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Pauls Masken

Paul Köllensperger vermittelte dem Sanitätsbetrieb einen angeblichen Schutzmasken-Lieferanten. Es handelte sich jedoch um eine ukrainische Briefkasten-Firma.

von Matthias Kofler

Paul Köllensperger hat sich die lückenlose Aufklärung des Schutzmasken-GAUs auf die Fahne geschrieben. Der Team-K-Abgeordnete arbeitet nun schon seit Wochen unermüdlich daran herauszufinden, wer die Verantwortung für den Ankauf der umstrittenen, von der Bozner Firma Oberalp vermittelten
chinesischen Schutzausrüstung trägt. Auf Köllenspergers Drängen hin wurde eigens ein Untersuchungsausschuss im Landtag eingerichtet, der von seinem Fraktionskollegen Franz Ploner geleitet wird.

„Warum sind die Masken, die den Standards nicht entsprechen, nicht sofort aus dem Verkehr gezogen worden? Und warum hatte der Sanitätsbetrieb nicht zuvor Muster angefordert, um das Material zu begutachten, bevor er das Geld überwiesen hat?“, kritisiert Köllensperger in seiner jüngsten Landtagsanfrage. Der Oppositionsführer will darüber hinaus in Erfahrung bringen, warum der Sanitätsbetrieb, der Zivilschutz und das Gesundheitsassessorat nicht auf die Angebote anderer Unternehmer eingegangen sind, die versucht hätten, Schutzausrüstung nach Südtirol zu liefern.

Der Tageszeitung liegt die Anfrage-Beantwortung von Gesundheitslandesrat Thomas Widmann vor. Dort stehen zwei Sätze, die stutzig machen. So schreibt der SVP-Politiker:

„Auch die von Ihnen, Herr Abgeordneter Köllensperger, vermittelten Lieferanten haben weder die angeforderten Dokumente geliefert, die Übermittelten waren teilweise unleserlich, die Datenblätter von der Internetseite kopiert. Auch über Ihre Vermittlung wurde nicht von der Vorauszahlung abgesehen, sowie der Vorschlag des Südtiroler Sanitätsbetriebes einer 100%igen Bezahlung und Stichkontrolle der Ware nach Ankunft in Verona angenommen.“

Köllensperger als Masken-Vermittler? Die Tageszeitung hat bei Widmann nachgefragt, um nähere Details zum Angebot des Oppositionspolitikers zu erhalten. Der Landesrat erklärt, dass Köllensperger im April an den Sanitätsbetrieb herangetreten sei. „Er wollte uns einen – so Köllensperger wörtlich – ,seriösen Südtiroler Unternehmer’ vermitteln, dessen Namen er aber nicht nennen wollte.“

Die Tageszeitung kann auf der Grundlage von Akten aus dem Sanitätsbetrieb die Geschichte des geplatzten Masken-Deals rekonstruieren. Sie wirft kein gutes Licht auf Paul Köllensperger und seine Freunde aus der Unternehmerwelt. Florian Zerzer und Co. wären um ein Haar einer ausländischen Briefkasten-Firma auf den Leim gegangen und hätten Millionen an Landesgeldern in den Sand gesetzt. Umso erstaunlicher ist es, dass Köllensperger jetzt gegen den seiner Meinung nach so schlampig arbeitenden Sanitätsbetrieb vorgeht.
Doch der Reihe nach.

Am 9. April, um 1:30 Uhr morgens, schickt Köllensperger eine WhatsApp an ein Mitglied der Landesregierung. Ein „seriöser Südtiroler Unternehmer“ – seinen Namen dürfe er (noch) nicht nennen – biete dem Sanitätsbetrieb KN95-Masken und chirurgische Masken an. Der Sanitätsbetrieb versucht am darauffolgenden Morgen, Köllensperger telefonisch zu erreichen – vergeblich. Auch der Versuch, über seine Fraktionskollegin Maria Elisabeth Rieder Kontakt aufzunehmen, scheitert.

Erst am 10. April meldet sich Köllenspergers Kontaktmann, ein gewisser „Herr Paolo Papini“ aus Arezzo, beim Sanitätsbetrieb: Ein „amico“ habe ihm den „Dott. Paul Köllensperger“ vorgestellt. Papini unterbreitet sein Angebot. Die KN95-Masken kosteten 3,42 Euro pro Stück, die chirurgischen Masken 0,30 Euro pro Stück. Das ist das Dreifache der gängigen Marktpreise – und auch das Dreifache dessen, was der Sanitätsbetrieb der von der Firma Oberalp vermittelten chinesischen Firma bezahlen wird. Köllenspergers „Freund“ ist weder im Sanitätsbetrieb noch im Gesundheitsassessorat bekannt. Papini teilt mit, dass er für die Firma „Prestige Energy“ aus Ungarn tätig sei. Diese verkaufe Masken der amerikanischen Marke 3M, die besten am Markt.

Am 11. April ersucht der Sanitätsbetrieb Papini um die Übermittlung der technischen Datenblätter zu den Schutzmasken. Köllenspergers Kontaktmann sendet am folgenden Tag die geforderten Unterlagen. Dort ist keine italienische Referenzfirma angegeben.

Brisant: Recherchen des Sanitätsbetriebs ergeben, dass Papini die geschickten Unterlagen einfach von der 3M-Internetseite kopiert hat. 3M teilt dem Sanitätsbetrieb mit, dass sie keinen Herrn Papini kennen.
Der Sanitätsbetrieb schlägt vor, dass die Ware nach einer vorhergehenden Stichprobenkontrolle am Flughafen Vernona zu 100 Prozent bezahlt wird. Köllenspergers Mittelsmann besteht aber darauf, dass die Hälfte der Kosten noch vor dem Transport der Ware und vor einer entsprechenden Stichprobenkontrolle bezahlt wird. Weil sie nicht in Vorkasse gehen wollen/können, lehnen Florian Zerzer und Co. ab.

Am 14. April schickt Köllensperger eine WhatsApp-Nachricht an einen hochrangigen Beamten im Sanitätsbetrieb. Darin bringt der Politiker seine Enttäuschung über den geplatzten Deal zum Ausdruck. Der Abgeordnete ersucht den Beamten darum, es sich noch einmal zu überlegen und schlägt vor, dass er – Köllensperger – noch einmal Kontakt mit seinem „Freund“ aufnimmt. Ansonsten laufe man Gefahr, dass sich der Unternehmer anderweitig umschaut.

Ein Auszug aus der Köllensperger-Nachricht:

„Dott. …, da quello che sento il fornitore delle 3M si sta orientando altrove perchè ritiene che non si possa arrivare ad una conclusione con ASDAA. questo mi dispiacerebbe. anche perchè si tratta di prodotto americano, e la tutela del personale dell’Azienda è fondamentale. per questo ho chiesto a Energy che non si chiudano le trattative. (…) mi faccia sapere se posso essere d’aiuto. PK“

Die Geschichte geht weiter. Am 17. April wendet sich Köllensperger erneut an den Spitzenbeamten im Sanitätsbetrieb und kündigt ein neues Angebot an. Paolo Papini meldet sich per Mail beim Sanitätsbetrieb. Dieses Mal vertritt er nicht die ungarische Firma „Energy“, sondern das türkische Unternehmen „Elanur Gida“. Der Preis für die von 3M hergestellten N95-Masken beträgt 2,50 Euro das Stück (der gängige Marktpreis beläuft sich auf 1,35 Euro).

Am 20. April ersucht der Sanitätsbetrieb um die Aushändigung der Datenblätter, die von Papini am folgenden Tag auch geschickt werden. Der Mittelsmann teilt mit, dass die Ware erst nach Verona geliefert werden kann, wenn der Sanitätsbetrieb zu 100 Prozent in Vorkasse gegangen ist. Für den Kauf von 500.000 Schutzasken sind das insgesamt 1.250.000 Euro plus Mehrwertsteuer, Papini übermittelt daher die Bankkonto-Daten des türkischen Unternehmens mit Sitz in Gaziantep.

Am 21. April schickt der Sanitätsbetrieb eine Mail an Papini mit dem Vorschlag, dem türkischen Unternehmen eine Bankgarantie auszustellen: Die Ware werde zur Gänze in Folge einer Stichkontrolle nach der Ankunft in Verona bezahlt. Der Mittelsmann geht auf den Vorschlag nicht ein. Auch eine weitere Nachricht des Sanitätsbetriebs mit der Bitte, Proben sowie die genauen Vertragsdaten der Lieferfirma zu schicken, bleibt bis heute unbeantwortet.

Papini meldet sich nur noch einmal schriftlich beim Sanitätsbetrieb, nämlich am 25. April. Im Auftrag der türkischen Firma bietet der Vermittler 100.000 Schutzanzüge zum Preis von zehn Euro pro Stück an. Da der Sanitätsbetrieb auf die Zahlungsmodalitäten (100 Prozent Vorkasse) nicht eingehen will, bricht der Kontakt ab. In seiner letzten Nachricht an den hochrangigen Sanitätsmitarbeiter schreibt Papini zwar, dass man über die Vorauszahlungsbedingungen noch reden könne. Er hat sich daraufhin aber nicht mehr gemeldet.

 

Nachforschungen des Sanitätsbetriebs haben in der Zwischenzeit ergeben, dass Paolo Papini Mittelsmann eines gewissen Herrn Soliman ist. Dieser ist im ukrainischen Gasgeschäft tätig. Bei dem ungarischen und dem türkischen Unternehmen, welche die Schutzausrüstung angeboten haben, handelt es sich um Briefkastenfirmen des ukrainischen Unternehmers.

Im Sanitätsbetrieb fragt man sich jetzt, was passiert wäre, wenn man den Deal mit Papini und Co. eingegangen wäre, den Millionen-Beitrag überwiesen und am Ende am Flughafen von Verona vergeblich auf die Ware gewartet hätte. Hätte Paul Köllensperger dann auch einen U-Ausschuss gefordert?
War diese Masken-Geschichte der Grund, dass Köllensperger vor einem Monat völlig überraschend und über Nacht den U-Ausschuss zur Masken-Affäre verlassen hat und seinen Kollegen Franz Ploner nachrücken ließ?

Paul Köllensperger erklärt, dass er „keine Geschäfte machen“ wollte. „Ich habe nur ein paar Emails weitergeleitet – das war als reine Hilfe ohne jegliches persönliches Interesse gedacht“, so der Abgeordnete. Köllensperger verweist auf ein Schreiben an Sanitäts-Verwaltungsdirektor Enrico Wegher, in welchem er darum ersucht hatte, die Qualität von Papinis Angebot genauestens zu überprüfen und die notwendigen Unterlagen einzufordern, da er – Köllensperger – den Lieferanten nicht kenne. Er wünsche sich aber, dass der Verkauf in trockene Tücher gebracht werden könne, so der Abgeordnete in seinem Schreiben an Enrico Wegher.

 

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Kommentare (57)

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  • pingoballino1955

    SVP Masken-Schlauchtücher usw. Ablenkungsmanöver von den eigenen dubiosen Machenschaften??? Wird euch nichts nützen-die Wahrheit und die Gerichte werden es hoffentlich aufdecken und die Verantwortlichen bestrafen!

  • asterix

    Ich verstehe die Aufregung und den damit verbundenen ellenlangen Artikel von Kofler nicht. Köllensberger hat ein paar Mails weitergeleitet, sonst nix. Weder ist auch nur ein Euro geflossen, noch wurde jemand geschädigt. Also, was solls? Wäre der Artikel auf einem SVP Medium erschienen, wüsste man auch dass nur von eigenen Misthaufen abgelenkt werden soll. Aber auf TZ? Lässt sich der Journalist vor den SVP – Karren spannen? Ist das Weiterleiten einer Mail eine Straftat? Worin liegt das Vergehen Köllensbergers? Also wenn schon müssen Widmann und Zerzer den Hut nehmen.

  • andreas

    Es steht jedem zu, auch in Krisenzeiten Deals zu machen, selbsternannte Saubermänner und Messiase sollte aber die Finger davon lassen, wenn sie zwielichtige Gestalten vermitteln wollen und Einkäufern auch nicht mit billigen Psychotricks wie „die Sicherheit des Personals ist fundamental“ ein schlechtes Gewissen einreden wollen.

  • bettina75

    Schaut so aus, als hätte man beinahe den Bock zum Gärtner gemocht.
    Na, na wirklich de Politiker vun wella Partei a immer na na na.

  • prof

    Nach der Lieferung der „Widmann Schlauchtücher) habe auch ich für einen Bekannten von mir dem Sanitätsbetrieb ein Angebot von Schutzmasken in Form von Männer-Unterhosen einer bekannten Firma aus Österreich unterbreitet.
    Als Antwort bekam ich,geht nicht denn wenn sie getragen hat und als Mundschutz verwenden will müsste man sie ja vorher waschen und das wäre ein zusätzlicher Aufwand.Mein Vorschlag wenn man sie selbst trägt braucht man sie ja nicht zu waschen da der Geruch einem ja selbst bekannt ist und im nächsten Winter auch als Kopfbedeckung verwenden könnte.Leider wurde es abgelehnt.
    Leider wurde es abgelehnt

  • sepp

    Die zettl muiss do ando vorlesen

  • yakari

    Wer selbst im Glashaus sitzt, soll eben nicht mit Steinen werfen! Zuerst in Folge der eigenen Infektion die gesamte Gesetzgebungskommission und die eigene Fraktion in Quarantäne schicken, danach das!

  • pingoballino1955

    SCHADE,man merkt,dass die Tageszeitung Besitzer gewechselt hat,wünsche ihr in Zukunft neutralere und seriösere Berichterstattung. Die jetztige Veränderung gefällt mir gar nicht-Sorry!

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