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307 Anträge

LR: Philipp Achammer: Was einmal weg ist, kann nicht per Knopfdruck wiederaufgebaut werden.

Insgesamt 307 Kunstschaffende haben die Soforthilfe des Landes in Höhe von 600 Euro beantragt. Veranstaltungen und Projekte, die wegen der Corona-Krise nicht stattfinden konnten, werden unter bestimmten Voraussetzungen trotzdem zum Teil vom Land gefördert.

(sh) In der Corona-Krise schlägt auch in der Kulturpolitik die Stunde des starken Landes. Um die drohende Verarmung der Kunst- und Kulturlandschaft zu verhindern, hat Kulturlandesrat Philipp Achammer gleich nach Ausbruch der Epidemie im März eine nie dagewesene Soforthilfeaktion der Politik zugunsten der Künstler in die Wege geleitet. Mit 600 Euro greift das Kulturamt Künstlerinnen und Künstler nach dem Gießkannenprinzip unter die Arme. Die Botschaft ist klar: Kultur ist auch hierzulande kein Luxus mehr, um den man sich erst scheren muss, wenn alles andere gesichert ist, sondern anerkannter Teil des gesellschaftlichen Zusammenhalts.  Achammer: „Die Strukturen im Kulturbereich sind über Jahre gewachsen, haben eine kulturelle Vielfalt garantiert und den gesellschaftlichen Zusammenhalt gestärkt. Würden sie nun wegbrechen, könnten sie nicht auf Knopfdruck wiederaufgebaut werden. Die Auswirkungen wären kaum vorstellbar.“

Dass man mit 600 Euro keinem Künstler das Überleben sichert, ist klar. Die Verächter des Gießkannenprinzips könnten den Moment nutzen und es als Ganzes kippen. Um was an seine Stelle zu setzen? Die sogenannten Leuchttürme, (wer immer die sind oder wer immer sich dafür hält) und den Rest, der sich eh schon durch Nebeneinkünfte selbst subventioniert, als Looser durch den Rost fallen zu lassen? Wäre das nachhaltige Kunstförderung oder nachhaltige Kunstverarmung?

So gering die Summe ist, das Angebot des Kulturamtes wird angenommen. Insgesamt 307 Kunstschaffende haben die Soforthilfe des Landes in Höhe von 600 Euro, die nur minimal versteuert werden müssen, beantragt. Damit das Kulturamt nicht mit Anträgen geflutet wird und nicht jeder auf eigene Faust ansuchen muss, haben die Kulturvereine sich als Träger zur Verfügung gestellt.

Von Seiten der Südtiroler Autorinnen- und Autorenvereinigung (SAAV) wurden 10 Anträge eingereicht, über den Theaterverband waren es 112, beide sind bereits ausgezahlt. Mit 185 Anträgen machen die im Künstlerbund eingeschriebenen Künstler den zahlenmäßig höchsten Anteil aus, die Auszahlungen sind noch im Gang.

Die Geschäftsführerin des Künstlerbundes Lisa Trockner: Das Ankaufsbudget sollte erhöht werden, damit wäre mehr getan als mit den 600 Euro aus der Gießkanne.

Über die digitale Plattform #artigathome zeigt der Künstlerbund derzeit 131 Werke von Kunstschaffenden, die mit der Ausstellungsbeteiligung automatisch auch auf der Antragsliste des Landes stehen. Ob sie berechtigt sind, entscheidet jedoch das Land. Künstler, die in einem lohnabhängigen Verhältnis stehen, Studenten und Pensionisten kommen nicht zum Zug. Außerdem hat der Künstlerbund das Mitgliedsprinzip aufgehoben und 20 Künstler in die Liste aufgenommen, die nicht eingeschrieben sind.

Lisa Trockner, Geschäftsführerin des Künstlerbundes, ist nicht ganz glücklich mit den 600 Euro. „Das kann nur ein Anfang sein, es braucht weitere Maßnahmen, vor allem für bildende Künstler“, sagt sie. Die sind von der Krise am härtesten und mit Sicherheit am langwierigsten betroffen. Musiker und Schauspieler können nach der Aufhebung des Lockdown sofort wieder an die Arbeit gehen, bildende Künstler jedoch operieren in einer komplexen Produktionskette zwischen Galerien, Ausstellungshäusern und Sammlern. Sobald die Galerien wieder eröffnen, gibt es einen Ausstellungsstau und die Sammler werden für längere Zeit zurückhaltend agieren. Trockner: Auch nach der Krise von 2008 hat es sehr lange gedauert, bis die Privaten wieder Geld locker gemacht haben.“ Ihr Vorschlag: Das Ankaufsbudget sollte erhöht werden, damit wäre mehr getan als mit den 600 Euro aus der Gießkanne.

In der Tat: Ankäufe sind die nachhaltigste Form der Kunstförderung. Sie kommen den Galerien zugute, die Künstler aufbauen, und den Künstlern, sowie deren Mitarbeitern und Zuarbeitern bis hin zu Rahmenbauern. Das System, nicht nur der bildenden Kunst, ist überaus fragil, das bringt die Krise in aller Deutlichkeit zutage. Landesrat  Achammer hat deswegen ein bereits vom Landtag genehmigtes Gesetz eingebracht, das eine Reihe von Corona-Maßnahmen auf den Weg bringt, vor allem aber die akute Finanznot lindert: „Oberstes Bestreben ist es, die Zahlungsfähigkeit unserer Kulturträger sicherzustellen, in Form von Zuschüssen, die aufrecht bleiben, Fördersätze, die nicht gekürzt werden oder von Kompensationen für Ausfälle.“

Ein Beispiel: Geförderte kulturelle Veranstaltungen und Projekte, die wegen der Corona-Krise nicht stattfinden konnten, werden unter bestimmten Voraussetzungen trotzdem zum Teil vom Land gefördert, zumindest was die vertraglichen Verpflichtungen angeht, die vor dem 9. März entstanden sind. Landeszuschüsse für kulturelle Veranstaltungen, die 2020 wegen der Corona-Krise nicht stattfinden konnten, können buchhalterisch auf das Jahr 2021 verschoben werden.

Auch bei der Ausgabenabrechnung will das Land flexibler vorgehen. So können Kompensationen zwischen den verschiedenen Ausgabenposten vorgenommen werden. Dies gilt auch für die Personalkosten, sofern keine sozialen Abfederungsmaßnahmen in Anspruch genommen werden. Zudem werden alle belegten Ausgaben berücksichtigt, auch wenn nicht explizit veranschlagt. Bleiben die Gesamtausgaben unter dem genehmigten Niveau, wird der Fördersatz erhöht und somit der Zuschuss nicht gekürzt.

Damit ist noch nicht Ende der Fahnenstange. LR Achammer will sich in Kürze mit den Kulturschaffenden in einer Videokonferenz verabreden und weitere Gespräche führen.

 

Schadenssumme 5 Mio. Euro

Die Südtiroler Autorinnen und Autorenvereinigung SAAV erstellt eine kühne Hochrechnung zum Maßnahmenpaket Kultur, die wir hier im Wortlaut abdrucken.

Die Präsidentin der SAAV Maxi Obexer: „Geschätzte Schadenssumme von rund 5 Mio. Euro.“

 „Sieben Autorinnen und Autoren haben uns ihre durch die Covid 19-Pandemie bedingten wirtschaftlichen Schäden mitgeteilt. Daraus errechnet sich eine konkrete Gesamtschadenssumme von rund 20.806,- Euro und bei einem Aufschlag von 20.000,- Euro für unkonkrete Ausfälle rund 40.806,- Euro. Im Durchschnitt fallen auf jede/n der sieben Autorinnen und Autoren eine Schadenssumme (konkrete und unkonkrete Schäden) von rund 5.900,- Euro an.

Die SAAV zählt 81 Mitglieder. Daraus lässt sich eine Schadenssumme von schätzungsweise insgesamt rund 472.183, Euro errechnen, welche allein die Mitglieder der SAAV trifft.

Die Homepage des Südtiroler Künstlerbundes (SKB) listet rund 400 Mitglieder. Man kann davon ausgehen, dass wahrscheinlich nicht alle Künstlerinnen und Künstler Südtirols Mitglieder des SKB sind. Sehr vorsichtig und grob geschätzt, kann vielleicht von der doppelten Anzahl, also von 800 Personen ausgegangen werden, die in Südtirol als Künstlerinnen und Künstler tätig sind und die derzeit die geschätzte durchschnittliche Summe von 4.720.000,-  als Einkommensausfall zu beklagen haben (5.900,-Euro x 800). Daraus errechnet sich eine geschätzte Schadenssumme von rund 5 Mio. Euro, die Künstlerinnen und Künstler in Südtirol im Laufe dieses Monats aufgrund der Covid 19-Epidemie als Einkommensausfall zu beklagen haben.“

 

 

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