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Die Annexion

Bittere Not, Ungewissheit und Zukunftsängste: Die schwierige Zeit nach dem Ende des Ersten Weltkrieges steht im Mittelpunkt einer im Vorjahr erschienen Publikation des Historikers Oswald Überegger.

Anlässlich der 100. Wiederkehr der Annexion Südtirols durch Italien im Oktober 1920 ist der Band „Im Schatten des Krieges“ im Rahmen des Euregio-Projekts Historegio nun auch in italienischer Sprache erschienen.

Nach jahrelangem Krieg war die österreichisch-italienische Front Anfang November 1918 zusammengebrochen. Mit Inkrafttreten des Waffenstillstandes zwischen Österreich-Ungarn und den Alliierten am 4. November 1918 schwiegen die Waffen endgültig. Damit endete der Erste Weltkrieg in Tirol. Das Kriegsende hinterließ eine Region im Chaos. Hunderttausende Soldaten strömten von der Front zurück in ihre Herkunftsländer. Zehntausende Tiroler befanden sich in diesen denkwürdigen Novembertagen noch als Soldaten an der Front oder als Kriegsgefangene im Gewahrsam der Alliierten. Und weitere Zehntausende Zivilpersonen, vor allem aus dem Trentino, erlebten das Kriegsende – freiwillig oder, in der Mehrheit, unfreiwillig – als Kriegsflüchtlinge, Evakuierte oder Internierte in der Diaspora fern der Heimat.

„In dieser enorm schwierigen Phase gesellschaftlicher und politischer Zerrüttung fiel auf der Pariser Friedenskonferenz die Entscheidung in der Tiroler Frage“, erinnert der Historiker und Autor Oswald Überegger, Direktor des Kompetenzzentrums für Regionalgeschichte der Freien Universität Bozen. Das Machtwort der Sieger besiegelte schließlich 1919 die Teilung Tirols. Südtirol fiel entsprechend den Bestimmungen des Vertrages von St. Germain an Italien. Am Brenner wurde eine Grenze gezogen, die bis heute für Diskussionsstoff sorgt.

Oswald Überegger rekonstruiert die entscheidenden Etappen der Geschichte dieses Umbruchs und veranschaulicht die Entstehung eines mitteleuropäischen Minderheitenproblems als Folge des Ersten Weltkriegs. Facettenreich analysiert das Buch auf über 270 Seiten die politischen, sozialen, ökonomischen und mentalen Entwicklungen in der Tiroler Nachkriegsgesellschaft. Es entsteht das lebendige Bild der wechselvollen und umkämpften Geschichte einer Region zwischen dem Ende des Ersten Weltkrieges und der Machtergreifung des italienischen Faschismus.

Das ursprünglich 2019 im renommierten deutschen Schöningh-Verlag erschienene Buch liegt nun auch in einer italienischsprachigen Fassung vor, die im römischen Verlag Carocci herausgekommen ist. Die Drucklegung wurde im Rahmen des regionalgeschichtlichen Forschungs- und VermittlungsprojektesHistoregio bewerkstelligt. Das Projekt wird von den Universitäten Bozen, Innsbruck und Trient in Zusammenarbeit mit der Euregio Tirol-Südtirol-Trentino durchgeführt. „Die Publikation, die sich mit einer zentralen Epoche des Wandels in der Region vor 100 Jahren beschäftigt“, so der Tiroler Landeshauptmann und Euregio-Präsident Günther Platter in seinem Vorwort zum Buch, „ist auch für das Verständnis des heutigen Tirols unerlässlich.“

Zum Buch:

All’ombra della guerra. Storia del Tirolo (1918-1920)

Studi Storici Carocci

Carocci editore, Roma, 2020

270 Seiten

 

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

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