmehr der Druck auf die Spitäler und Intensivstationen, die Hotspots sowie der Trend bei den Infektionszahlen (steigen sie oder gehen sie runter). Eine Region, die eine hohe Inzidenz aufweist, nur weil sie viel testet, wurde vom Staat nicht benachteiligt.

Erst seit dem 11. März gibt es eine Neuerung bei den Einstufungskriterien: Regionen mit einer 7-Tage-Inzidenz über 250 landen seitdem automatisch in der roten Zone. Bei Südtirol kam dieses Kriterium aber nie zur Anwendung: Mitte März lag die Inzidenz bei 247, was knapp für die orange Zone reichte. In dieser befindet sich das Land bis heute.

Anders als Rom stuft Brüssel die Regionen auf der Basis von drei Kriterien ein: der Zahl der Testungen, der 14-Tage-Inzidenz sowie der Positivitätsrate. Wer innerhalb von zwei Wochen mehr als 500 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner aufweist, wird seit dem 25. Jänner dunkelrot eingestuft.

Die Zahlen belegen, dass Südtirol unabhängig vom Meldesystem den ganzen Februar über dunkelrot eingestuft worden wäre. Die 14-Tage-Inzidenz war in dieser Zeitspanne allein schon aufgrund der PCR-Ergebnisse – also ohne Antigentests – zu hoch: Seit 10. Jänner lag diese bei über 500, am 25. Januar – also am Tag der erstmaligen Einstufung als „dunkelrote“ Zone – bei 544,2. Zudem wären ein großer Teil der Antigentests per PCR allemal bestätigt worden, wodurch die 14-Tage-Inzidenz noch deutlicher über 500 gestiegen wäre. Erst im März wurde die 500er-Marke unterschritten, wodurch Südtirol in die rote Zone wechseln konnte.

Mittlerweile liegt die 14-Tage-Inzidenz der PCR-Tests bei 146. Die europäischen Kriterien sehen vor, dass Regionen mit einer Inzidenz unter 150 in die orange Zone kommen. Allerdings nur dann, wenn auch die Posititvitätsrate mehrere Tage lang unter 4 Prozent liegt. Das Problem: Heuer gab es noch keinen einzigen Tag, an dem in Südtirol weniger als 4 Prozent der PCR-Tests positiv ausfielen. Am Mittwoch lag die Positivitätsrate bei 5,4 Prozent.

„Wir sind weder in Rom noch in Brüssel wegen unseres Meldesystems rot bzw. dunkelrot eingestuft worden“, schlussfolgert der LH. Landesrat Widmann sekundiert: „Die einzige Alternative wäre gewesen, weniger zu testen – wodurch wir aber auch weniger Infektionsketten durchbrochen hätten und das Infektionsgeschehen noch viel schwerer einzugrenzen gewesen wäre.“

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (19)

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  • steve

    Ploner sollte doch mittlerweile verstanden haben dass die Probleme nicht durch Zahlen die nach Rom gemeldet werden entstehen sondern durch die Zahlen in den Intensivstationen, die auf Anschlag waren.
    Er ist doch Arzt oder?!

    • besserwisser

      zum morgenritual der mitglieder der landesregierung gehört sicherlich auch das checken der nachrichtenportale und der dazuhörigen kommentare.
      nachdem ihr vielleicht auch schon auf seids, wollte ich mitteilen dass die seit anfang februar „großmütig“ angeforderten 500 mln Euro bei meinen kleinen Betrieben noch nicht angekommen sind und dass diese immer noch geschlossen sind.
      Nachdem ich mich gestern bestens vorbereitet habe, meine Zulassung zum Civis überprüft habe, schon letzte Woche zwei Stempelmarken zu 16 Euro gekauft habe bin ich heute früh um 6 Uhr an den PC um das Ansuchen zu erledigen (Mitte April wie angekündigt ist bei mir zwar am 15.April, aber wir wollen ja nicht kleinlich sein wie ihr mit uns), auf der Website steht immer noch dass es ab 19.April möglich sien wird anzusuchen. Natürlich geht nix. Nachdem ich mir jetzt ja auch noch einen dritten Job suchen musste um endlich wieder was reinzubekommen kann ich heute den ganzen Tag nicht ansuchen, werde in der Reihenfolge nach hinten rutschen ….
      ihr habt ja keine Ahnung was das bedeutet wenn ich hier auch noch abrutsche.
      Also tut endlich was für Euro Kohle, statt ständig über Facebook gescheit anzukündigen was ihr tun werdet! Ich muss es auch tun!
      C…………….!

  • george

    Zur 14 Tage Inzidenz wird hier geschrieben:“Seit 10. Jänner lag diese bei über 500, am 25. Januar – also am Tag der erstmaligen Einstufung als „dunkelrote“ Zone – bei 544,2.“
    Wie kommt jemand (Matthias Kofler?) auf so eine komische Kommazahl von 544,2? Hier werden so viele Fehler verbreitet, dass man kaum mehr etwas glauben kann, was hier geschrieben wird.

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