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Die negativen Einflüsse

Loukas Balafoutas (Foto: Uni Ibk)

Verschwörungstheorien beeinflussen unser Verhalten – auch wenn wir nicht an sie glauben. Eine Studie der Uni Innsbruck erbringt neue Erkenntnisse. 

Nicht zuletzt durch die COVID-19-Pandemie sind Verschwörungstheorien aktueller denn je.

In beinahe allen Medien und Kanälen wird über sie berichtet und diskutiert. Doch welchen Einfluss haben sie auf unser Verhalten?

Dieser Frage sind Wissenschaftler um den Verhaltensökonomen Loukas Balafoutas mit einem Laborexperiment in einer kürzlich erschienenen Studie nachgegangen. Ergebnis: Werden wir mit Verschwörungstheorien konfrontiert, müssen wir nicht an sie glauben, damit sie einen Einfluss auf unser Verhalten nehmen.

Frühere Studien belegen, dass der Glaube an Verschwörungstheorien einen Einfluss auf das Verhalten ihrer Anhänger*innen hat. So führen sie beispielsweise zu einer geringeren Wahlbeteiligung oder einer niedrigeren Bereitschaft, sich impfen zu lassen. Bereits seit Jahren erleben Verschwörungstheorien einen regelrechten Boom – sie zu ignorieren, ist kaum mehr möglich. Das hat ein Forschungsteam um Loukas Balafoutas dazu bewegt, in einem Laborexperiment der Frage nachzugehen, ob Verschwörungstheorien auch einen Einfluss auf uns haben, wenn wir gar nicht an sie glauben und wir nur kurz mit ihnen konfrontiert sind.

„Unsere Studie zeigt, dass Proband*innen, die für lediglich drei Minuten einer Verschwörungstheorie ausgesetzt waren, in einem nachfolgenden Verhaltensexperiment anders gehandelt haben als Proband*innen aus der Kontrollgruppe“, berichtet Loukas Balafoutas, Professor für Experimentelle Ökonomik am Institut für Finanzwissenschaft der Universität Innsbruck. Diese Ergebnisse konnten die Forscher kürzlich im Magazin „Economic and Political Studies“ veröffentlichen.

Verschwörungstheorien verändern Verhalten

Im sogenannten EconLab der Universität Innsbruck haben die Forscher ihr Experiment noch vor der COVID-19-Pandemie durchgeführt. Dabei haben sie der einen Hälfte der insgesamt 144 Studienteilnehmer*innen ein 3-minütiges Video gezeigt, in dem die Mondlandung von 1969 als Fälschung dargestellt wird. Die Kontrollgruppe hat hingegen ein ebenso langes Video über das Space Shuttle Programm gesehen. Im Anschluss haben die Proband*innen am sogenannten „money request game“ teilgenommen. Dazu wurden die Spieler*innen in Paare aufgeteilt und gebeten, gleichzeitig ein ganzzahliges Gebot zwischen 5 und 14 Euro abzugeben.

Wer das kleinere Gebot abgegeben hat, erhielt den Betrag dieses Gebots plus 10 Euro; wer das größere Gebot gemacht hat, erhielt lediglich den Betrag des Gebots. Im Falle eines Gleichstandes erhielten beide Teilnehmer*innen genau ihr Gebot.

Die beste Antwort auf ein Gebot des anderen Teilnehmers, das größer als 5 Euro ist, ist in diesem Spiel, genau einen Euro weniger zu bieten. Wenn der andere Teilnehmer 5 Euro bietet, ist die beste Reaktion, 14 Euro zu bieten. „Bei diesem Experiment konnten wir feststellen, dass Personen, die zuvor das Video der Verschwörungstheorie gesehen haben, kleinere Beträge geboten haben. Das zeigt, dass diese Proband*innen strategischer handeln. Das kann zwar einerseits unter Umständen zu einem höheren Gewinn im Spiel führen, gleichzeitig birgt diese Vorgangsweise aber auch die Gefahr, einen Verlust einzufahren“, erklärt Balafoutas.

„Es geht uns hier also nicht darum, dieses Verhalten als besser oder schlechter zu bewerten, sondern lediglich darum, zu zeigen, dass Personen, die kurz zuvor einer Verschwörungstheorie ausgesetzt waren, in einer nachfolgenden und inhaltlich völlig anderen Situation ein anderes Verhalten an den Tag legen als die Kontrollgruppe. Daraus schließen wir, dass die Verschwörungstheorie einen Einfluss darauf hat, wie jemand die Welt und die Menschen wahrnimmt“, so Balafoutas weiter.

In einem weiteren Experiment, dem sogenannten „trust game“, haben die Forscher überprüft, inwiefern die Auseinandersetzung mit einer Verschwörungstheorie zu einer Beeinträchtigung des Vertrauens gegenüber anderen Menschen führt. Bei diesem Spiel wurden die Spieler in Paare aufgeteilt.

In jedem Paar erhielten beide Spieler 5 Euro. Einer der Spieler (A) konnte entscheiden, einen Teil oder den Betrag vollständig zu investieren. Der investierte Betrag wurde verdreifacht und an den anderen Spieler (B) weitergegeben, der dann einen Teil des Geldes an Spieler A zurücküberweisen konnte – aber nicht musste. Größere investierte Beträge von A in diesem Spiel entsprechen einem höheren Vertrauensniveau.

„Es ist eine durchaus positive Botschaft, dass wir hier keinen negativen Einfluss der Verschwörungstheorie feststellen konnten. Das Vertrauen in das Gegenüber war in beiden Gruppen statistisch gesehen gleich. Das ist wichtig, denn in unserer Gesellschaft brauchen wir ein gewisses Maß an Vertrauen, damit sie überhaupt funktioniert“, sagt Balafoutas.

Dass die Wissenschaftler Verschwörungstheorien im Labor untersucht haben, ist kein Zufall.

„Als Forscher*innen wollen wir nicht dazu beitragen, Verschwörungstheorien in die Gesellschaft zu tragen. Daher ist bei solchen Studien immer Vorsicht geboten. Sie müssen ethisch vertretbar durchgeführt und vorab auch genehmigt werden. Besonders die Aufklärung der Proband*innen nach einem solchen Experiment ist sehr wichtig“, erklärt Loukas Balafoutas.

Die Studie:
Loukas Balafoutas, Alexander Libman, Vasileios Selamis & Björn Vollan (2021) Exposure to conspiracy theories in the lab, Economic and Political Studies

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

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