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Nobelpreisträgerin Swetlana Alexijewitsch

Die Nobelpreisträgerin Swetlana Alexijewitsch ist per Skype bei den Literaturtagen Lana anwesend (Foto: Hanser Berlin)

Die Literaturtage Lana gehen in ihrer 35. Ausgabe erneut der Gedächtniskultur nach. Mit renommierten Schriftstellerinnen stellen sie Fragen der Geschichtserzählung und der Rekonstruktion von Vergangenheit, in der sich Fiktion und Faktum immer mischen. 

 Wie wir uns an das und jenes erinnern und wie wir erzählen, wie es war, als das und jenes passierte, geht uns oft leicht über die Lippen. Dabei wird das Erzählte, das wir erinnernd in die Gegenwart hereinholen, erst durch ein komplexes Zusammenspiel zu einem vergangenen Ereignis. Es kommt dabei unsere Erfahrung und Wahrnehmung ins Spiel, es spielt Erfindung herein, Deutung und Wissen, es wirken Wunsch, Absicht und Vergessen. Was wir erinnern, ist immer auch das, was wir erinnern wollen und aus der Gegenwart heraus sehen und in die Vergangenheit zurückschauen.

Das ist dann auch die Leistung, die wir kulturell und gesellschaftlich erbringen und die uns möglich ist, um zu erfahren, woher wir kommen und was das, was wir erfahren haben, mit uns tut. Dabei gehen wir davon aus, dass historische Ereignisse und Wunden gespeichert sind und dass wir sie anerkennen oder vergessen können, dass wir sie brauchen oder missbrauchen können, und dass wir sie verwandeln, wenn wir sie zum Gedenken und Gedächtnis machen.

Die 35. Literaturtage Lana ziehen in einer Video-Übertragung mit Swetlana Alexijewitsch, Erfahrungen von Menschen literarisch heran, die in Bruchstücken Leid und Schrecken erzählen. Die große weißrussische Chronistin sammelt unzählige Stimmen von Zeugen und vereint sie zu einem Chor, der die erfahrene Geschichte als Wahrheit behaupten kann. In einem Gespräch gibt die Nobelpreisträgerin von 2015 über Literatur und Geschichte Auskunft.

Auf Entdeckungs- und Enthüllungsreise in eine deutsche, auch familiär belastete Vergangenheit begibt sich die deutsch-französische Schriftstellerin Anne Weber, die derzeit auf der Longlist des deutschen Buchpreises steht. Sie stützt sich in dem Roman „Ahnen“ auf Recherche und Erzählung, die zu persönlicher Beklommenheit ebenso wie zu literarischer Demut führt.

Wie eine Macht der Gegenwart auf heimtückische Weise Erinnerung nach und nach zerstört und versucht, alle Spuren der Geschichte zu löschen, erzählt die Französin Cécile Wajsbrot in traumartiger, dunkler Ahnung von Zukünftigem.

Géraldine Schwarz schreibt mit „Die Gedächtnislosen“ europäische Geschichte. Ihre These: Die rechtspopulistischen Strömungen in Europa lassen sich damit erklären, wie der Kontinent nach dem letzten großen Krieg sich mit seiner Geschichte auseinandergesetzt hat. Zur Veranschaulichung verknüpft die Autorin ihre Familiengeschichte mit der großen Geschichte und stellt dazu reiches Quellenmaterial in aufschlussreiche Zusammenhänge.

Der Erinnerung widmet die vielfach ausgezeichnete Schriftstellerin und Übersetzerin Esther Kinsky ihren neuen Gedichtband „Schiefern“. Die bizarre Insellandschaft vor der Westküste Schottlands wird ihr zur Metapher der Trümmer und gefluteten menschlichen Steinbrüche.

Ein Blick auf Polen fällt zum einen mit der Lektüre eines Klassikers, mit Miron Białoszewski. Er war 21 Jahre alt, als er am 1. August 1944 das Haus in der Warschauer Innenstadt verließ, um seiner Mutter Brot zu besorgen und mitten hineingeriet in das heroischste und tragischste Kapitel der polnischen Geschichte. „Erinnerungen aus dem Warschauer Aufstand“ zeigt die menschliche Brutalität der Grausamkeit und die Ermordung einer Stadt.

Magdalena Tulli ist die zweite große Stimme Polens. Sie gehört gegenwärtig zu den bedeutendsten Schriftstellerinnen des Landes, deren Literatur immer autobiografische Züge enthält. Tochter einer Überlebenden von Auschwitz, schreibt sie von einer tiefen, dem Menschen innewohnenden Traurigkeit, seiner Verlorenheit in einer Welt zwischen Tradition und Moderne, der durch herkömmliches Erzählen nicht beizukommen ist.

Die Literaturtage Lana finden im Raiffeisenhaus Lana, Andreas-Hofer-Straße 9, statt. Um Anmeldung wird gebeten.

PROGRAMM

 Montag, 24. August 2020, Eröffnung

 20.00: Begrüßung: LR Philipp Achammer, BM Dr. Harald Stauder, Präsident Prof. Elmar Locher

Swetlana Alexijewitsch: Die letzten Zeugen (Hanser Berlin 2014) Gespräch: Martin Pollack (Übersetzung: Claudia Zander) Aufgrund der aktuellen Reisebestimmungen ist Swetlana Alexijewitsch über Skype präsent.

Dienstag, 25. August 2020

18.00: Anne Weber: Ahnen. Ein Zeitreisetagebuch (Luchterhand 2015)

Einführung und Gespräch: Sabine Mayr

19.00: Cécile Wajsbrot: Zerstörung (Wallstein Verlag 2020)

Einführung und Gespräch: Anne Weber

20.30: Géraldine Schwarz: Die Gedächtnislosen. Erinnerungen einer Europäerin (Secession Verlag für Literatur, 2018)

Einführung und Gespräch: Klaus Hartig

Mittwoch, 26. August 2020

 18.00: Esther Kinsky: Schiefern (Suhrkamp 2020)

Einführung: Christine Vescoli

19.00: Miron Białoszewski: Erinnerungen aus dem Warschauer Aufstand (Aus dem Polnischen und mit einem Nachwort von Esther Kinksy. Suhrkamp 2019)

Einführung und Lesung: Esther Kinsky

20.00: Magdalena Tulli: Träume und Steine

Übersetzung und Gespräch: Esther Kinsky

 

 

 

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