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Der Herr Dekan

In dieser Woche ist der ehemalige Bozner Dekan Johannes Noisternigg verstorben. Ein Nachruf von Arnold Tribus.

Die Nachricht von seinem plötzlichen Tode hat nicht nur mich, sondern gar viele BoznerInnen sehr traurig gestimmt, weil er eine vertraute Persönlichkeit der Stadt war, die man gerne traf und mit der man auch gerne einen Ratscher machte.

Es war die Höflichkeit des Herzens, die er ausstrahlte, die so viele Menschen und Gläubige einnahm.

Er ist für uns alle der Herr Dekan geblieben, (ohne dem neuen, klugen und tüchtigen was zu nehmen), weil er der alten Propstei ein bisschen alten Glanz zurückgegeben hat, die Würde und auch den Stolz, der ihr zusteht. Er war reich an großen Eigenschaften. Sein gedankenzerwühltes und gütevolles Antlitz war geadelt von seiner unablässigen, reinen Bemühtheit: Für „seine“ Kinder, für die Familien, die Kolpingbrüder, die Malteser-Ritter, di Vinzenzbrüder, die Behinderten, für alle Blinden, Lahmen und Stummen aus dem Matthäus-Evangelium,und letzthin waren ihm die Dementen ein großes Anliegen, sagte er mir beim letzten Treffen, sie seien doch so dankbar für jedes nette Wort, für eine Hand, für ein Sakrament.

Er war aber auch ein Freund der Kunst, allem Schönen und Edelnzugetan. Liebevoll hatte er Anteil an den Problemen. Es gehe ihm um den Menschen, sagte er, man musste kein Hostienfresser sein, um in den Genuss seiner Zuneigung zu kommen. Er war von erfrischender und überzeugter Glaubensstärke und hat vielen Boznern das Glauben leichter gemacht und den einen oder anderen davon abhalten der Kirche den Rücken zu kehren.

Er hatte auch ein Verständnis für getrennte Paare und verweigerte auch neuen Partnerschaften nicht seinen Segen, gegen den Willen der Amtskirche. Er war ein Mann von soliden Grundsätzen, ein Glaubensvermittler, ein Seelsorger im edelsten Sinne des Wortes, ein Seelenflüsterer, nicht muffig und frustriert, sondern belebend und rege, aufgeschlossen und auch kritisch.

Der Mensch war Gegenstand seiner Liebe und Sorge, seines Kummers und seiner unendlichen Zärtlichkeit. Vielleicht war es gerade diese antidogmatische, ganz unmittelbare  Frömmigkeit, die dem menschlichen Bedürfnis so vieler Menschen entgegenkam und der er so viel Geliebtwerden in Stadt und Land zu verdanken hatte. Johannes Noisternigg hat immer wieder in rührenden und bewegten Gefühlen von seiner behüteten Kindheit in Meran erzählt, von seiner gütigen Mutter, die einen starken Glauben hatte und ihn, den Städter, zum Priesterberuf führte, ihn, der als stolzer und schöner Jüngling eigentlich Arzt werden wollte.

Das Mitleid, das Miteid haben können, war ein Grundzug seines melancholischen, feinen Wesens. Das Mitleid mit dem bitteren Los, das den Kindern der Erde und besonders manchen von ihnen, aber auch allen Benachteiligten, den Ärmsten in diesem Jammertal beschieden ist. Hochwürden Noisternigg wandte diesen Menschen, den Kinder, den Armen und Schwachen, den Kranken ein Mitleid zu, das schon beinahe Liebe war.

Er kam tröstlich zu ihnen. Gerade ihre Armseligkeit rührte ihn, das schmerzvolle, innige empfundene Anteilnehmen an den Leiden. Er war für mich der Inbegriff selbstloser Güte. Ich erlebte ihn sympathisch und klug, mit einem Stich ins Behagliche. Er war immer elegant, ja mondän als Typus. Er liebte die festliche liturgische Inszenierung, bewegte sich mit Nonchalance in der Tradition und in der Moderne, er trug seine Krawatte genauso elegant wie seinen kardinalsroten Kanonikertalar mit Birett. Er strahlte immer priesterliche Würde und Vornehmheit aus. Er liebte die Kunst, war auch für das Neue offen und wagte das

Experiment. So ließ er den großen und sensiblen Aron Demetz sein Christkind im Dom installieren, trotz der vulgären Kritik der Banausen.

Ein großes Herz, dessen vornehmste Eigenschaft die Güte war, hat uns nun verlassen. In den Herzen der Bozner wird er bleiben.

Chöre der Engel mögen Sie begleiten zum  Paradiese, lieber Herr Dekan.

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (1)

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  • gerhard

    Ein Dekan, der gegen der Willen der weldfremden Hanswurschterln in Rom auch getrennten Paaren in ihren neuen Partnerschaften seinen Segen spendet muss schon ein guter Mensch gewesen sein.
    Respekt, Herr Dekan, meine Hochachtung.
    Nehmt Euch ein Beispiel, Ihr Pfarrer im Diesseits.
    Dann kommt Ihr vielleicht auch mal in den Himmel!

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