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Der beschlagnahmte Mercedes

Die Fristen für Fahrzeugrevisionen sind wegen Corona um zehn Monate verlängert. Dennoch wurde einem Tiefbauunternehmer aus Völs aufgrund eines (inzwischen gerichtlich ausgesetzten) Strafmandats der Stadtpolizei Bozen ein Mercedes-SUV beschlagnahmt und innerhalb von fünf Tagen verkauft.

von Thomas Vikoler

„Ich will mein Auto zurück“. Diesen Satz wiederholt Christian Mayrl immer wieder. Der 48-jährige Tiefbauunternehmer aus Völs fährt seit einem guten Monat mit einem Miet-Wagen zu den Baustellen. Denn „sein Auto“, ein weißer Mercedes GLE, hat inzwischen einen neuen Eigentümer.

„Ich weiß, dass es in Südtirol unterwegs ist und bereits in Polen war“, sagt Mayrl.

Er hat seinen SUV, den er vor gerade fünf Monaten gebraucht erworben hatte, nicht etwa verkauft. Nein, er war sehr zufrieden mit dem Modell. Der Mercedes wurde aber ungeplanterweise zum Gegenstand von insgesamt vier Strafmandaten, einer behördlichen Stilllegung („fermo amministrativo“), einer Beschlagnahme und schließlich eines Blitz-Zwangsverkaufs.

Der Mercedes hatte 35.000 Euro gekostet – verkauft wurde er vom Betreiber eines Parkplatzes für beschlagnahmte Autos in Elvas um gerade 15.000 Euro.

Was sich in den Wochen zuvor in dieser Causa abspielte, ist stellenweise unglaublich. In einem Rekurs des Ex-Autoeigentümers an das Friedensgericht Bozen, mit dem sein Anwalt eine Aussetzung eines Strafmandats der Stadtpolizei Bozen erwirkte, ist von Befugnisüberschreitung und Nicht-Anwendung von Gesetzen bzw. Verordnungen die Rede.

Also behördlicher Willkür.

Christian Mayrl

Doch der Reihe nach: Am 15. Februar fuhr der Bagger-Unternehmer mit seinem Mercedes GLE durch die Bozner Galileistraße, wo er von einer Streife der Stadtpolizei angehalten wurde. Von dieser wurde er darauf hingewiesen, dass der Termin des Fahrzeuges für die Hauptfahrzeugrevision („collaudo“) abgelaufen sei. Die Polizisten verhängten ein Strafmandat in der Höhe von 173 Euro und forderten den Fahrer auf, die Revision durchzuführen.

Einige Tage zuvor, bei einer Kontrolle durch die Carabinieri in Sterzing, war die vermeintlich verfallene Revision nicht beanstandet worden.

Eine Woche später, am 22. Februar, wurde der Unternehmer erneut von der Bozner Stadtpolizei angehalten. „Ich war auf dem Weg zur Landes-Revisionsstelle in der Bozner Industriezone“, erinnert sich der Mann. Doch diese Rechtfertigung wollten die Beamten nicht gelten lassen. Nach einer Rücksprache mit der Zentrale lautete die Losung: „sequestro“.

Die Beamten stellten ein Strafmandat über 1.984 Euro aus, in dem sie Folgendes vermerkten: „Das Fahrzeug wird im Verwahrungswege stillgelegt.“ Der Eigentümer wurde angewiesen, mit seinem SUV nach Hause zu fahren und es dort stehen zu lassen.

Was er – nach einem Umweg über Sterzing – auch tat.

An seinem Wohnsitz in Völs erhielt er am 2. März Besuch von der Ortspolizei Karneid. Diese traf den weißen Mercedes zunächst nicht beim Wohnhaus an, was sich aber klären ließ. Der Noch-Eigentümer hatte den Wagen etwas verstellt. Doch schließlich stellten die beiden Ortspolizisten fest: Das stillgelegte Fahrzeug sei unerlaubterweise verwendet worden, also zu beschlagnahmen. Das wurde dann auch mithilfe eines Abschleppwagens durchgeführt. Zudem erstatteten sie Strafanzeige wegen Siegelbruchs und Widerstand gegen Amtspersonen. Mayrl bestreitet beides.

Die Beamten aus Karneid wendeten für den Zwangsverkauf Artikel 214, Absatz 8 an. Dort heiß es: „Wer unrechtmäßig mit einem stillgelegten Fahrzeug fährt, erhält eine Strafe von 1.984 bis 7.937 Euro, es wird sofort abgeschleppt und geht in das Eigentum des gesetzlichen Verwahrers über. Ohne Kosten für den Fiskus.“

Der Passus war erst 2018 in Artikel 214 der Straßenverkehrsordnung eingefügt worden. Zuvor galt er allein für herrenlose, im öffentlichen Raum geparkte Autos, deren Eigentum zuvor niemand beansprucht hatte.

Im Falle des Tiefbauunternehmers aus Völs bedeutete er freilich, dass er seinem Mercedes GLE verlor – und das innerhalb weniger Tage. Nach der Beschlagnahme hatte sich Mayrl auf den Parkplatz in Elvas bei Brixen begeben, um (erlaubterweise) einige Sachen aus dem Fahrzeug mitzunehmen. Beim nächsten Besuch am 7. März, also fünf Tage nach der Beschlagnahme, war der weiße Mercedes bereits verkauft.

„Ich hatte mir nicht im Traum ausgedacht, dass das so abläuft. Ich war mich sicher, dass ich meinen Wagen wieder zurückbekomme“, sagt Mayrl.

Das muss nun das Friedensgericht Bozen klären. Dort erwirkte sein Anwalt Ende März eine Aussetzung des zweiten Strafmandats der Stadtpolizei Bozen, am 19. Mai findet die Verhandlung in der Sache selbst statt. Laut Klage bestand am 22. Februar für Mayrls SUV keine Revisions-Pflicht. Aufgrund von zwei EU-Verordnungen war die Frist wegen Corona zweimal um jeweils zehn Monate aufgeschoben worden. Bei den italienischen Bestimmungen gibt es zwar ein Vakuum von zwei Monaten – Jänner und Februar 2021 -, dieses sei aber

durch die zweite EU- Verordnung vom 16. Februar (Nr. 367/2021) geschlossen worden.

Der „collaudo“ hätte im konkreten Fall erst innerhalb Februar durchgeführt werden müssen.

Bekommt Mayrl, sollte er vor Gericht gewinnen, seinen Wagen zurück? Eine bisher ungeklärte Frage, denn der neue Eigentümer hat ihn rechtmäßig erworben und kann nicht gezwungen werden, ihn zurückzugeben. Mit den 15.000 Euro aus dem Verkauf würde sich der Unternehmer jedenfalls nicht zufrieden geben.

Der Betroffene ist sich sicher: „Diese Geschichte wird eine Fortsetzung haben“.

 

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Kommentare (27)

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  • andreas

    Warum er nach der ersten Strafe erst nach einer Woche einen Termin ausgemacht hat, ist nicht logisch, in so einer Situation hätte er noch am Tag der Strafe einen Termin ausmachen können und nicht eine Woche danach, in welcher er wohl trotzdem gefahren ist.
    Auch ist ein verbindlicher Termin der einzige Grund, warum man den Wagen bewegen darf und er hatte wohl keinen beim Revisionszentrum, da es gereicht hätte, wenn die Polizei dort anruft.
    Auch sein Umweg über Sterzing und dass er den Wagen noch bewegt hat zeigt, dass er wohl alles nicht so ernst genommen hat.

    Da nicht steht, wann die Revision verfallen ist und der Anwalt sich auf eine EU Verordnung beruft, kann man nicht beurteilen wer Recht hat.

    Hätte er es aber ernst genommen, hätte er das problemlos vermeiden können.

  • paul1

    @ andreas… wahrscheinlich hast du den Bericht nicht gelesen, DER COLAUDO WAR GAR NICHT FÄLLIG. Diese übereifrigen Stadtpolizisten kenne ich zur genüge

    • andreas

      Doch habe ich, der war verfallen.
      Im italienischen Gesetz ist eine Lücke von Jannuar/Februar, welche den Aufschub regelt, doch der Anwalt beruft sich auf eine EU Verordnung für diese Daten.

  • netzexperte

    Die Geschichte wäre wohl wirklich vermeidbar gewesen, dennoch eine Frechheit, dass persönliches Eigentum ohne richterlichen Beschluss einfach von Amts wegen verkauft wird.

  • brutus

    Wieder so ein einseitiger Artikel bei dem die Gegenseite nicht zu Wort kommt und ihre Argumente darlegen kann! Für mich ist das kein seriöser Journalismus!

  • genuaischgenua

    Fakt ist dass man nach festgestellter Nichtrevisionierung des Fahrzeuge nur nach Hause und dann zu einem Revisionstermin fahren kann, unabhängig davon ob diese rechtens war oder nicht. Dagegen kann man ja dann Rekurs einreichen.
    Aber tut mir leid besagtem Herrn ist wohl auch nicht zu helfen wenn er das Fahrzeug trotzdem benutzt und schon für den nach Hause Weg über Sterzing fährt.

  • hallihallo

    es ist ein zeichen unserer zeit.
    eu-richtilinien, staatsgesetzte, landesverordnungen, sodaß sich niemand mehr auskennt. und wie man sieht nicht einmal die polizei.
    und da diese ja regelmäßig ihr gehalt bekommen und immer arbeiten dürfen, haben sie es auch kein verständnis, daß halt nicht alles normal vor sich geht.
    natürlich hätte auch der autolenker gleich zur revision sollen, aber anscheinend mußte er noch gar nicht.
    aber ein auto beschlagnahmen und sofort verkaufen ( von versteigern kann ja hier anscheinend keine rede sein) ist wohl sehr komisch. mehr afrika als südtirol.

  • hoihoi

    ….des kling gut “ und da diese ja regelmäßig Ihr Gehalt bekommen und immer arbeiten – dürfen – “ weil von arbeiten müßen , konn man do gor nit sogen , denn so viele Fehltage in Johr wie bei der Berufgruppe gibt und zudem sollten arbeiten im Sinne von Hilfe am Bürger , konn man a lei sehr selten reden , denn es geht lei um schickanieren . Uns muß man sogen Pölizei und Carabinieri werden auch nit olm ols richtig mochen ober die Stodt- und Gemeindepolizisten sein ein Kasperlverein , de sein nit a mol in stond di nonni vigili o zulernen , weil des sem mohnen si sein Verkehrspolizisten und Schülerlotzen de regeln in gonzen Stroßenverkehr sam Haupt – und Nebenstraße !! Zu geil der Kasperlverein !!
    Schians Tagl in ollen nu !!

  • bernhart

    Leider ist es in Italien so, dass täglich Gesetze geändert werden , oft sind die Ordnungskräfte zu wenig informiert, wie es den Anschein hat, sind oder waren die Dorfpolizisten unterqualifiziert arrogant und schickanieren die Bürger wenn sie eine Uniform anhaben, so sieht es aus , Der hausverstand fehlt oft. Ich hoffe Herr Mayrl bekommt Recht und diese Herrn ihr Strafe,

  • robby

    Ich finde mehr Aufmerksamkeit verdient der überhastete Verkauf um einen lächerlichen Betrag. Mal schauen ob da alles korrekt abgelaufen ist. Keiner verschenkt 20.000€. Ein Händler schon gar nicht. Der ist sich des wirklichen Wertes sehr wohl bewusst.

  • wm

    @batman
    Totgesagte leben länger!

  • morgenstern

    Ein stink normaler UNO gibt zwar nicht das her, solche Probleme lassen sich damit aber mit Sicherheit vermeiden.

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