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„Uralte Wut“

Paolo Zoni und Rita Pissarotti (Foto: Gazzetta di Parma)

Warum Paolo Zoni vor zwei Jahren in einer Pension in St. Christina seine Ehefrau ermordet hat. Und warum er „nur“ acht Jahre Haft erhielt.

 Von Thomas Vikoler

Acht Jahre Haft für einen Mord an der Ehefrau. Ein derart niedriges Strafmaß wird es bei Mordfällen in Italien wohl nicht mehr geben. Seit Mai 2019 ist ein verkürztes Verfahren mit einem Drittel Strafnachlass in der Strafprozessordnung nicht mehr vorgesehen. Des Mordes Angeklagte müssen zwangsläufig vor ein Schwurgericht – ohne Haftskonto wegen des Ritus.

In dieser Hinsicht hatte Paolo Zoni, 66, Glück. Er hat seine Ehefrau Rita Pissarotti am 14. August 2018 in einem Residence in St. Christina (auf Gemeindegebiet von St. Ulrich) ermordet. Mit einem 15 Zentimeter langen Messer, mit dem er 20 Mal zustach – um es anschließend zu putzen und sich auf die Fahrt in Richtung Parma zu machen, wo das Ehepaar lebte.

Die Carabinieri stoppten den Rentner in der Nähe der der Autobahneinfahrt Bozen Nord.

Am 5. März dieses Jahres wurde Zoni von Vorverhandlungsrichter Walter Pelino am Bozner Landesgericht zu den erwähnten acht Jahren Haft verurteilt.

Er profitierte dabei – neben dem Haftskonto wegen des verkürzten Verfahrens – von der Zuerkennung von allgemein mildernden Umständen und der Einstufung als zum Tatzeitpunkt beschränkt zurechnungsfähig.

Der Psychiater Eraldo Mancioppi hatte bei Zoni im Rahmen eines Beweissicherungsverfahrens eine schwere Persönlichkeitsstörung diagnostiziert. Nämlich eine passiv-aggressive Persönlichkeitsstörung, die sich in Form von Erkenntnisdefiziten in Stress-Situationen, in einem Ausfall der Impulskontrolle und in Spielsucht ausdrücke.

Letztlich stieß der Gutachter bei dem Angeklagten auf eine „uralte Wut“, die er nie ausagiert habe – bis zum Mord an der Ehefrau während des Gröden-Urlaubes.

Mancioppi stellte zudem fest, dass Zoni nicht gemeingefährlich ist. Was ihm nach Absitzen der Strafe bis zu einem Limit von vier Jahren (also in zwei Jahren) vor einem Aufenthalt in einer psychiatrischen Einrichtung bewahrt. Derzeit befindet sich der 66-Jährige in einem Heim namens „Casa Madre della Riconcilione“ in Saludecio.

Warum hat der Rentner, der bis zu seiner Pensionierung für eine Umzugsfirma arbeitete, seine Frau umgebracht?

Als Anlass für den Mord wird in der Urteilsbegründung ein Streit über finanzielle Probleme genannt. Das Ehepaar war praktisch zahlungsunfähig, das Geld hätte nicht für die Begleichung der Hotelrechnung gereicht. Am Tag vor dem Mord hatte Zoni mit der Bank telefoniert, das Konto stand mit 800 Euro im Minus.

Das stand offenbar in Zusammenhang mit Zonis Spielsucht. Von Verwandten hatte sich das Ehepaar zuvor wegen wiederholter finanzieller Engpässe 10.000 Euro geliehen, Rita Pissarotti soll in den Jahren zuvor zwei Wohnungen aus ihrem Eigentum verkauft haben.

Der Leichnam der Frau, welche die Verirrungen ihres Mannes offenbar stoisch ertrug, wurde von den Eigentümern des Appartementhotels beim Blumengießen in der Küche von Wohnung Nr. 203 gefunden.

Bemerkenswert ist, dass die einzige Angehörige des Ehepaares, eine gleichaltrige Cousine der Ermordeten, im Strafverfahren als Zivilpartei vertreten war. Ihr Anwalt forderte bei der Schlussverhandlung eine Anzahlung von 100.000 Euro Schmerzensgeld und begründete dies u.a. mit bei ihr aufgetretenen Depressionen nach dem Mord an der Cousine.

Richter Walter Pelino ließ sich davon aber nicht beeindrucken. Er sprach der Nebenklägerin ein Schmerzensgeld von 3.000 Euro zu. Glück für Zoni.

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