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„Ich dachte, ich schaffe es nicht mehr“

(Foto: 123RF.com)

Eine 22-jährige Südtirolerin ist schwer an Covid-19 erkrankt. Im Interview erzählt sie, wie sich die Krankheit anfühlt.

von Eva Maria Gapp

Die Lungenkrankheit Covid-19 trifft vor allem ältere Menschen schwer, heißt es immer. Wer jung ist, der brauche keine Angst vor dem Virus zu haben. Doch die Geschichte von Anna, einer 22-jährigen gesunden Frau, beweist das Gegenteil. Sie ist schwer an Covid-19 erkrankt.

Die junge Frau, wir nennen sie Anna, studiert in Wien und kommt aus einem Dorf in Südtirol. Ihr richtiger Name wird auf ihren Wunsch hin nicht genannt.

Tageszeitung: Erst einmal die wichtigste Frage: Wie geht es Ihnen?

Anna: Mittlerweile sind fast vier Wochen vergangen. Mir geht es jetzt wieder besser, ich bin nur noch etwas schwach und müde. Die Krankheit raubt einem doch sehr die Kräfte.

Wann haben Sie gemerkt, dass mit Ihnen etwas nicht stimmt?

Das war am 9. oder 10. März. Ich war mit einer Freundin auf einer Party in Wien, das war der letzte Abend, bevor dann die ganzen Diskotheken schließen mussten. Im Laufe des Abends ging es mir aber immer schlechter. Mir war schwindelig und ich bekam wenig Luft. Ich hab dann beschlossen nach Hause zu fahren. In der U-Bahn war es dann ganz schlimm. Mir wurde entsetzlich schlecht und schwindelig. Ich wusste, etwas stimmt nicht. So etwas habe ich zuvor noch nie erlebt. Ich musste jedes Mal, wenn die U-Bahn stehen blieb und die Türen öffnete, den Kopf raushalten, um Luft zu holen.

Haben Sie dann den Krankenwagen gerufen?

Nein, ich habe eine Freundin angerufen, die mich dann beruhigt hat. Ich dachte ja anfangs nicht an Corona und bin dann schlafen gegangen.

Wie ging es dann weiter?

Am nächsten Tag habe ich dann Husten bekommen. Ich habe dann die Mama angerufen, weil ich nicht wusste, was ich jetzt tun soll. Sie meinte aber nur, dass es eine normale Grippe ist. Aber es wurde nicht besser. Im Gegenteil. Ich bekam extreme Halsschmerzen, der Husten wurde schlimmer, die Nase war komplett zu und auch sonst verschlechterte sich mein Gesundheitszustand. Am 12. März war es so schlimm, dass ich auf einmal weg war.

Was heißt das?

Ich war halb ohnmächtig. Ich habe die Umgebung nicht mehr so wahrgenommen. Dann bin ich aber aufgewacht und sofort ins Klo gegangen. Dort habe ich dann auch Fieber gemessen. Und da hatte ich dann auf einmal 38,8 Grad Fieber. Ich hatte dann auch das Gefühl, nicht genug Luft zu bekommen. Es hat sich so angefühlt, als wäre ein Stein auf meinem Hals. Ich habe dann zu meiner Freundin, die mit mir zusammenwohnt, gesagt, ich halte es nicht mehr aus, bitte ruf den Krankenwagen. Dieser ist dann sofort gekommen. Die Sanitäter kamen mit einem Ganzkörperschutzanzug, Mundschutz und Brille. Es bestand sofort der Verdacht auf eine Covid-19-Infektion. Das Fieber stieg dann immer weiter an, auf fast 40 Grad. Das machte mir Angst. Sie haben mich dann sofort mitgenommen.

Und kamen dann ins Krankenhaus…

Ja, ich wurde auf die Covid-19 Station des Kaiser-Franz-Josef-Spitals in Wien gebracht. Dort wurde ich dann umgehend getestet, und nach einer schlaflosen Nacht habe ich dann das Ergebnis erhalten. Ich bin positiv. Es wurde mir über eine Sprechanlage mitgeteilt.

Was war Ihre erste Reaktion?

Ich habe angefangen zu weinen. Ich habe zwar vermutet, dass es Covid-19 sein wird, aber ich habe mir dauernd gedacht: Bitte, bitte nicht. In dem Moment hätte ich mir nichts sehnlichster gewünscht als eine Umarmung. Aber das ging ja nicht. Ich habe dann meine Mama angerufen, die mir dann nur gesagt hat: „Ich habe dich lieb. Bitte bleib stark.“

Wie war Ihr Zustand zu dieser Zeit?

Mir ging es immer schlechter: Zum Fieber und dem trockenen Husten sind dann noch starke Kopfschmerzen, Zitteranfälle, Schweißausbrüche und starker Durchfall dazukommen. Ich konnte nichts mehr essen und trinken, weil mir so schlecht war. Und wenn ich mich gezwungen habe, doch etwas zu essen, ist es innerhalb von zwei Minuten wieder rausgekommen. Das war sehr schlimm. In drei Tagen habe ich vier Kilo abgenommen. Ich hatte auch starke Brust- und Lungenschmerzen. Das fühlt sich so an, als hättest du ein Feuer auf der Höhe der Lunge. Es brennt sehr. Irgendwann war ich so energielos und fertig, dass ich dachte, ich schaffe es nicht mehr. Ich konnte nicht mehr schlafen, weil ich so starke Schmerzen hatte und mir meine Psyche keine Ruhe mehr gelassen hat. Ich dachte sogar, das könnte ich nicht überleben. Ich weiß, das ist total blöd, weil mir auch die Ärzte gesagt haben, dass ich jung und stark bin. Aber so etwas geht einem da durch den Kopf. Ich habe mir gedacht, was passiert, wenn ich in drei Tagen nicht mehr da bin? Ich habe dann aber zum Glück jede Menge Schmerzmittel und fiebersenkende Medikamente bekommen, damit die Situation halbwegs erträglich ist.

Wurde es damit besser?

Ja, nur das HIV-Medikament, das ich anfangs bekommen habe und gegen Corona helfen soll, habe ich nicht vertragen. Es hatte starke Nebenwirkungen. Mir wurde unglaublich übel, sodass ich es absetzen musste. Der Körper hat es dann irgendwie alleine geschafft, gegen das Virus anzukämpfen.

Wie haben Sie die Situation vor Ort im Krankenhaus erlebt?

Ich habe mich sehr alleine gefühlt. Keiner darf einem besuchen, ich hätte so gerne meine Mutter bei mir gehabt. Die Krankenschwestern und Ärzte kommen auch nur, wenn es wirklich notwendig ist, ins Zimmer, und müssen immer eine Schutzkleidung und Maske anhaben. Sie haben oft auch nur über die Sprechanlage etwas gesagt. Das Schlimmste war aber, als eine ältere Frau im Nebenzimmer verzweifelt geschrien und geweint hat. Die Ärzte sind dann sofort hingerannt. Das werde ich nie vergessen.

Was hat Ihnen über diese schwere Zeit hinweggeholfen?

Der Kontakt zu meinen Eltern und Freunden. Wir haben jeden Tag telefoniert, miteinander videogechattet. Meine Mama hat mir lange Briefe geschrieben, die mir Mut gemacht haben. Sie hat die ganze Situation sehr mitgenommen. Es sind viele Tränen geflossen, ich habe aber immer versucht positiv zu denken.

Sie sind 22 Jahre alt, also noch sehr jung. Haben Sie an Vorerkrankungen gelitten?

Nein, ich weiß nur, dass ich als Kind sehr oft krank war. Mehr aber auch nicht. Ich bin sonst vollkommen gesund.

Wissen Sie, wo Sie sich mit Corona angesteckt haben?

Das ist schwierig zu sagen. Es gibt mehrere Möglichkeiten: Ich könnte mich in Südtirol angesteckt haben, weil ich dort im Februar zu Besuch war oder eben auf einer Party in Wien.

Wann ging es Ihnen dann zum ersten Mal besser?

Nach etwa drei Wochen. Ich bin zwar schon am dritten Tag entlassen worden, aber gut ging es mir da noch nicht. Ich hatte nur kein Fieber mehr. Alle anderen Symptome wie Durchfall, Kopfweh, Übelkeit waren noch da. Mir wäre schon lieber gewesen, noch länger im Krankenhaus zu bleiben. Das ging aber nicht. Ich musste mich dann in Hausquarantäne begeben. Die ersten Tage daheim waren schlimm. Ich hatte ständig Angst, dass es sich verschlechtern könnte. Mit der Zeit habe ich dann auch nichts mehr riechen und schmecken können. Das ist ein ganz komisches Gefühl. Am Anfang hatte ich auch einen Hautausschlag, der dann mit der Zeit weg ging. Nach etwa zwei Wochen hatte ich dann so einen Art Rückfall. Ich musste nochmal den Krankenwagen rufen, weil ich Atemnot hatte. Zum Glück musste ich nicht mehr ins Krankenhaus zurück. Von da an ging es besser. Seit ein paar Tagen habe ich auch keine Symptome mehr.

Sie haben gesagt, Sie möchten abschließend noch ein paar Worte an die Menschen richten…

Ich möchte einen Appell an alle jungen Leute richten: Nehmt das Coronavirus nicht auf die leichte Schulter. Vielen ist leider immer noch nicht bewusst, wie ernst die Lage ist, nur weil sie nicht davon betroffen sind. Ich sage aber: Denkt auch an eure Eltern oder Großeltern. Ihr seid Träger und könnt sie in Lebensgefahr bringen, wenn ihr nicht die Regeln befolgt. Was würdet ihr tun, wenn sie auf einmal nicht mehr da sind?

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