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„Haben nichts zu verstecken“

Andi Gschleier

Der Biobauer Andi Gschleier aus Auer wirft den Pestizid-Gurus Bär & Schiebel vor, sie würden moderne Märchen verbreiten. Und er sagt: „Wir müssen dazu stehen, was wir tun. Kommt her und lest unsere Spritzhefte.“

TAGESZEITUNG Online: Herr Gschleier, als Biobauer müssten Sie eigentlich froh sein, dass sich das Umweltinstitut München gegen den Pestizideinsatz in der Obstwirtschaft einsetzt …

Andi Gschleier: Auch die biologische Landwirtschaft muss in vielen Bereichen auf Pestizide zurückgreifen. Die Diskussion ist zu wenig differenziert. Geht es dem Radfahrer besser, wenn ich im großen Stil alle Autofahrer schlechtrede? Ich als Radfahrer muss nämlich auch oft das Auto nehmen.

Sie schreiben auf Facebook: Die Bauern würden gegeneinander ausgespielt. Warum das?

Die Kommunikation des Umweltvereins München nutzt den guten Ruf der Biolandwirtschaft, um andere Bereiche der Landwirtschaft schlechtzureden. Rein wissenschaftlich gesehen sind die Unterschiede eines gut geführten integrierten Betriebes und eines guten Biobetriebes marginal. Man muss auch zugeben, dass – je nach Blickwinkel – jede Anbauform ihre Vor- und Nachteile hat. Uns Bauern gegeneinander auszuspielen, finde ich gemein. Eine ehrliche und nachhaltige Diskussion sieht anders aus. Ja, wir müssen die Landwirtschaft verändern. Aber bitte im respektvollen gegenseitigen Umgang.

Zuerst haben Bär und Schiebel darüber geklagt, der böse LR Schuler wolle sie in den Ruin treiben. Dann erschienen plötzlich ganzseitige Anzeigen der Pestizidgegner in den Tageszeitungen „la Repubblica“ und „La Stampa“. Waren Sie auch irritiert? 

Diese Anzeigen zeigen vor allem das Selbstverständnis der Umweltaktivisten. Viele ihrer Facebook-Beiträge sind gesponsert, um die Reichweite zu erhöhen. Prinzipiell finde ich die Medienarbeit des Vereins sehr professionell und auch hocheffizient. Die Frage, die mich umtreibt, ist: Für wen kämpfen sie und was wollen die Herren erreichen?

Eine Werbeseite in der Tageszeitung „la Repubblica“ kostet rund 20.000 Euro, in der „Stampa“ ungefähr genauso viel. Da das Umweltinstitut München, das in Wahrheit ein eingetragener Verein ist, fast ausschließlich von Spenden lebt, kann man ungestraft sagen: Da werden Spendengelder hergenommen, um sündteure Anzeigen zu schalten. Welches Spiel spielt das Münchner Umweltinstitut? 

Leider ist auch bei mir der Eindruck entstanden, dass der Prozess eine Bühne geworden ist für die Selbstdarstellung einiger weniger Herren unter dem Deckmantel eines öffentlichen Interesses. Das Friedensangebot von LR Schuler wäre eigentlich der Zeitpunkt gewesen, um klare Forderungen zu stellen …

Das haben Bär und Schiebel nicht getan. Sie sind stattdessen medienwirksam die Schiene: „Schuler und Südtirol sind schlimmer als Belarus und Lukaschenko“ gefahren …

Der Vorwurf der gefährdeten Meinungsfreiheit ist wirklich unterste Schublade. Ein derartiges Misstrauen gegenüber öffentlichen Institutionen und dem geltenden Recht, erinnert mich ein bisschen an die Argumentation einiger Verschwörungstheoretiker.

Sie, Herr Gschleier, sind selbst dem grün-liberalen Spektrum zuzuordnen. Warum stehen gerade die Grünen den mehr eigen- als gemeinnützigen Provokationen der Herren Bär und Schiebel so unkritisch gegenüber?

Weil die Argumentation für Außenstehende, die sich nicht direkt mit der Landwirtschaft beschäftigen, schlüssig wirkt. Ich verurteile niemanden, der auf diese einfache Argumentation von Gut gegen Böse hereinfällt. Aber wir als Gesellschaft müssen hellhörig sein, wenn es um die Konstruktion von Feindbildern geht. Heute ist es der Bauer, wen trifft es morgen?

Der Prozess Schuler/Bauern vs. Schiebel & Co. hat in den deutschen Medien für Furore gesorgt. Interessant ist, dass kein deutsches Medium die unsäglichen Sätze aus dem Schiebel-Buch vom angeblichen Kindersterben auf Südtirols Spielplätzen und den Vorwurf der vorsätzlichen Tötung in Richtung Südtiroler Obstbauern wiedergegeben hat …

Die Erzählung von Schiebel und Bär ist ein modernes Märchen. Märchen funktionieren nur, wenn die Fronten klar gezogen sind. Wann das Böse ein Gesicht bekommt: die Agrarlobby, die Apfel-Mafia, der skrupellose Landesrat – das sind die perfekten Akteure. Dies zu hinterfragen, würde aus dem Märchen eine einfache Story machen, die niemanden interessiert.

Wie groß, glauben Sie, ist der Imageschaden, der durch die Provokationen des Duos Bär & Schiebel entsteht?

Wir überschätzen diese beiden Herren. Der Imageschaden entsteht, weil wir nicht selbstbewusst genug auftreten. Die Apfelwirtschaft hat ihre Hausaufgaben gemacht. Ich will nicht ins Detail gehen, aber bitte, welcher Bereich der Landwirtschaft hat in den letzten Jahren so konsequent die Rückverfolgbarkeit, die Dokumentation aller Arbeitsschritte und das Monitoring aller Rückstände so konsequent verfolgt wie die Apfelwirtschaft in Südtirol?

Ohne Frage, wir müssen uns ständig weiterentwickeln, und oberste Priorität muss der Schutz unserer Umwelt sein. Aber nun braucht es eine ehrliche und direkte Kommunikation. Mit Mut. Wir müssen dazu stehen, was wir tun. Ja, wir spritzen. Kommt her und lest unsere Spritzhefte. Wir haben nichts zu verstecken.

Glauben Sie, dass die außergerichtliche Einigung zwischen LR Schuler und dem Umweltinstitut auch deswegen gescheitert ist, weil Bär und Schiebel den Prozess weiterhin als PR-Plattform für den Buchverkauf und als Spendenbeschaffungs-Vehikel nutzen wollen?

Ich denke nicht, dass die beiden Herren eine böswillige Absicht haben. Aber diese Plattform, die ihnen hier geboten wird, ist ein marketingtechnisches Rennpferd, das gut funktioniert. Wenn die Herren das Ganze nur als PR Gag sehen, kann es auch ziemlich in die Hose gehen. Nehmen wir an, die Beweise der Beklagten halten vor dem Richter nicht stand: Ist dann das Rechtsystem schlecht? Oder eine Weltverschwörung daran schuld?

Warum lässt sich die Debatte nicht auf eine sachliche Ebene herunterbrechen?

Weil Landwirtschaft einer starken Emotionalisierung unterliegt. Sie ist in der Vorstellung vieler eine Idylle, die es wahrscheinlich nie gegeben hat. Und wir Bauern reagieren auf jede Kritik sehr gereizt. Wir sind so eng mit unserer Arbeit verbunden, jeder Windstoß, jeder Hagelschlag kann die Arbeit eines ganzen Jahres vernichten. Wir haben keine Gewissheit, ob unser Einsatz am Ende des Jahres überhaupt Früchte trägt, deshalb sind wir manchmal etwas dünnhäutig.

Das Umweltinstitut München behauptet, der außergerichtliche Vergleich sei geplatzt, weil LR Schuler und die Bauern Bär und Schiebel dazu verpflichten wollten, ein Papier zu unterschreiben, in dem sie erklären, die von der Staatsanwaltschaft beschlagnahmten Spritzhefte nicht zu veröffentlichen. Was haben die Bauern zu verstecken?

Gar nichts. Das Gesetz und unsere eigenen Regeln verlangen von uns die Offenlegung aller unserer Arbeitsschritte. Hier gibt es sicher noch Luft nach oben, aber auch wir sind fehlbar, und ich würde mir mehr Verständnis erhoffen, wenn wir nicht in allen Punkten immer perfekt sind. Eine unterstützende, wertschätzende Diskussionskultur, die uns Bauern in der Entwicklung begleitet, wäre hier wertvoller als die Haudrauf-Taktik.

Kinder würden auf Spielplätzen vergiftet, die Obstbauern nähmen den Tod von Menschen in Kauf: Diese Anschuldigungen sind im Schiebel-Buch enthalten. Viele Obstbauern fühlten sich durch diese Aussagen menschlich verletzt. Können Sie das nachvollziehen?

Ja. Weil der Bauer mit seinem Beruf sehr verwachsen ist. Der Bauer überlegt sich genau, was er tut. Dazu verwendet er die zugelassenen Mittel. Eine einzige verpatzte Pflanzenschutzbehandlung kann die gesamte Ernte aufs Spiel setzen. Wir Bauern bewirtschaften Kulturpflanzen, das heißt: alle unsere Produkte wachsen auf Pflanzen, die ohne den Bauern nicht überlebensfähig wären. Der Bauer arbeitet nach bestem Wissen und Gewissen. Hier wurde der Adressat verfehlt. Nicht der Bauer, sondern das System produziert Nebenwirkungen. Zum Glück gibt es keine böse Weltregierung, die unser System lenkt. Das Wirtschaftssystem beeinflussen wir alle. Deshalb finde ich es bedenklich, wenn einzelne Feindbilder dafür herhalten müssen. Hier müssen wir gemeinsam in eine Richtung arbeiten.

Es wird zu keiner außergerichtlichen Einigung kommen. Wie soll es jetzt weitergehen?

Der Prozess ist ein Nebenschauplatz. Wir Obstbauern müssen selbstbewusster werden. Das heißt aber, dass wir uns offener den Diskussionen stellen und unsere Anbauweise hinterfragen müssen. Wir müssen einen Weg gehen, der auch von der Gesellschaft mitgetragen wird. Eine Landwirtschaft, die uns allen Freude macht. Dazu brauchen wir einen gesellschaftlichen Dialog, der sich auf Fakten basiert und eine Vision, die in der Praxis umsetzbar ist. Hier haben wir Bauern jetzt auch eine Bringschuld.

War es von LR Schuler klug, Schiebel und Bär zu klagen?

Ich persönlich hätte es nicht getan, man hat den Herren eine Bühne geboten, die ihnen nicht zusteht. Aber als oberster Vertreter der Südtiroler Bauern musste er wohl handeln. Eine Klage einzureichen, ist ein legitimes Mittel. Und Schuler hat sich schützend vor seine Bauern gestellt. 

Interview: Artur Oberhofer

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (14)

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  • criticus

    Herr Gschleier, sie meinen doch nicht die „landwirtschaftlichen Märchenhefte“, passens auf, dass die Herren aus München nicht die Eintragungen lt. Giftpass kontrollieren, denn das sind dann keine Märchenhefte. Spritzmitteleinkäufe werde nochmals registriert, nicht nur auf Lieferscheine. Nehmen Sie ihre Gegner immer ernst und machen Sie nicht die Fehler die ein Schuler gemacht hat.

  • prof

    @criticus
    Herr Gschleier ist Bio Bauer und er sagt genau das was Sache ist.
    Die beiden Oberschlauen Bär und Schiebel sollen in Deutschland dort prüfen wie die Bauern mit Pestiziden umgehen.

  • bernhart

    Herr Gschleier super Beitrag, ich hoffe der Bericht wird von vielen gelesen, die Leute sollen sich selbst ein Bild machen, ich habe immer gesagt und geschrieben die 2 Super Schlaue bringen nur Unfrieden, aber leider sind wir selbst Schuld BM Veith der Pillendreher und der Viehdokt von Mals haben diese Pestizdrebellen ins land geholt.
    Ich wünsche den Bauern viel Kraft für Ihre weitere Arbeit.
    Ohne Landwirtschaft geht es nicht,denn der Bauer pflegt und schützt die Landschaft.

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