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„Gravierende Folgeschäden“

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Das Netzwerk für Sportpsychologie schlägt Alarm: Der Bewegungsmangel und die fehlenden gemeinsamen Trainings im Sportverein hätten fatale Folgen.

Das Südtiroler Netzwerk für Sportpsychologie beobachtet die aktuell besorgniserregenden Folgen des eingeschränkten Kinder- und Jugendsports. Immer mehr Eltern und Trainer und auch Jugendliche wenden sich hilfesuchend an das Netzwerk, da viele Kinder und Jugendliche unter den mangelnden Trainingsmöglichkeiten leiden.

Seit einem Jahr hat uns das Coronavirus alle fest im Griff. Leider leiden auch die Kinder und Jugendlichen unter den Einschränkungen und besonderen Lebensbedingungen, die die Pandemie mit sich bringt.

Kinder lieben und brauchen Bewegung und wollen ihr natürliches Bewegungsbedürfnis ausleben. Sie wollen mit Freunden laufen, springen, werfen, turnen, klettern, tanzen, Ball spielen, usw. und dabei Spaß haben. Sie tun damit instinktiv das, was ihnen guttut und eine gesunde Entwicklung fördert. Sowohl in motorischer als auch in kognitiver und emotionaler Hinsicht.

Im Kindesalter werden die biologischen, psychosozialen und kognitiven Grundlagen geschaffen, die für das weitere Leben entscheidend sind. Auch der Aufbau von Selbstbewusstsein und einer positiv empfundenen Selbstwahrnehmung hängen damit zusammen.

Die fehlenden gemeinsamen Trainings im Sportverein haben fatale Folgen, so Monika Niederstätter, die ehemalige Weltklasse-Leichtathletin und Präsidentin des Netzwerks Sportpsychologie.

Die Gruppe derjenigen Kinder, die sich in dieser Zeit fast gar nicht mehr bewegt haben, hat sich vervielfacht.

Parallel hat der Medienkonsum signifikant zugenommen. Bei vielen Jugendlichen ist die Bildschirmzeit an den verschiedenen Geräten in diesem Jahr auf über 8 (!) Stunden pro Tag gestiegen. Dies wirkt sich negativ auf ihr Befinden aus. Sie machen sich mehr Sorgen und sind weniger zufrieden mit ihrem Leben. Mit der Verschlechterung des Befindens geht wiederum eine Abnahme der Bewegung einher. Die Kinder und Jugendlichen werden träge und unmotiviert. Bei vielen kommt Übergewicht hinzu. Ihr Selbstbewusstsein nimmt ab und sie trauen sich den Sport oftmals nicht mehr zu und haben keine Lust mehr darauf, so das Netzwerk.

Monika Niederstätter

Auf physischer Ebene ist Bewegungsmangel ein Risikofaktor für Störungen und Erkrankungen wie Übergewicht, Störungen im Fettstoffwechsel, Bluthochdruck, erhöhter Blutzuckerspiegel, Veränderungen innerhalb der Blutgefäße usw. Darüber hinaus kann es zu einem Abbau der Muskulatur und in der Folge zu Schäden am Knochen- und Gelenkapparat kommen. Auch die Knochendichte kann abnehmen.

Auf psychischer Ebene können die Folgen ebenfalls vielschichtig sein. So kann es zu Veränderungen im Hormonhaushalt kommen, die sich negativ auf die Stimmungslage auswirken und auch zur Entstehung einer Depression beitragen können. Aus psychologischer Perspektive kann ein Rückgang in der körperlichen Aktivität zu der schon erwähnten Verringerung des Selbstwertgefühls führen. Auch soziale Aspekte, wie Freundschaften, leiden unter mangelnden Kontaktmöglichkeiten, so das Netzwerk.

Es ist mittlerweile gut belegt, dass körperliche Aktivität ein wichtiger Schutzfaktor für die gesunde Entwicklung von Heranwachsenden ist. Wenn etwa in einer sensiblen Phase wie der Pubertät plötzlich der Rückhalt oder die Anerkennung durch die Gleichaltrigen im Sport verloren geht, so hat dies negative Auswirkungen auf die Persönlichkeitsentwicklung. Ängste, sozialer Rückzug, Zweifel, Trägheit, Traurigkeit, Unmotiviertheit, Unzufriedenheit, innere Unruhe, Schlafstörungen, Suchtverhalten, psychosomatische Beschwerden und vieles mehr können die Folgen sein.

Auf gesellschaftlicher Ebene sind sich grundsätzlich alle einig, dass Sport und Bewegung wichtige gesundheitliche Schutzfaktoren sind und eine große Bedeutung für die ganzheitliche Entwicklung von Kindern und Jugendlichen haben. Die gravierenden Folgeschäden des monatelangen Sportverbotes zeigen sich jetzt schon und werden uns in den nächsten Jahren begleiten, so das Netzwerk.

Aus Sicht des Netzwerks für Sportpsychologie besteht dringender Handlungsbedarf, um Kindern und Jugendlichen wieder mehr Spiel und Sport mit Gleichaltrigen zu ermöglichen – speziell im Frühling und Sommer sollte ein Training zumindest im Freien wieder gezielt gefördert werden, auch wenn dies mit einigen Schutzmaßnahmen verbunden ist.

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