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„Geat net, gibs net“

Jan Gasperi: Die schlechte Nachricht: wir haben bereits die Mitteilung erhalten, dass wir im nächsten Jahr mitunter auch mit deutlichen Subventionskürzungen rechnen müssen.

Fatalismus und das Prinzip Hoffnung: Jan Gasperi, zusammen mit Christine Lasta neuer Leiter des  Stadttheater Bruneck über die Herausforderungen in Covid-Zeiten und drohende Subventionskürzungen.

Tageszeitung: Herr Gasperi, Sie sind mehr oder weniger in dem Theater aufgewachsen, das Sie jetzt zusammen mit Christine Lasta übernehmen. Ich nehme an, Sie kennen jede Schraube im Stadttheater.

Jan Gasperi: Aber natürlich. In 25 Jahren Stadttheater Bruneck habe ich nicht nur tausende Schrauben in Wände, Bühnenboden und Bühnenbilder geschraubt, sondern auch alle unsere über 180 Eigenproduktionen betreut und mit ganz, ganz wenigen Ausnahmen war ich auch bei all unseren Gastveranstaltungen, Kabarettabenden, Lesungen und Konzerten dabei. Bei allen 110 Tourneespielorten, an denen das Stadttheater Bruneck gastiert hat, habe ich nur drei oder viel mal gefehlt. Ich glaube behaupten zu können, dass ich mich im Stadttheater Bruneck blind bewegen kann, ohne irgendwo anzustoßen.

War Ihnen immer klar, dass Sie ein Theatermensch wie Ihr Vater sind?

Nein. Je länger ich im Theater tätig war, umso mehr wurde ich zu einem. Ins Theater bin ich durch meinen Vater Klaus gerutscht. Anstatt für die Matura zu lernen, habe ich mitgeholfen unsere erste Spielstätte – das damalige „Theater im Pub“ – aus einem Speisesaal in einen Theatersaal umzubauen und seit der ersten Produktion „Ab Jetzt“ 1994 bin ich bei der Beleuchtung hängen geblieben, die mich heute noch fasziniert.

Bleibt Ihr Vater Klaus Gasperi die graue Eminenz im Hintergrund oder ist die Nabelschnur durchtrennt?

Klaus wird immer die graue Eminenz im Hintergrund bleiben, die Nabelschnur zu kappen wäre absolut falsch – es wird immer auch „sein Theater“ bleiben.  Aktiv mischt er sich nicht mehr ein. Christine und ich werden manch Altes beibehalten, aber wir werden auch neue Wege gehen. Einiges wird sich ändern, nicht nur künstlerisch, auch organisatorisch. Klaus wird sicher immer für den einen oder anderen Ratschlag oder aber einen Kontakt zu haben sein und hoffentlich wird er uns auch weiterhin ab und zu zum Vormittagskaffee einladen.

Sich nie unterkriegen lassen war die Devise Ihres Vaters. Wie lautet Ihre?

Wenn ich etwas in 25 Jahre Stadttheater Bruneck gelernt habe dann: „Geat net, gibs net.“ Und gerade damit habe ich eine Hassliebe. Wir haben in den letzten Jahren bewiesen, dass wir teilweise mit ganz wenigen Mitteln im Stande waren auch gutes Theater zu produzieren. Und irgendwie habe ich immer das Gefühl, dass wir gerade dadurch nicht die finanzielle Förderung seitens der öffentlichen Hand kriegen wie wir sie eigentlich verdient hätten.

Wie ist Ihre Rolle im Leitungsteam genau definiert?

Ich bin überzeugt, dass in der heutigen Zeit Teamarbeit immer wichtiger wird. Einzelkämpfer haben es heute nicht mehr so leicht wie noch vielleicht vor 20, 30 Jahren. Heute ein Theaterstück zu produzieren, kann man mit unserer allerersten Produktion im Jahr 1994 nicht vergleichen. Es hat sich gar einiges geändert, vor allem im organisatorisch finanziellen Bereich. Die immer größer werdende Bürokratie und die immer höher steigenden Fixkosten lassen einem heute wenig Platz zum Atmen. Darunter leidet leider die künstlerische Tätigkeit.
Meine Rolle wird auch weiterhin die technische Leitung bleiben, ich wollte es so. Christine, die seit diesem Monat offiziell die künstlerische Leitung inne hat, werde ich durch meine Kontakte und jahrelange Erfahrungen unterstützen. Sie wird Neues in die Wege leiten und ich Altes aufrechterhalten. Unterstützt werden wir von unserer langjährigen Mitarbeiterin Sabine und einer sehr engagierten Präsidentin.

Welches Gefühl überwiegt im gegenwärtigen Krisenmoment? Fatalismus oder das Prinzip Hoffnung?

Beides. Der Lockdown war eine logische Notwendigkeit, den man zum Reflektieren genutzt hat, um wieder gestärkt durchstarten zu können. Hoffnung, dass die Gesellschaft, allem voran die Politik versteht, wie wichtig Kultur und Bildung sind. Gerade in dieser aktuellen Zeit müsste die Politik verstärkt Maßnahmen ergreifen, um Kultur zu fördern und nicht nur in die Wirtschaft und Tourismus investieren. Kultur ist maßgeblich für die Lebensqualität eines Ortes, einer Stadt mitverantwortlich.

Die verfügbaren Plätze sind bei derzeitigem Stand halbiert. Wie lange kann das Stadttheater damit überleben?

Eigentlich nicht sehr lange. Die Proben sind angelaufen und ab Herbst starten wir wieder mit den Aufführungen. Produktionen mit großem Ensemble wird’s in der nächsten Spielzeit keine geben, leider. Aber jetzt schon schwarz zu sehen, ist auch nicht richtig. Hoffen wir, dass eine zweite Welle und ein erneuter Lockdown ausbleibt und wir im Frühjahr nicht nur vor 30 Zuschauern spielen, sondern vor einem vollen Theatersaal.

Ein Theater ist ein radikal soziales Gebilde. Wie steht es um die Brunecker Solidarität mit dem Stadttheater in dieser Notzeit? Spürt man einen Hunger nach Theater?

Natürlich spürt man den Hunger nach Theater. Es gibt immer wieder Nachfragen, wann es bei uns wieder losgeht. Hoffentlich ist das Publikum bis zu unserer ersten Premiere Anfang Oktober nicht kulturentwöhnt.

In der Öffnungsdebatte gab es einen ziemlich brutalen Wettbewerb, welcher Wirtschaftszweig zuerst wieder aufsperren darf. Die Theater und Kunstorte standen dabei auf ziemlich verlorenem Posten. Wie ist der Stand der Dinge bei den versprochenen finanziellen Hilfen von Seiten der Politik?

Die Veranstaltungsbranche wurden hart vom Lockdown getroffen, härter als so mach anderer Wirtschaftszweig. Wir als Theaterproduzenten mussten zwei bereits bezahlte Theaterproduktionen, welche bei unseren Koproduzenten in Dresden und Wien erfolgreich aufgeführt wurden, absagen. Wir waren die Ersten die Schließen mussten und wir sind mitunter die Letzen, die öffnen. Wir können zwar getätigte Ausgaben für die abgesagten Aufführungen im Rahmen unserer zugesagten finanziellen Förderung geltend machen, dadurch wird aber nur ein Teil unseres Schadens abgefedert. Das ist die gute Nachricht. Die schlechte, wir haben bereits die Mitteilung erhalten, dass wir im nächsten Jahr mitunter auch mit deutlichen Subventionskürzungen rechnen müssen. Der Wirtschaft und dem Tourismus wird mit Millionen unter die Arme gegriffen, der Kultur werden die eh schon viel zu knappen Finanzierungen gekürzt. Uns professionellen Kultur- und Theatertreibenden fehlt einfach eine starke Lobby.

Interview: Heinrich Schwazer

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