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Die Langzeit-Schäden

Der Bozner Lungenfacharzt Gerhard Kainz befürchtet Folgeschäden an der Lunge bei Covid-19-Erkrankten, die einen schweren Verlauf hatten.

von Eva Maria Gapp

In Südtirol genesen immer mehr Menschen von Covid-19. Allerdings besteht die Gefahr, dass für manche von ihnen die Krankheit damit noch nicht vorbei ist. Weltweit mehren sich Berichte von Wissenschaftlern, die Folgeschäden insbesondere an der Lunge, aber auch an anderen Organen befürchten.

So hat etwa die italienische Gesellschaft für Pneumologie vor kurzem Alarm geschlagen: Jeder dritte genesene Covid-19 Patient könnte Lungenschäden davontragen. Ein einfacher Spaziergang könnte für diese Menschen dann bereits zum Problem werden.

Laut italienischen Lungenfachärzten hätten bei früheren Coronavirus-Infektionen wie SARS bis zu einem Drittel der Überlebenden eine Lungenfibrose entwickelt. Eine Lungenfibrose ist eine Verhärtung des Lungengewebes, die zur Folge hat, dass die eigentliche Funktion der Lunge nicht mehr wahrgenommen wird. Sie befürchten, dass es auch bei Covid-19 zu solchen Vernarbungen des Lungengewebes kommen könnte.

Der Direktor der italienischen Gesellschaft für Pneumologie, Luca Richeldi, spricht von einem „neuen Gesundheitsnotstand“. Es werde künftig mehr Patienten geben, die unter einer Vernarbung des Lungengewebes leiden werden – und in weiterer Folge chronische Atembeschwerden haben.

 

Tageszeitung: Herr Dr. Kainz, die Aussagen der italienischen Gesellschaft für Pneumologie haben viele aufgeschreckt. Covid-19 könnte bei einem Drittel der Patienten zu chronischen Atemproblemen führen. Müssen Covid-19 Patienten mit Lungenschäden rechnen?

Gerhard Kainz (Lungenfacharzt am Krankenhaus Bozen): Es ist noch zu früh, um das eindeutig zu sagen. Die italienische Gesellschaft für Pneumologie hat auch nur die Daten von SARS übernommen. Bei SARS war es so, dass in der Tat rund ein Drittel der Überlebenden bleibende Lungenschäden hatte. Man muss hier aber dazu sagen, dass SARS eine viel schwerere Erkrankung war, die Sterblichkeitsrate war viel höher als bei Covid-19. Mehr Menschen mussten auch intensivmedizinisch betreut werden. Bei Covid-19 hatten wir auch viele leichte Fälle. Diese gab es bei SARS so gut wie gar nicht. Deshalb ist das jetzt auch nicht der ideale Vergleich. Damit meine ich aber nicht, dass Spätfolgen damit ausgeschlossen sind.

Sie gehen aber nicht davon aus, dass es 30 Prozent sind…

Ich bin hier etwas vorsichtiger. Spätschäden heißt, dass die Lungenfunktion nach einem halben Jahr oder nach einem Jahr eingeschränkt bleibt und zwar auf Dauer. Jetzt sind aber gerademal zwei, drei Monate vergangen, dass wir diese Erkrankung kennen Zudem muss hier auch immer differenziert werden. Bei Covid-19 gibt es eine große Bandbreite. Das reicht von ein wenig Husten bis hin zu schwersten Lungenentzündungen. Deswegen wird sich das ein Drittel nicht auf die gesamten Covid-19 Patienten beziehen.

Jene Covid-19 Patienten, die eine leichte Lungenentzündung hatten, konnten sich bislang sehr gut erholen. Sie haben wieder komplett normale Lungen. Die Lungenfunktion ist nicht eingeschränkt, sie fühlen sich nur noch etwas schlapp. Diese Patienten werden aber kaum Spätschaden haben. Das halte ich für unwahrscheinlich.

Dann gibt es aber Patienten, die eine schwere Lungenentzündung hatten und auf der Intensivstation behandelt werden mussten. Diese haben jetzt noch Schäden. Sie haben zwar Covid-19 überstanden, man sieht aber im Röntgenbild noch Veränderungen in der Lunge. Sie haben noch Einschränkungen in der Belastbarkeit. Das heißt, sie haben Probleme, ausreichend Sauerstoff aufzunehmen, vor allem unter Belastung.

Sie kommen also zum Beispiel beim Spazieren gehen schneller aus der Puste…

Ja, sie tun sich zum Beispiel schwer beim Treppensteigen, Rad fahren, Spazieren gehen. Das wissen wir aus eigener Erfahrung. Sie kommen schneller aus der Puste als vorher, sie sind nicht mehr so fit und fühlen sich abgeschlagen. Sie sind also in ihrer körperlichen Leistungsfähigkeit eingeschränkt. Die Sorge ist, dass die Lunge so stark geschädigt wurde, dass sie ihre normale Struktur nicht wieder komplett aufbauen kann.

Sie befürchten also eher Spätschäden bei den schweren Fällen…

Ja, bei Patienten, die einen schweren Verlauf hatten und intensivmedizinisch behandelt, also zumindest zusätzlichen Sauerstoff brauchten und beatmet werden mussten, könnte es durchaus sein, dass es zu langfristigen Folgeschäden kommt. Hier könnten 30 Prozent plausibel sein. Das heißt, diese Menschen könnten eine Lungenfibrose entwickeln. Es kommt also zu Vernarbungen des Lungengewebes. So eine Fibrose kann dazu führen, dass die Sauerstoffaufnahme der Betroffenen dauerhaft eingeschränkt wird. Die Atmung fällt dann dauerhaft schwerer. Es kann zu chronischen Atemproblemen führen. Bestehende Vernarbungen lassen sich nicht mehr rückgängig machen. Das bleibt dann dauerhaft bestehen. Es gilt auch: Je schwerer die Lungenentzündung ist, desto wahrscheinlicher sind Spätfolgen.

Was macht Covid-19 genau mit der Lunge?

Einerseits führt eine Infektion mit dem Coronavirus zu einer Entzündung der Lungenbläschen, aber auch zu einer Entzündung des umliegenden Bindegewebes. In der zweiten Phase kann es zu einem „inflammatorischen Sturm“ kommen. Das heißt, es werden massiv Entzündungsmediatoren freigesetzt. Dann kommen die Abwehrzellen und versuchen die vermeintliche Entzündung zu beseitigen. Dabei wird mehr Lungengewebe zerstört als notwendig. Wenn das dann nicht ausheilt, sondern vernarbt, kommt es zu dieser besagten Lungenfibrose. Infolge der Entzündung wird das eigentlich zarte Bindegewebe zwischen den Lungenbläschen durch Narbengewebe ersetzt.

Was bedeutet das nun auch für Sie und Ihre Arbeit als Lungenfacharzt?

Wir in der Bozner Pneumologie sind gerade dabei ein Programm für all jene Covid-19-Patienten zu erstellen, die einen schweren Verlauf hatten. Es ist wichtig, dass wir diese Menschen nicht alleine lassen und sie auch weiterhin kontrollieren und betreuen. Damit diese Menschen dann auch in weiterer Folge wissen, ob sie mit Spätschäden rechnen müssen, wenn ja in welcher Form und wie sie damit umgehen können. Und was wir auch nicht vergessen dürfen ist: Es gibt einige, die nicht nur körperliche sondern auch psychische Schäden erlitten haben. Sie haben seitdem Angstzustände und sind auch sonst psychisch sehr angeschlagen. Das waren doch schlimme Situationen, die sie durchleben mussten. Sie hatten Angst um ihr Leben. Unser Ziel ist es also, dass wir sie weiterhin begleiten und ihnen damit auch Halt geben. Sie sollen wissen, dass sie nicht alleine sind. Zugleich helfen uns diese Informationen für nachfolgende Erkrankungen. Wir sind dann auch besser gerüstet.

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