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„Wir hängen in der Luft“

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Der Dachverband kritisiert, dass soziale Organisationen ihre Tätigkeit nicht wieder aufnehmen können, weil Richtlinien des Landes ausstehen. Der Unmut wächst. 

Non Profit Organisationen wollen wissen, wie es weiter geht. Betroffene dürfen nicht weiter isoliert werden und Familien brauchen Entlastung – schreibt der Dachverband für Soziales in einer Pressemitteilung.

„Soziale Organisationen wollen ihre Tätigkeiten schnellstens wieder aufnehmen. Sie können es aber nicht, da die Richtlinien des Landes noch ausstehen. Der Unmut wächst, denn die Betroffenen und vor allem auch ihre betreuenden Familienangehörigen warten ungeduldig darauf, dass sich die angespannte Situation endlich bessert.“

Seit Beginn der Covid-19-Krise Anfang März wird der Großteil der Menschen mit Behinderungen und Menschen mit psychischen Erkrankungen zu Hause rund um die Uhr von den Angehörigen betreut. Eine extreme Belastungsprobe. Sie brauchen dringend Entlastung. Ob dies öffentliche Einrichtungen leisten, oder Vereine anbieten – jede Unterstützung wäre willkommen.

Während sich allgemein die Lage nun langsam wieder etwas „normalisiert“ steht im Sozialbereich jedoch immer noch nahezu alles still. „Alle warten händeringend auf die rechtlichen Vorgaben. Doch diese lassen auf sich warten“, erklärt Georg Leimstädtner, Geschäftsführer des Dachverbandes für Soziales und Gesundheit. Es braucht jetzt umgehend diese Richtlinien, damit soziale Vereine ihre Tätigkeiten wiederaufnehmen können, fordert der Dachverband, dem rund 60 soziale Vereinigungen angehören.

„Die Betroffenen in unseren Mitgliedsorganisationen sehen, dass Maßnahmen für die Wirtschaft getroffen werden, z. B. Gratistests für Touristen, aber soziale Hilfestellungen an die Personen viel zu langsam aktiviert werden“, betont Leimstädtner. Es habe seit Beginn der Krise viele Gespräche und konstruktiven Austausch mit Politik und Behörden gegeben. Nun müsse aber eine Lösung auf den Tisch, fordert der Dachverband.

„Es kann nicht sein, dass überall, in allen Bereichen des öffentlichen Lebens gelockert und geöffnet wird und Menschen, die in Wohnheimen bzw. in Wohngemeinschaften leben, immer noch isoliert sind, die Einrichtungen nicht verlassen dürfen, nicht mit anderen Menschen in Kontakt kommen können“, sagt auch Renate Ausserbrunner, Präsidentin des Verbands Ariadne – für die psychische Gesundheit aller: „Wir als Verband brauchen Planungssicherheit und Klarheit in Fragen rechtlicher Verantwortung, die Dienste müssen ihre Aktivitäten wieder aufnehmen, Neuaufnahmen in den Einrichtungen wieder möglich werden. Die Zusammenarbeit der verschiedenen Dienste und der ehrenamtlichen Vereine und Verbände muss wieder in Gang kommen.“

Die Gleichstellung von Wohngemeinschaften, Wohnheimen von Menschen mit Behinderung und psychisch kranken Menschen mit den Seniorenwohnheimen ist nicht nachvollziehbar, weil es sich hierbei in der Regel um viel jüngere Menschen handelt – wobei auch in den Seniorenwohnheimen eine Lockerung und Öffnung dringend notwendig ist. Die soziale Isolation ist den Menschen nicht mehr länger zumutbar und stellt eine Diskriminierung gegenüber der restlichen Bevölkerung dar.

Durch dieses „Vergessen“ der Einrichtungen der Sozialen Dienste können auch viele Rehabilitationsprojekte in Zusammenarbeit mit den Gesundheitsdiensten nicht starten. Psychisch kranke Menschen verlieren wertvolle Zeit ihrer beruflichen Rehabilitation, ihrer Projekte im Bereich Wohnen, aber auch eine einfache Freizeitbegleitung durch Freiwillige kann im Moment nicht gewährleistet werden.

Nach drei Monaten Isolation und 24-Stunden Rundumbetreuung daheim sind auch viele Angehörige am Ende ihrer Kräfte. Das bestätigt auch der AEB – Arbeitskreis Eltern Behinderter: „Es häufen sich Anfragen und Klagen der Eltern, dass trotz der Verabschiedung der Richtlinien für die teilstationären Dienste die Werkstätten etc. nur sehr zögerlich und unter massiven Einschränkungen öffnen und die Familien auch für den Sommer keine Perspektiven zur Entlastung haben, sowie die Wohneinrichtungen immer noch komplett abgeschlossen sind“, erzählt Irmhild Beelen, Vorstandsmitglied im AEB und im Dachverband für Soziales und Gesundheit.

„Wir brauchen schnellstens die Rahmenbedingungen um wieder loszustarten“, betont auch Wolfgang Obwexer, Geschäftsführer der Lebenshilfe Südtirol. Nach dem Lockdown und in der Phase der ersten Lockerungen sucht man dort wieder nach Möglichkeiten, wie man die Betroffenen und ihre Familien unterstützen kann. Menschen mit Behinderungen sollen wieder Freunde treffen und am gesellschaftlichen Leben teilnehmen können. Die Familien sollten nicht alleine für die Unterstützung und Begleitung zuständig sein. Wichtig in diesem Zusammenhang sind Entlastungsangebote für die Sommermonate.

„Der ‚Sommer steht vor der Tür und wir wollen dringend benötigte Freizeit- und Urlaubsangebote organisieren und anbieten. Nur fehlen uns nach wie vor die dafür nötigen rechtlichen Grundlagen“, so Obwexer.

Auch Verena Wolf, von der Arbeitsgemeinschaft für Behinderte bedauert, dass die Vereinstätigkeiten wegen der vielen Unsicherheiten und Unklarheiten nach wie vor stillstehen: „Wir haben bis auf weiteres alles abgesagt, wollen aber wissen, wie es weitergeht. Natürlich ist für uns klar, dass wir sehr vorsichtig sein müssen. Schließlich richten sich unsere Angebote vorwiegend an Menschen mit Behinderungen, vor allem auch ältere Personen – also doppelte Risikogruppe. Trotzdem, Menschen mit Behinderungen und ihre Angehörigen leiden sehr unter dieser Situation. Sie müssen dringend aus dieser Isolation heraus.“

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