Du befindest dich hier: Home » News » „Müssen Meldepraxis umstellen“

„Müssen Meldepraxis umstellen“

Südtirol möchte innerhalb von drei Wochen die Infektionszahlen stark senken. Doch um die Inzidenz auf unter 50 zu senken, reichen drei Wochen nicht aus, behauptet der Biostatistiker Markus Falk.

Tageszeitung: Herr Falk, in Südtirol gibt es derzeit im Schnitt über 700 Neuinfektionen pro Tag. Der Lockdown soll diese Zahl stark senken. Wie soll das in drei Wochen gelingen?

Markus Falk: Die 7-Tage Inzidenz von 800 auf 100 000 sind zwar die Südtiroler Zahlen und auch echte Fälle, aber diese sind derzeit aber kaum vergleichbar mit den Zahlen anderer Regionen oder anderer Länder, da diese nahezu keine Antigenpositiven melden.

Wie erkennt man also die reellen Zahlen?

Würden wir ähnlich melden, indem man über die Auslastung der Intensivstationen rückrechnet, dann kämen wir auf eine 7-Tage Inzidenz von 250, was in etwa 190 Fällen pro Tag entspricht. Derzeit dient die Inzidenz als Maßstab für die Einteilung in Zonen. Daher gilt es diese zu senken.

Die Situation in Südtirol ist aber auch laut anderen Kriterien dramatisch. Derzeit sind so viele Intensivbetten belegt wie im November…

Das ist auch der Grund, weshalb wir jetzt rot sind. Es gab glücklicherweise noch keine Verlagerung der Infektionen in die höheren Altersklassen, aber auch dort stiegen zuletzt die Fälle kontinuierlich an. Ein Teil davon füllt dann die Krankenhäuser und Intensivstationen. Die Situation ist auf jeden Fall kritisch. Europaweit liegen wir bei der Belegung der Intensivstationen im Spitzenfeld. Auch mit einer Inzidenz von 250, wären dies noch zu viele.

Südtirol müsste also von rund 700 Fälle pro Tag auf 250 Fälle pro Woche sinken, um laut EU-Kriterien nicht mehr als rote Zone zu gelten. Ist das machbar?

Wenn man die Meldepraxis umstellt, kann man die Zahlen für den alleinigen Zweck als Indikator deutlich senken. Man muss weiterhin offen kommunizieren, wie viele Antigen- und PCR-Positive es gibt. Nach Rom sollten dagegen nur die PCR-Positiven, sowie die PCR-nachgetesteten Antigentests gemeldet werden. Wir brauchen also eine Buchhaltung für Südtirol und eine für Rom, was jetzt zwar komisch erscheinen mag, aber genau der Praxis von Trient oder der anderer Regionen entspricht. Die drei Wochen Lockdown reichen mit Sicherheit nicht aus, um die Zahlen buchhalterisch wie auch real ausreichend zu senken.

In Deutschland wird eine Öffnung der Geschäfte erst bei einer Sieben-Tage-Inzidenz von unter 35 möglich. Ist das nicht auch in Südtirol erstrebenswert?

Die Deutschen sind derzeit traumatisiert und verunsichert, da sie jetzt die Todesfälle haben, die es in Italien im Frühjahr gab. Damit haben sie nicht gerechnet. Im Drei-Länder-Vergleich gibt es einige deutsche Bundesländer mit extrem hoher Krankenhauslast und vielen Todesfällen. Auch in Bayern, das von den Zahlen her derzeit vergleichbar mit Südtirol ist, konnte man Im Dauerlockdown noch nicht mehr erreichen. Bei uns hat das System bisher funktioniert, auch wenn es viele schlechtreden wollen. Kaum ein Land hat es geschafft, die Bevölkerung so für Tests zu mobilisieren. Diese Erkenntnis nutzt uns allerdings nichts, wenn der Maßstab die Inzidenz ist.

Im Vergleich zu anderen Ländern ist der Lockdown in Südtirol nicht besonders hart. Die Grundschulen sollen bereits in der übernächsten Woche geöffnet werden. Ist dieser Schritt nicht zu riskant?

Schulen waren offen, obwohl die Situation was die Infektionszahlen anbelangt äußerst problematisch war. Man hat aber mit Geduld ertragen, wenn ein Kind oder eine Familie in Quarantäne musste.  Der reguläre Schulbetrieb war deshalb oft nur eingeschränkt möglich und auch die Exposition der Lehrer bleibt ein Thema. Ein regulärer Schulbetrieb kann nur mit Testungen möglich werden und hier feilt man bereits an einem Testsystem .

Wie weit kann die Inzidenz in diesen drei Wochen gesenkt werden?

Zuerst muss die Meldestrategie geändert werden. Der Südtiroler Sonderweg ist so lange auf dem Holzweg, bis sich diese nicht ändert. Gleichzeitig dürfen wir nicht weniger testen, da wir sonst den die Kontrolle und den Überblick verlieren. Derzeit liegt die Vergleichsinzidenz bei 250 Infektionen in sieben Tagen auf 100 000 Einwohner. Mit dem dreiwöchigen Lockdown können wir diese Zahl halbieren, das sind dann 125 Infektionen pro Woche, dann liegen wir gleich auf mit Österreich. Damit sind wir gelb. Die Frage ist dann, was andere machen. Ein Wert von 35 Infektionen in 7-Tagen, wie er in Deutschland für Lockerungen angestrebt wird, ist unerreichbar. Wo wir genau landen werden, kann uns aber nur die Zeit verraten und es wäre sogar möglich, dass es kaum nach unten geht.

Was ist, wenn die Inzidenz nicht genügend stark gesenkt werden kann?

Wenn eine Inzidenz von 125 nicht ausreicht, muss der Lockdown verlängert werden, damit es schneller geht, wären Verschärfungen angebracht. Dann hätten wir einen Lockdown wie im Frühjahr. Allerdings muss man davor auch warnen. Viele haben sich vom Massentest erwartet, dass dieser die Zahlen langfristig senken wird, dasselbe erwarten sich die Leute vom harten Lockdown, aber das wird nicht passieren. Der harte Lockdown im Frühjahr verlief äußerst diszipliniert im Vergleich zu jetzt. Bis in den Mai hinein waren die Leute diszipliniert und wir hatten zum Start deutlich weniger Fälle. Um das zu erreichen, was die Deutschen wollen, braucht es einen zweimonatigen harten Dauerlockdown. Das ist aber unrealistisch.

Was soll man also stattdessen tun?

Es gilt jetzt vor allem die Leute auf die Öffnung vorzubereiten. Man muss die Leute besonders beim Testen zur Eigenverantwortung aufrufen. Als Beispiel: Natürlich schützt eine Maske vor der Infektion, aber damit alleine wird man die Pandemie nicht bekämpfen, weil sie immer wieder falsch oder gar nicht getragen wird. Sinnvoller ist es, wenn man jetzt ein niederschwelliges Test-Angebot aufbaut, sodass sich jeder der Symptome oder Kontakt mit einem Positiven hatte, Testen lässt. In Lana passiert das gerade. Dort soll es gut laufen.

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (61)

Lesen Sie die Netiquette und die Nutzerbedingungen

  • bernhart

    Herr Falk , sie sind einer der sich dreht wie der Wind, sie sind nicht mehr Glaubwürdig ,Was ist seit Ende Oktober bis heute passiert?? Lockdown bis ende Februar , also 4 Monate Lockdown und hat nichts gebracht, man muss kein Hellseher sein um das zu verstehen. Die ganzen Vorhersagen von Ihnen waren für die Katz, nicht mahl das Papier wert.
    Wie lange wollen sie uns noch belügen??
    Lockdown hin ber her, wir müssen lernen mit dem Virus zu leben ohne wenn und aber, so siehts aus.

  • morgenstern

    Typen gibt’s, ….?? da läufts einem kalt den Rücken herunter und der Hals schwillt auf wie ein Brückenpfeiler.

  • nochasupergscheiter

    Talk im hangar7 immer sehenswert…
    Dort sass letzte Woche eine Gruppe von epidemiologen, virologen usw…
    Auch dort wurde kritisch über die Tests geredet und gesagt…
    Wenn einer in der dort sitzenden Gruppe, ohne Maske lt PCR positiv wäre, aber nicht infektiös wären sie alle nicht gefährdet… Pcrs sind eigentlich viel zu sensitiv und sagen wenig über die infektiösität…
    Es geht nicht um positivität sondern um infektiös oder nicht…
    Hoffe ich habe das jetzt wirklich richtig wiedergegeben…
    Jedenfalls finde ich es erschreckend dass die superschlauen Landesbeamten mit ihren 100.000enden an Gehältern seit MONATEN alle nicht in der Lage sind die gleichen Zahlen in gleicher form wie zb die trientner zu melden eigentlich gehören Sie alle dafür zu entlassen aber das passiert im öffentlichen Dienst ja nicht sondern im schlimmsten Fall wirst Du halt zum Bibliothekar mit 200.000 Euro Gehalt degradiert…
    Und dann plärren sie nach mehr Gehalt wegen der ganzen Verantwortung die sie hätten lachhaft…
    Wieviele Leute zuhause sitzen und es in den Nerven kriegen oder wegen einer einfachen coronaerkrankung ohne schlimmen Nebenwirkungen im kh liegen weil sie verrückt gemacht werden, das will ich gar nicht wissen

  • bettina75

    Oh Falkemann, oh Falkemann, wer ist als nächster dran ?

  • pantone

    Herr Falk wird mit seinen Feststellungen nicht überall daneben liegen, doch würde ich einen echten wissenschaftlichen Fachmann wie Prof. Gänsbacher als Berater für die Landesregierung eher bevorzugen.

  • sepp

    wen wunderts bei dei herrn hoben a gute einnahme qulle

  • tirolersepp

    Weiter so Herr Falk, zumindest einer bleibt bei der Wahrheit !!!

    Die Wahrheit passt natürlich nicht allen !!!

  • robby

    Könnte dem Herrn Falk mal jemand sagen er sollte endlich still sein?

  • eiersock

    Falk a gonz a Schlauer

Kommentar abgeben

Du musst dich EINLOGGEN um einen Kommentar abzugeben.

2024 ® © Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH/Srl Impressum | Privacy Policy | Netiquette & Nutzerbedingungen | AGB | Privacy-Einstellungen

Nach oben scrollen