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„Kriminalisierung von Kritik“

Die Staatsanwaltschaft hat erneut Anklage gegen die Süd-Tiroler Freiheit erhoben: wegen des umstrittenen Ärzte-Plakates.

Die Süd-Tiroler Freiheit nimmt es mit Sarkasmus:

„Kaum ist der Hammer nach zehn Jahren Rechtsstreit wegen des ,Besen-Plakates‘ gefallen, kommt Italien mit der nächsten Anklage daher: Vertreter der Süd-Tiroler Freiheit – aber auch von einer Werbeagentur und einer Plakatierungsfirma – sollen wegen des ,Ärzte-Plakates‘ vor Gericht gestellt werden. Das kommt für die Bewegung weder überraschend, noch lässt sie sich dadurch einschüchtern: „Wir sind bereit, für das Grundrecht auf Gebrauch der Muttersprache und gegen die eklatante Ungleichbehandlung zu kämpfen. Ein Gerichtssaal ist dafür genau die richtige Bühne!“

Konkreter Anlass

„Hier stirbt das Recht auf Gebrauch der deutschen Muttersprache“, war das drastische und provokante Leitmotiv des Plakates der Süd-Tiroler Freiheit, das vor einem Jahr vorgestellt wurde.

Ausschlaggebend für die Wahl des Motivs war ein konkreter Fall im Südtiroler Gesundheitswesen, bei dem ein Patient falsch behandelt wurde, weil ein rein italienischsprachiger Arzt die deutsche Sprache des Patienten nicht verstand und dieser dem Arzt die Vorerkrankung nicht ausreichend schildern konnte, so die STF.

„Dem Patienten wurden daraufhin falsche Medikamente verschrieben, die aufgrund der Vorerkrankung tödlich hätten enden können. Nur dank der Skepsis des Patienten, der sich vor Einnahme des Medikaments nochmals bei seinem Hausarzt erkundigte, ist es zu verdanken, dass nichts Schlimmeres passiert ist. Dass es sich dabei um keinen Einzelfall handelt, zeigen die unzähligen Landtagsanfragen der letzten Jahre zur Missachtung der Muttersprache im Gesundheitswesen“, so die Bewegung.

Das italienische Gesundheitsministerium habe wiederholt betont, dass Ärzte in Italien italienisch sprechen müssten, da sonst eine gute Behandlung der Bevölkerung in den Krankenhäusern nicht gewährleistet werden könne. Deutsche Ärzte seien eine Gefahr für die Menschen! „Das bedeutet im Umkehrschluss, dass die deutschsprachigen Süd-Tiroler Bürger zweiter Klasse sind. Ihre Gesundheit ist in der Logik Italiens weniger wichtig. Das ist offener Rassismus und nicht das Plakat der Süd-Tiroler Freiheit“, so die STF.

Die Bewegung schreibt in der Aussendung weiteR:

„Das zeigte sich auch deutlich im Umgang mit rein deutschsprachigen Ärzten! Wegen eines einzigen rein deutschsprachigen Arztes, der noch nicht einmal im direkten Kontakt mit Patienten stand, gab es einen italienweiten Aufschrei; wenn aber hunderte rein italienischsprachige Ärzte angestellt werden, hört man keinen Pips! Eine Doppelmoral und Scheinheiligkeit sondergleichen!“

Die Süd-Tiroler Freiheit hat immer wieder betont:

Das Plakat und die Aktion richteten sich ausdrücklich nicht gegen die italienischsprachigen Ärzte, die auf dem Plakat auch gar nicht genannt sind und deren Fachkompetenz nicht in Frage gestellt wird, sondern gegen ein System, das das Grundrecht der Mehrheitsbevölkerung in Südtirol auf Gebrauch Muttersprache verweigert und damit die Gesundheit der Patienten gefährdet. „Es gibt unzählige Studien, die belegen, dass die Behandlung eines Patienten darunter leidet, wenn der Arzt die Sprache des Patienten nicht versteht. Das Motiv des Plakates war daher ein Weckruf, um auf die erheblichen Mängel im Südtiroler Gesundheitssystem aufmerksam zu machen“, so die STF

Alle diese Aspekte werden künftig u.a. wohl wieder im Gerichtssaal diskutiert werden.

Die Staatsanwaltschaft hat nämlich Anklage gegen Eva Klotz, Sven Knoll, Werner Thaler und Stefan Zelger wegen übler Nachrede gegenüber der Ärzte- und Zahnärztekammer erhoben.

Außerdem gegen Vertreter einer Werbeagentur und einer Plakatierungsfirma.

Für die Süd-Tiroler Freiheit ist das unverständlich. Die Bewegung fragt sich: „Sind diese Dienstleister nun der Zensur unterworfen? Müssen sie künftig jede politische Werbeschaltung vorher den Stadthaltern Roms zur Überprüfung vorlegen?“

Und schon die Anklageschrift zeige die „Qualität“ des Rechtswesens hierzulande: mehrere Adressen der Angeklagten und deren Geburtsdaten seienfalsch. Unter den Angeklagten befindet sich zudem eine gewisse „KOLTZ EVA“!

Wenig Verständnis für die Anklage hat der Rechtsanwalt der Süd-Tiroler Freiheit, Nicola Canestrini: „Diese erneute Strafverfolgung der Meinungsäußerung, die zweifellos zu einer Debatte von öffentlichem Interesse beiträgt, ist sehr besorgniserregend: Kriminalisierung von Kritik ist ein sehr schlechtes Zeichen in einem Rechtsstaat. Kritische Werturteile sollten in Grundfragen einer Gesellschaft auch dann zugelassen sein, wenn sie provokant und ätzend sind.“

 

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (13)

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  • steve

    Wenn man bedenkt dass immer mehr rein italienischsprachige Ärzte in unseren Spitälern Arbeit finden und diese teilweise sich noch frech deutsch erklären eine richtige Aktion! Bravo Südtiroler Freiheit!

  • nochasupergscheiter

    Zehn Jahre lang habe ich in einem Betrieb mit 100ten Italienern gearbeitet. Immer habe ich mich gewundert dass von denen kaum einer ein deutsches Wort spricht, und auch von den italienischen südtiroler Kunden nicht…. Ausser den jungen…
    Was glaubt ihr wie ich aus allen Wolken gefallen bin, als ich im lauf der Jahre draufkam, dass die meisten von denen gutes bis perfektes Deutsch sprechen, aber mir nicht einmal wenn ich mich schwer getan habe geholfen haben…
    Siamo in Italia hört man verflucht oft auch in Ämtern…
    Wir sein do in südtirol red Deutsch hört man hingegen selten, ich meine meistens bemühen sich sogar ältere Menschen italienisch zu reden wenn das Gegenüber sich schwer tut…
    Ich glaube fir unsere Identität ist es wichtig wenn auch wir mehr auf unsere Rechte beharren, jedoch wäre es dumm im falschen Moment prepotent auf sein Recht zu beharren…. Find es richtig dass die südtiroler freiheit sich hier wehrt

  • saustall_kritiker

    Es ist ein aus soziologischer Sicht sehr merkwürdiges Phänomen, das ich immer wieder beobachte: Sind eine Gruppe deutschsprachiger Südtiroler in einer Runde und es stößt ein italienischsprachiger Südtiroler (nicht ein Italiener von außerhalb wohlgemerkt) dazu, dann reden plötzlich alle italienisch… so als würde man dem italienischen Südtiroler nicht zutrauen, deutsch zu sprechen. Logisch wäre wohl, dass der Italiener deutsch spricht, wenn die Mehrheit in der Runde deutsch spricht…. Aber weit gefehlt: Auf diese Weise nimmt man auch den intelligenten Italienern (die das Lernen einer Sprache als Chance sehen) die Möglichkeit sich in der anderen Sprache zu üben. Aber es gibt leider auch die Dummen, nämlich jene, die seit ihrer Geburt in Südtirol leben und kein Wort Deutsch können. Dass die deutsche Sprache so schwer wäre, stimmt auch nicht: Fahrt doch mal nach Riva oder Torbole im Trentino und ihr werdet sehen, wie sehr viel intelligenter die Trentiner beim Erlernen der deutschen Sprache sind.
    Aber ein nicht allzuhoher Intelligenzquotient und eine faschistische Einstellung treten eben oft gemeinsam auf. Zudem bin ich bestürzt darüber, dass gewisse Zeitgenossen nicht einmal den Familiennamen der nicht nur bei uns, sondern in ganz Italien wegen ihrer Geradlinigkeit und Ehrlichkeit hochgeschätzten Frau Klotz zu schreiben imstande sind. Ich schäme mich angesichts solchen Unwissens und solcher Schlamperei ….

    • george

      @saustallkritiker u. a.
      Ich habe auch das Gegenteil erlebt. War Jahre lang in einer Gruppe, wo die Mehrheit deutschsprachig war und wir haben uns immer in dieser Sprache verständigt. Da stieß eine Italienerin zu uns in die Gruppe und später auch noch ein Italiener, die sehr schlecht deutsch sprechen konnten und sie bemühte sich uns trotzdem zu verstehen. Wir übersetzten ihnen nur, wenn wirklich irgendwelche Fachausdrücke oder wichtige Inhalte nicht verstanden wurden. Und irgendwann sagte mir die Italienerin: Danke, dass du immer deutsch mit mir redest (sie hat mir allerdings dann meist italienisch geantwortet), so habe ich es wenigstens halbwegs gut gelernt.
      Fazit: Man kann nicht immer alle und alles immer wieder in den gleichen Topf werfen.

  • artimar

    Man versteht nicht: Was bei Grünen Schiebel … bei Gericht möglich ist, sollte doch auch bei STF möglich sein: Dialog.

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