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So geht Integration

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Mehr Sozialwohnungen für Flüchtlinge, Informationen in der Muttersprache für Eltern von Einwanderer-Kindern und die politische Einbindung von Migranten: Die Eurac zeigt der Politik neue Wege auf, wie ein buntes Südtirol funktionieren kann.

von Markus Rufin

Knapp 100 Seiten umfasst der von Eurac Research erarbeitet und gestern vorgestellte Migrationsreport Südtirol.

Über zwei Jahre lang haben rund 30 Experten am  interdisziplinären Bericht mitgearbeitet. Das heißt, der Bericht betrachtet das Thema Migration aus verschiedenen Blickwinkeln. Unter anderem wird das Thema unter dem Aspekt der Politikwissenschaft, der Sprachwissenschaft, der Biologie, der Rechtswissenschaften und der Religionswissenschaft beleuchtet. Dazu wurden unter anderem auch zahlreiche Interviews geführt.

Der Bericht beschäftigt sich nicht nur mit Immigration, sondern auch mit Binnenmigration in Südtirol und Emigration, also Personen, die aus Südtirol wegziehen.

Laut Projektleiterin Johanna Mitterhofer sei die zentrale Frage des Berichtes, wer überhaupt ein Migrant ist? Der Bericht soll insbesondere Schulen und politischen Entscheidungsträgern helfen und als eine Art Ratgeber dienen.

TAGESZEITUNG Online stellt die wichtigsten Punkte und Daten des Reports vor.

Herkunft der Migranten

Laut der Volkszählung 2019 leben 51.509 Ausländer in Südtirol. Davon kommen 32,4 Prozent aus anderen EU-Länder, 30,7 Prozent kommen aus Nicht-EU-Ländern, während 18,6 Prozent aus Asien kommen. Aus afrikanischen Ländern kommen nur 14,1 Prozent der ausländischen Bevölkerung. 4,2 Prozent kommen aus Amerika und Ozeanien.

Die meisten Ausländer (11,4 Prozent) kommen aus Albanien, gefolgt von Deutschland (8,9 Prozent), Pakistan (7,2 Prozent), Marokko (7 Prozent) und Rumänien (6,6 Prozent).

Religion

Die religiöse Vielfalt nimmt in Südtirol deutlich zu. 90 Prozent der Bevölkerung bekennen sich zum Katholizismus. Welcher Konfession Ausländer angehören, kann in Südtriol nur geschätzt werden, allerdings gibt es Daten dazu für die Region Trentino Südtirol, die die Schätzung bestätigen: Demnach sind 48.000 Personen Christen, wovon der größte Teil mit 30.000 Personen die orthodoxen sind, 17.000 Personen mit Migrationshintergrund erklären, katholisch zu sein. 33.000 Personen gaben an, muslimisch zu sein.

Zusammenleben

Laut einer ASTAT-Studie bewerten 80 Prozent der Südtiroler Bevölkerung das Zusammenleben verschiedener Sprachgruppen als „gut“oder „zufriedenstellend“, 13 Prozent bewerten es als „mangelhaft“oder „ungenügend“. Bei einer Befragung in Brixen gaben 42 Prozent dagegen an, dass das Zusammenleben zwischen Menschen mit und ohne Migrationshintergrund „schlecht“sei, zehn Prozent bewerteten es sogar als „sehr schlecht“.

Gesellschaft

Der Report rät zu einer Einführung einer „Regionalbürgerschaft“. Diese beruhe auf einer gemeinsamen Identifikation. So werde ein Bewusstsein geschaffen, dass Menschen mit Migrationshintergrund fester Bestandteil der Gesellschaft sind.

Die Förderung der gesellschaftlichen Vielfalt sei ebenso von Bedeutung um globale Herausforderungen zu meistern.

Der Report rät außerdem dazu, den Zugang zur italienischen Staatsbürgerschaft zu fördern. Besonders für die zweite und dritte Generation sei das wichtig.

Um Rassismus einzuschränken sei die Einrichtung einer Antidiskriminierungsstelle wichtig, der Zugang zu finanziellen Sozialleistungen müsse von den tatsächlichen wirtschaftlichen Umständen abhängig sein, ohne Sprach- und Interrationskurse belegen zu müssen.

Bildung und Migration

Die Bildungslandschaft verändert sich durch Migration. Im Schuljahr 2018/19 hatten 13 Prozent der Grundschüler, 12 Prozent der Mittelschüler und 9 Prozent der Oberschüler einen Migrationshintergrund. Mehr als die Hälfte davon wurde in Italien geboren und gehört somit der zweiten Generation an. Der Ratgeber kritisiert, dass insbesondere die sprachliche Vielfalt zu wenig genützt wird. Sprachen, die wichtig für die „Märkte der Zukunft“seien, sind in Südtirols Klassen zwar vorhanden, werden aber nicht gefördert.

Außerdem soll die Kommunikation mit den Eltern gestärkt werden. Eltern mit Migrationshintergrund sollten bei Bedarf Informationen in ihrer jeweiligen Sprache erhalten.

Unternehmen sollten besser darüber informiert werden, dass Bürger mit Migrationshintergrund durch ihre Mehrsprachigkeit und ihren Auslandserfahrungen „wertvolle Ressourcen“darstellen.

Wohnen

Auf dem privaten Wohnungsmarkt haben Zugezogene es schwer. Die ehemaligen SPRAR-Projekte werden in Zusammenhang mit der Unterbringung von Asylanten lobend erwähnt.

Empfohlen wird unter anderem die finanzielle Unterstützung des Projektes Personal Tutoring, mit dem Flüchtlinge nach Ablauf ihrer Zeit in Aufnahmezentren bei der Arbeits- und Wohnungssuche unterstützt werden.

Beim sozialen Wohnbau gehe es vor allem darum, die Bedürfnisse der „neuen Mitbürger“zu fördern. Besonders Flüchtlinge, die aus den Aufnahmezentren entlassen wurden, sollte Aufmerksamkeit gegeben werden.

Gesundheit

Migranten fehlt dem Report zu Folge häufig eine angemessene psychische Betreuung, obwohl sie häufig aufgrund ihrer Flucht traumatisiert seien. Meist sei die fehlende sprachliche Verständigung daran Schuld. Der Report schlägt deshalb vor, Menschen mit Migrationshintergrund eine Ausbildung in Kulturmediation anzubieten, damit diese dann ihre Sprach- und Kulturkenntnisse im Gesundheitssystem einsetzen können.

Solidarität müsse besonders im Gesundheitssystem der Grundsatz politischen Handelns sein.

Arbeit

Die Arbeitssuche ist einer der Hauptgründe für Migration. In Südtirol waren 2019 14,5 Prozent der Beschäftigten ohne italienische Staatsbürgerschaft. Etwa die Hälfte davon kommt aus der EU, vorwiegend aus Rumänien, der Slowakei und Deutschland. Außerhalb der EU sind Albanien, Pakistan und Marokko die wichtigsten Herkunftsländer.

Südtirol leidet auch unter dem sogenannten Brain-Drain, also der Abwanderung qualifizierter Arbeitskräfte. 2015 verließen 1.500 Personen Südtirol, zwei Drittel davon, hatten einen Universitätsabschluss. Auch wenn mehr Menschen zu- als abwandern, so wandern Akademiker eher aus Südtirol ab, als sie zuwandern.

Um dem Brain-Drain entgegenzuwirken müssen vor allem die Lebenserhaltungskosten gesenkt werden.

Zwar sei die Erwerbsbeteiligung in Südtirol sehr hoch, dennoch könne die Beteiligung benachteiligter Gruppen erhöht werden. Dabei müsse man insbesondere auf qualifizierte Fachkräfte aus dem Ausland setzen.

Bei saisonalen Engpässen solle man die Möglichkeit prüfen, Abkommen mit Nicht-EU-Ländern abzuschließen, um diese zu überbrücken.

Die Anerkennung ausländischer Studientitel sollte erleichtert werden, außerdem müssen Studierende schneller in den Arbeitsmarkt eingebunden werden.

Wichtig ist auch, sich mit Fragen zur Integration am Arbeitsplatz zu beschäftigen. Menschen mit Migrationshintergrund sollten als Teil der regionalen Realität und Gesellschaft angenommen werden.

Integrationspolitik

Der Report kritisiert zumindest indirekt die Integrationspolitik der SVP, der Freiheitlichen und der Süd-Tiroler Freiheit. Sie stellen Immigration als Bedrohung für den Minderheitenschutz dar, dabei gerate in Hintergrund, dass ausländische Arbeitskräfte in Südtirol gebraucht werden.

Menschen mit Migrationshintergrund sollten stärker in die politische Entscheidungsfindung einbezogen werden. Außerdem sollten Menschen mit Migrationshintergrund stärker in etablierten Parteien eingebunden werden, um die Bildung „ethnischer Parteien“zur Vertretung dieser Wählergruppe zu verhindern.

Die politischen Akteure der Integrationspolitik sollten stärker zusammenarbeiten, um Maßnahmen zur Aufnahme und Integration zu verbessern.

 

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Kommentare (21)

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  • hallihallo

    erst erhalten wir hochbezahlte , studierte personen , damit die sich die zeit vertreiben, wie integration funktionieren „kann“. sollte es nicht funktionieren, sie diese schon wieder weg oder sagen einfach wir haben ja „kann “ gesagt.
    im artikel steht nur viel von fördern, fördern, fördern.
    wollen wir das? viele ausländer haben sich ja angesiedelt, weil es ihnen wir ja gut geht und besser als in vielen anderen orten.
    einerseits will man südtirol nicht noch mehr verbauen, andererseits will man zuwanderung fördern. das paßt woll alles nicht zusammen.

  • heinz

    Interessante Aspekte zur Integration. Südtirol hat in diesem Punkt sicher noch Aufholbedarf.
    In vielen Staaten Europas sind die Geburtenraten derart tief, dass Europa ohne Migration über kurz oder lang am Ende wäre.

    • rumer

      @heinz
      Europa wäre nicht am Ende. Im Gegenteil, wir hätten weniger Wohnungsbedarf, bessere Umweltbedingungen usw.
      Die jungen männlichen Moslems werden in Nordafrika bei ihren Familien gebraucht. Es ist unverantwortlich, diese nach Europa zu ziehen.

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