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Virus im Heim

Foto: WK St. Ulrich

Angst vor dem Corona-Virus in Südtirols Seniorenwohnheimen: Einige Altersheime hat es mittlerweile wieder voll erwischt. Oswald Mair, Direktor im Verband der Südtiroler Seniorenwohnheime,zur aktuellen Infektionslage und dem Personalmangel.

In Südtirols Seniorenheimen grassiert wieder das Corona-Virus: Während bislang noch viele Seniorenwohnheime (SWH) von Infektionen verschont blieben, hat es andere Einrichtungen schwer getroffen.

Die höchste Anzahl an Heimbewohnernund Mitarbeiternmit einem positiven Test hat die Seniorenresidenz Don Bosco in Bozen zu verzeichnen: 39 Heimbewohner und 26 Mitarbeiter sind mit Covid-19 infiziert. Das Seniorenwohnheim hat aber landesweit mit 158 Plätzen die höchste Bettenanzahl. Im SWH Martinsheim in Mals, das über 80 Betten verfügt, wurden mittlerweile 30 Heimbewohner und 30 Pflegekräfte positiv getestet.

Im Seniorenwohnheim Algund sind von 45 Bewohnern 27 Senioren und neun Mitarbeiter positiv getestet worden.

Oswald Mair, Direktor im Verband der Südtiroler Seniorenwohnheime, über die aktuelle Situation.

TAGESZEITUNG Online: Herr Mair, wie sieht es in den Seniorenwohnheimen zurzeit aus?

Oswald Mair: Wir sind im Vergleich zum Frühjahr sehr viel besser vorbereitet. Wir haben damals als Krisenstab SWH alles unternommen,um die Seniorenwohnheime bestmöglich zu stützen und zu unterstützen und werden das jetzt erneut mit aller Kraft tun. Richtlinien und Verhaltensprotokolle wurden erarbeitet. Mitarbeiter und Heimbewohner wurden bisher fast alle zwei Wochen getestet und es wurden heiminterne Isolationsbetten geschaffen. Jeder symptomatische Heimbewohner wird sofort isoliert und getestet. Künftig sollen Angestellte und Bewohner wöchentlich getestet werden. Zudem wollen wir eine sehr gute Umfeldanalyse betreiben und jeden sofort testen, in dessen Umfeld ein positiver Fall aufgetreten ist: Ein Test hilft, um Klarheit und Sicherheit zu erhalten. Das Thema ist das Personal…

… das nun knapp wird?

Von den Mitarbeitern wird sehr viel verlangt. Für die meisten Außenstehenden ist es nicht vorstellbar, was unsere Pfleger leisten. Aber solange wir genügend Personal haben und die Dienste soweit decken können, dass die Heimbewohner gut begleitet und betreut sind, werden wir es stemmen können. Vor der Arbeit, die unsere Angestellten zurzeit leisten, ziehe ich jeden Tag meinen Hut. Das Problem entsteht dann, wenn plötzlich zu viele Pfleger aus Infektionsgründen ausfallen und wir die Betreuung nicht mehr ordnungsgemäß und fachgerecht erfüllen können. Wobei es immer und zentral auch um Sozialkompetenz und Empathie geht. Wir haben über unsere Netzwerke eine Mitarbeitersuche gestartet, wobei sich an die 100 Personen gemeldet haben.

Herrscht noch Personalknappheit?

Es ist in einigen Seniorenwohnheimen wirklich eng, aber bisher ist es gelungen, die Dienste in allen Heimen aufrechtzuerhalten. Auch und vor allem deshalb, weil die Mitarbeiter eine enorme Bereitschaft an den Tag legen und immer wieder einspringen, um Engpässe aufzufangen. Jeder Krankenpfleger, der uns für einige Tage vom Krankenhaus oder Territorium zur Verfügung gestellt wird, ist für uns eine große Unterstützung. Wir brauchen aber dringend weiteres Personal: Deshalb bitte ich alle Pflegekräfte, die derzeit nicht in ihrem Beruf, sondern in anderen Bereichen tätig sind, sich bei uns zu melden. Wenn wir ausreichend Mitarbeiter haben, dann werden wir auch diese Krise meistern. 

Hat man zum heutigen Stand schon ähnlich viele Infizierte in den Heimen wie im Frühjahr?

Noch sind wir bei diesen Zahlen nicht angelangt. Aber die zweite Welle dauert noch nicht so lange an. Viel hängt davon ab, wie wir als Gesellschaft reagieren und ob wir ein solidarisches Verhalten an den Tag legen und uns an die Regeln halten.

Die Heime haben schon im Frühjahr maßgeblich dazu beigetragen, dass das Gesundheitssystem aufrechterhalten werden konnte. Wir haben die positiv getesteten Senioren und pflegebedürftigen Menschen so lange selbst betreut, bis wir die Ausweichmöglichkeiten erhalten haben. Jetzt haben wir, wenn auch nicht in dem Ausmaß, wie wir sie benötigen würden, diese Ausweich- und Übergangsstrukturen in den Privatklinken von Beginn an. Sie sind uns eine sehr große Hilfe, gerade wenn plötzlich mehrere Mitarbeiter in einem Heim ausfallen.

Immer wieder wird die Forderung laut, dass die vulnerable Gruppe, also die Senioren, abgeschirmt werden soll…

 Das wäre absolut unmenschlich und verwerflich. Mit welchem Recht wird diese Forderung erhoben? Der Heimbewohner ist nicht ein Mensch zweiter Kategorie. Er hat dieselben Pflichten, aber auch dieselben Rechte wie alle anderen. Die Maßnahmen sind von allen Teilen der Gesellschaft gleich einzuhalten, unabhängig davon, ob im oder außerhalb vom Heim. Die Senioren in den Heimen haben maßgeblich dazu beigetragen, dass Südtirol das ist, was es heute ist. Sie haben den einzigen Wunsch, noch ein würdevolles Leben zu führen. Und dazu haben sie das Recht!

Gab es während der zweiten Welle schon viele Todesfälle in den Heimen?

Nein, das gab es bisher nicht. Aber wir sind erst am Beginn der zweiten Welle. Das Sterben – auch wenn man gerade in Corona-Zeiten nicht gerne darüber spricht– gehörtimSeniorenwohnheimzumLeben dazu. Es wird sich zeigen, ob es am Ende des heurigen Jahres im Vergleich zu anderen Jahren eine so große Übersterblichkeit in den Seniorenwohnheimen gibt, wie bislang angenommen.

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

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