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Schlaflose Eltern

Kein Platz in der Notbetreuung in Kindergärten und Schulen, obwohl der Bedarf groß ist oder die strengen Kriterien sogar erfüllt werden. Kein Sommerkindergarten. Keine Ahnung, wie Eltern Familie und Beruf unter einen Hut bringen sollen.

von Silke Hinterwaldner

Die Kinder sind bleich im Gesicht. Die Mutter ist sogar käseweiß, mit dunklen Ringen unter den Augen und angespanntem Gesamtzustand. Das darf nicht verwundern. Seit zweieinhalb Monaten ist ihr Tag so eng getaktet, dass es keinen Platz für eigene Bedürfnisse oder gar Entspannung gibt.

In dieser Beispielfamilie sind beide Eltern freiberuflich tätig. Während der Vater ins Büro geht – und äußerst froh darüber ist, dass er ins Büro gehen kann –  kümmert sich die Frau um Haushalt und Kinder, macht gleichzeitig nebenbei Telefondienst für ihre Kunden. Das heißt: am Vormittag Homeschooling für die beiden Kinder im Grundschulalter, dann Mittagsessen. Nachmittags sich um das eigene Büro kümmern, alles abarbeiten, die Kundschaft bei Laune halten und erledigen, was geht. Die Kinder können im Garten toben, aber im Abstand von einigen Minuten hallt immer der Ruf nach der Mama durchs Haus.

„Durch diesen Stress“, sagt die Mutter, „ist alles sehr fehleranfällig, die Arbeit, das Homeschooling, die Beziehung sowieso.“ Sie sehnt den Tag herbei, an dem es endlich wieder ein bisschen Normalität geben kann. Aber sie hat nicht die Kraft, sich zu überlegen, wie es in den kommenden Wochen und Monaten tatsächlich weitergehen kann.

Sommerbetreuungsangebote, Großeltern oder die Notbetreuung in der Schule? Alles ist entweder nicht gern gesehen, das Angebot fällt flach oder die Zugangskriterien sind zu streng – etwa bei der Notbetreuung in der Schule.

Die Notbetreuung war ihr ohnehin von Anfang an suspekt. In ihrem Dorf war es schlussendlich auch so, dass kaum jemand die Kinder angemeldet hat, in der Schule gibt es nur eine Gruppe mit einer Handvoll Kindern. „Hier wären noch Kapazitäten frei“, sagt Doris Albenberger von der Elterninitiative, „insofern ist völlig unverständlich, dass viele Familien, die es wirklich brauchen könnten, keinen Zugang zur Notbetreuung erhielten.“ Gemeinsam mit der Allianz für Familie hat die Elterninitiative jene Geschichten gesammelt, in denen Eltern und Kinder zu kurz kamen. Zwei Dutzend Fälle liegen vor, in denen die Familien eigentlich die ohnehin schon sehr strengen Kriterien für eine Notbetreuung erfüllen würden – oder in einer Situation sind, in der Unterstützung dringend Not tun würde.

Hier zwei Beispiele: In einer Familie arbeitet der Mann in Nachtschicht. Er kommt morgens um 6.00 Uhr von der Arbeit. Seine Frau arbeitet ab 8.00 Uhr in der Früh. Nebenbei betreiben sie eine Landwirtschaft. Sie wollten um die Notbetreuung in Kindergarten und Grundschule ansuchen, aber fielen durch den Rost, weil am Vormittag der Vater zu Hause sei. Dass der Mensch auch Schlaf brauchen würde, wird hier ignoriert. Oder eine Familie mit drei Kindern, die älteste Tochter ist gerade 18 geworden. Für die kleinen Geschwister wurde die Notbetreuung abgelehnt, weil die große Schwester, die übrigens selbst mit Homeschooling beschäftigt ist, auf die Kleinen schauen könnte.

Der große Anteil jener, die sich ungerecht behandelt fühlen, fällt aber in eine andere Kategorie. In einigen Fälle wurden die Kinder abgewiesen, obwohl sich die Mutter nur teilweise im Homeoffice befindet – weil sie etwa drei Mal in der Woche vormittags im Büro arbeitet und zwei Mal von zu Hause aus. Auch diese Familien bekamen manches Mal keinen Zutritt zur Schule, obwohl Landesrat Philipp Achammer klargestellt hatte: „Es ist keine Voraussetzung, dass die Antragsteller ununterbrochen von Montag bis Freitag vormittags arbeiten, um Zugang zum Dienst zu haben – es genügen auch nur einige Tage.“

Obwohl sich sowohl die Elternvertreter als auch die Familien selbst darum bemühten, dass die Kinder zumindest in einem zweiten Moment zugelassen werden, haben sie bislang keine Zusage bekommen. „Selbst, wenn es sich dabei nur um ein Kommunikationsproblem zu handeln scheint, so ist es doch längst überfällig, hier die falschen Entscheidungen richtigzustellen.“  Doris Albenberger erklärt:

„Wir haben die Beispiele gesammelt und ein Dokument erarbeitet, welches am Montag, den 18. Mai dem Landesrat zugestellt wurde, auch mit der Bitte um Weiterleitung an die Kommissionen, sodass diese Eltern erneut kontaktiert werden und die Kinder nachgemeldet werden können. Das Problem wurde dem Landesrat auch in einem Online-Meeting geschildert. Leider wurden die Eltern weder kontaktiert, noch die Kinder nachträglich zum Dienst zugelassen.“

Auch in Zeiten, in denen Schule und Kindergarten ausfallen, scheint Familie, Kinderbetreuung und Bildung Privatsache zu bleiben. Das gilt umso mehr für den kommenden Sommer. „In vielen Gemeinden wird die Kinderbetreuung jetzt einfach abgesagt“, sagt Doris Altenberger Kopf schüttelnd. Das gelte auch, beziehungsweise vor allem, für die öffentlichen Betreuungsangebote in größeren Gemeinden. Während die Kleinkinderbetreuung in den Kitas wieder recht gut zu laufen scheint und sich auch Sozialgenossenschaften sehr darum bemühen, das Angebot für den Sommer zu halten, fühlen sich die Familien vielerorts von den öffentlichen Verwaltungen und der Politik im Stich gelassen: Sommerkindergarten, der abgesagt wird. Gemeinden, die sich wenig um den Betreuungsbedarf kümmern. Wenig klare Informationen. Keine Möglichkeit, die kommenden Monate zu planen.

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