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Es fehlt der ATEM

Malerei von Gotthard Bonell (2018 – 2019): Die Bilder sind vor Corona entstanden. Irgendwas scheint in der Luft gelegen zu sein. Ein Konglomerat von Knochen und blutigen Hautfetzen.

Inspirieren das Coronavirus und die Quarantäne die Künstler*innen zu neuen Werken? Wenn ja, zu welchen? Die Corona-Galerie der Tageszeitung sucht Bilder und fragt mit Marcel Proust und Max Frisch nach. Heute der Trudner Zeichner, Maler und Sänger Gotthard Bonell.

Wie geht´s?

Wie soll es schon gehen in dieser kuriosen, unseligen Zeit. Ich halte es aus zwischen Atelier, Garten und Haus. Also, alles in allem geht es passabel.

Wie ist Ihre gegenwärtige Geistesverfassung?

Meine derzeitige Geistesverfassung wird immer trüber. Anfangs konnte ich mich recht gut konzentrieren und dementsprechend arbeiten. Jetzt frage ich mich immer häufiger: Zu was das Ganze, was hat meine Arbeit überhaupt noch für einen Sinn. Wenn nicht diese furchtbare Getriebenheit wäre.

Welches Buch lesen Sie gerade?

Leider ein nicht sehr erbauendes Buch: Roberto Saviano: Die Schönheit und die Hölle: Man versteht viel von den Machenschaften in diesem Staat unter dem Deckmantel von Politik, Kirche und Mafia. Dazwischen lese ich die Briefe von Vincent van Gogh. Auch nicht recht lustig.

Was ist Ihre erste Erinnerung?

Meine erste Erinnerung ist die aufgebahrte Großmutter in unserem Haus. Ich sehe heute noch die Füße und die gefalteten Hände unter dem weißen Leintuch.

Was wollten Sie als Kind werden?

Als Kind wollte ich Gärtner werden. Mein Vater hat mir bereits in ganz frühen Jahren einige Quadratmeter Grund überlassen den ich nach meinem Gutdünken gestalten konnte. Sehr bald kam die Faszination für das Zeichnen dazu.

Warum sind Sie Künstler geworden?

Das möchte ich selber gerne wissen. Wahrscheinlich hätte es leichtere Lebensentwürfe gegeben. Diese ewige Getriebensein und die ewige Einsamkeit  und Unsicherheit die Arbeit betreffend sind oft nicht auszuhalten. Es musste wohl so sein!

Bereuen Sie diese Entscheidung manchmal?

Bereuen tue ich die Entscheidung nicht. Es gab ja in Wirklichkeit keine andere Alternative. Und – es gab in diesem künstlerischen Leben auch viele sehr schöne, intensive Momente. Gezweifelt habe ich nur zwischen Bildender Kunst und Musik.

Gotthard Bonell: Letztendlich ist man sein eigener Richter und das ist so schwer.

Wenn Sie nicht Künstler wären, wer oder was möchten Sie sein?

Ich kann es mit dem besten Willen nicht sagen, wie ich schon sagte ich kann mir nichts anderes vorstellen. Am ehesten Sänger.  Sänger von Schubertliedern.

Welcher Künstler/in hat Sie am stärksten beeinflusst?

Es gibt einige, die mich beeinflusst und beeindruckt haben, da wären: Lorenzo Lotto, Tizian in seinen Porträts, Raffael ebenfalls mit den Porträts, Mantegna, Egon Schiele in seinen letzten Arbeiten, Lucien Freud, Francis Bacon, Alberto Giacometti, Casorati usw

Welches künstlerische Werk hätten Sie gern selbst gemacht?

Das kleine Portrait von Lorenzo Lotto im kunsthystorischen Museum in Wien. Es ist von einer unglaublichen Lebendigkeit. Man hat das Gefühl, immer noch mit ihm reden zu können. Wenn ich in Wien bin, nehme ich „Kontakt“  auf .

Welchem/r Künstler/in möchten Sie gerne begegnen?

Da wären einige: Lorenzo Lotto, Caravaggio, Rembrandt, Van Gogh, David Hockney, Lucian Freud, und so manche aus der jüngeren Generation .

Was würden Sie ihn/sie fragen?

Ich würde fragen wie sie dieses „Leben“ gemeistert haben.

Zweifeln Sie manchmal an der Kunst?

Ja! Leider zweifle ich immer an der Kunst. Aber was heißt schon Kunst. Ich zweifle an diesem Tun, an dieser Sisyphusarbeit. Man wird nie fertig. Weiß nie, ob es einen Sinn hat oder nicht. Letztendlich ist man sein eigener Richter und das ist so schwer.

Was nervt Sie an der Kunstwelt?

An der Kunstwelt nervt mich das modische, oberflächliche, erfolgsbedachte, geldgierige  Getue. Man redet nur noch von Markt, von Geld, von Erfolg, von Verkauf, von Ertrag. Dabei vergisst man das Wesentliche. Ist das die Kunst? Mich nerven die arroganten, selbsternannten, präpotenten, meist unfähigen Kunstexperten. Und noch mehr Politiker, die glauben die Kunst gepachtet zu haben und mit öffentlichen Mitteln dünkelhaft verfügen. Ist das der Sinn dieses Tuns? Kunst muss man lieben…

Was vermissen Sie in der Quarantäne am meisten?

In der Quarantäne vermisse ich bestimmte Freunde. Ich vermisse, dass Robert Bosisio (obwohl im gleichen Dorf) oder Christian Reisigl, Lois und Roberta Anvidalfarei / Dapunt  nicht mehr in mein Atelier kommen können. Es fehlen mir die Gespräch. Per Telefon ist es nicht dasselbe, es fehlt der ATEM.

Verändert die Quarantäne Ihre Kunst oder machen Sie einfach weiter wie bisher?

Ja, sie verändert wohl das künstlerische Schaffen. Wie schon gesagt, die Ausdauer, obwohl man das Gegenteil  vermuten möchte, wird geringer auch die Konzentration. Auf die Themen habe ich mich bewusst nicht eingelassen. Man wird kopfmäßig trotzdem, gewollt oder nicht, von diesem Virus beherrscht.

Ist die Corona-Pandemie ein Thema Ihrer Kunst oder halten Sie sie davon frei?

Wie gesagt: Ich versuche mich frei zu halten

Wovor fürchten Sie sich?

Ich fürchte mich vor der Zukunft. Ich fürchte, dass das große Raffen, die große Gier, die Ausbeutung der Natur verstärkt weiter gehen werden. Nicht wird man draus lernen. Die vielen Toten werden bald vergessen sein und das Geld wird wieder die Oberhand gewinnen.

Was fehlt Ihnen zum Glück?

Ruhe, Gelassenheit, Freunde  usw.

Was ist für Sie das größte Unglück?

Das größte Unglück wäre wohl, wenn ich meine Frau und Kinder verlieren würde. Sie stützen mich und geben Sinn.

Möchten Sie gerne reich sein?

Ich brauche soviel, um sorglos leben zu können. Reich ist für mich keine seriöse Frage.

Welche Hoffnung haben Sie schon aufgegeben?

Erfolg, der nur auf der Oberfläche bleibt, hat mich nie interessiert und jetzt erst recht nicht mehr. Mehr Ruhe und Gelassenheit und vor allem Zeit und Bewusstsein möchte ich finden.

Welches ist Ihr liebstes Vorurteil?

Weiß ich nicht.

Lieben Sie jemand?

Natürlich – ohne Liebe kein künstlerisches Schaffen

Sind Sie sich selbst ein/e gute/r Freund/in?

Eher nicht, das ist ein großes Manko meinerseits

Was würden Sie an Ihrem Äußeren am liebsten ändern?

Einiges …. aber es ist wohl besser, wenn so bleibt wie es ist. Jeder verdient sich seine eigene Larve .Es sind alles Lebensspuren, mit denen man klarkommen muss.

Was ist Ihr größter Fehler?

Besser wäre es, wenn anderes dies beurteilen könnten. Selber tendiert man zum bagatellisieren.

Was verabscheuen Sie am meisten?

Unehrlichkeit – Populismus – Falschheit – Oberflächlichkeit , Opportunisten , Wendehälse …..

Wie alt möchten Sie werden?

Wenn ich gesund bleiben kann, können es schon einige Jahre sein ( allerdings mit meinen Lieben und Freunden )

Wie möchten Sie sterben?

Bewusst!!!!!!

Glauben Sie an die Wiedergeburt?

Eigentlich nicht …

 

Zur Person

Gotthard Bonell, 1953 in Truden geboren, ist Maler, Zeichner, Radierer und Sänger. Studium an der Kunstlehranstalt St. Ulrich, sowie an den Kunstakademien von Venedig und Mailand; Besuch der Sommerkurse an der int. Sommerakademie Salzburg; zahllose Ausstellungen und Auszeichnungen im In- und Ausland. Als Porträtist hat er unter anderem Bischof Wilhelm Egger, LH Südtirol Luis Durnwalder und Papst Benedikt XVI. gemalt. Gemeinsam mit KS Brigitte Fassbaender und Norman Shetler hat er den „Liedsommer Eppan“ ins Leben gerufen und im Auftrag des Südtiroler Bildungszentrums viele Jahre betreut. Er ist freier Mitarbeiter bei Rai Südtirol, wo er bereits über siebzig Sendungen („Der Liederabend“ ) gestaltet hat.

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

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