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Volle Frauenhäuser

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Während des Lockdowns haben sich mehr Frauen, die Opfer von Gewalt wurden, Hilfe geholt. Im Jahr 2019 haben sich 580 Frauen, die Opfer häuslicher Gewalt wurden, an ein Frauenhaus oder die Kontakstelle gegen Gewalt gewandt.

von Lisi Lang

„Die Corona-Pandemie hat wie ein Vergrößerungsglas funktioniert und noch einmal mehr aufgezeigt, was schon immer nicht funktioniert hat“, sagt die Präsidentin des Vereins GEA Kontaktstelle gegen Gewalt, Christine Clignon. Während des Lockdowns im Frühjahr und auch nach dieser Zeit haben sich mehr Frauen, die Opfer von häuslicher Gewalt wurden, Hilfe geholt.

Das bestätigen auch die Daten: Laut Landesstatistikinstitut Astat wurden zwischen März und Mai 30 Frauen, die Opfer von Gewalt wurden, in den Frauenhäusern aufgenommen. Das ist ein leichter Anstieg im Vergleich zum Vorjahr. Diese Zahlen erfassen aber nur einen Teil des Geschehens, erklärt Christine Clignon: „Unser Frauenhaus war zu Beginn des Lockdowns voll belegt.“ Deswegen habe der Verein in Bozen viele Frauen in alternativen Beherbergungsstrukturen unterbringen müssen – zwischen März und Oktober waren dies 29 Frauen mit 30 Minderjährigen.

Auch in Brixen wurden betroffene Frauen in Ferienwohnungen untergebracht, weil die Frauenhäuser voll waren. „Unser Credo ist, dass keine Frau bei einem gewalttätigen Mann bleiben muss“, betont Barbara Wielander, Leiterin des Frauenhauses in Brixen „und deswegen suchen wir natürlich nach alternativen Unterbringungsmöglichkeiten wenn die Frauenhäuser voll sind“.

Während und nach dem Lockdown hat aber die Zahl der Frauen, die erstmals telefonisch Hilfe gesucht haben, zugenommen. Bis Ende Oktober haben sich allein bei der Kontaktstelle gegen Gewalt in Bozen 155 neue Frauen gemeldet – das sind bereits jetzt mehr neue Kontakte als im gesamten vergangenen Jahr.

Die Kontaktaufnahmen waren im Laufe des Frühjahrs sehr wellenhaft, erklärt Christine Clignon. „Anfang März haben wir rund zehn Tage lang eine komplette Funkstille beobachtet: Es gab kaum Kontakte, was sehr besorgniserregend war, weil uns bewusst war, dass die Frauen in dieser Phase der Gewalt viel stärker ausgesetzt sind“, erklärt die GEA-Präsidentin.

Dann gab es einen Anstieg der Kontaktaufnahmen. Und auch jetzt befinden sich wieder viele Frauen in einer schwierigen Situation. „Bei uns gab es letztens mehrere Anfragen“, berichtet Barbara Wielander, die an betroffene Frauen appelliert, sich Hilfe zu holen.

Tatort Wohnzimmer

Die Gewalt gegen Frauen, die fast immer im familiären Umfeld stattfindet, geht weder zurück noch ändern sich ihre Merkmale – das zeigen die neusten Astat-Daten. 580 Frauen, die Opfer von Gewalt wurden, haben sich im vergangenen Jahr an eines der fünf Frauenhäuser oder eine Kontaktstelle gegen Gewalt gewandt.

Die Opfer sind häufig zwischen 30 und 49 Jahre (54 Prozent) alt, allerdings lässt sich laut Astat bei einer Analyse der Zeitreihe eine Zunahme des Anteils der jüngsten Frauen feststellen – im Jahr 2019 waren 26 Prozent der Frauen zwischen 20 und 29 Jahre alt.

Die Gewalt, vor allem psychischer und/oder körperlicher Art, tritt fast immer innerhalb der Familie auf. In fast zwei Drittel der Fälle (59 Prozent) ist der Täter derjenige, der mit der Frau zusammenlebt (Ehemann oder Lebensgefährte). In weiteren 23 Prozent der Fälle ist es der frühere Partner. Auch die Zahl der Väter, die ihre Töchter misshandeln, nimmt zu. Nur sehr selten sind die Täter Unbekannte.

In 54 Prozent der Fälle besitzt der Gewalttäter die italienische Staatsbürgerschaft.

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