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„Schulen im Mai öffnen“

Elisabeth Oberrauch

Die Unternehmerin Elisabeth Oberrauch plädiert für eine schnelle Öffnung von Schulen und Kindergärten, um berufstätige Eltern zu entlasten. Ansonsten brauche es ein konkretes Hilfspaket für die Eltern.

„Gedanken einer Mutter und Unternehmerin für die Schritte zur Schnellen Öffnung von Schulen und Kindergärten sowie weiterer Maßnahmen“. Mit diesen Worten beginnt Elisabeth Oberrauch, CHRO der Sportler Gruppe, einen offenen Brief, der an die Südtiroler Politik und Entscheidungsträger gerichtet ist.

Als Unternehmerin, Hausfrau, Ehefrau und Mutter möchte Elisabeth Oberrauch unter dem Aspekt Familie einige Punkte genauer vertiefen. „Ich bin mit den meisten bisherigen Entscheidungen der Regierung einverstanden, weil ich diese als sinnvoll und richtig empfunden habe – nicht einverstanden bin ich hingegen mit den Vorschlägen der aktuell diskutierten Schritte zur weiteren Schließung von Schulen und Kindergärten“, schreibt Elisabeth Oberrauch.

In einem offenen Brief erklärt die Unternehmerin auch warum.

  1. Am 05.03.2020 wurden alle Schulen und Kindertagesstätten geschlossen und bis heute nicht wiedereröffnet. Die aktuelle Diskussion geht sogar erst von einer Öffnung im Herbst aus. Für eine zwischenzeitige Kinderbetreuung gibt es aktuell keine konkrete Lösung. Großeltern dürfen und sollen zu Recht nicht mehr als Kinderbetreuung in Anspruch genommen werden. Die wirtschaftlichen Kosten und potenziellen Schäden von langfristigen Schulschließungen sind zweifelslos sehr hoch. Gleichzeitig werden viele Eltern mit einer Lockerung wieder arbeiten gehen dürfen und stehen somit vor einer erneuten organisatorischen Herausforderung mit der sie aktuell Großteils alleine gelassen werden.
  2. Kinder gelten laut heutigem Wissenstand nicht als Risikogruppe, dennoch waren sie die ersten die vom Lockdown betroffen waren und scheinbar auch die letzten die wieder zurückkehren dürfen.
  3. Die Möglichkeit zur Beantragung einer Elternzeit, sowie von einem Babysitter-Bonus sind gut, jedoch nur eine sehr begrenzte Hilfe.
  4. Eltern, vor allem Mütter werden zu Lehrern. Hausaufgabenpakete werden digital übermittelt, wobei nicht jeder diese Mittel besitzt, geschweige denn das Wissen und die Geduld gewisse Aufgaben korrekt zu übermitteln. Einige weiterhin voll bezahlte Lehrpersonen sind übermäßig fleißig und hilfsbereit, andere lassen kaum etwas von sich hören und verweigern auch mögliche Hilfen. Vor allem für Grundschüler ist eine intensive Betreuung der Kinder bei den Hausaufgaben notwendig und gerade in den unteren Altersgruppen scheint mir die Gefahr einer sozioökonomischen Ungleichheit nochmals stärker. 
  5. Viele Familien sind wochenlang in wenigen Quadratmetern eingesperrt. Ohne Garten und Balkon (aber auch mit) kommt es schnell zu Anspannung und Eskalation von denen besonders Kinder und Frauen betroffen sind. Viele sind von Angst gelähmt, haben nicht den Mut um Hilfe zu rufen. Viele kennen die tolle Möglichkeit von Seelsorgetelefonnummern nicht oder haben Angst dort anzurufen. Wenn ich von Mut spreche, denke ich hier natürlich auch an Männer für die diese neue Situation ständig zu Hause bei und mit den Kinder zu sein auch nicht immer einfach ist.

Als Personalverantwortliche für über 600 Mitarbeiter und somit 600 Familien und Mutter waren die letzten Wochen auch für mich sehr intensiv. Ich selbst habe das Glück gesund zu sein, in einer harmonischen Familie zu leben und ein gesundes Familienunternehmen zu führen. Gleichzeitig habe ich jedoch auch viele Sorgen und Ängste meiner Mitarbeiter aber auch anderer Mütter aufgenommen und möchte deshalb folgende Gedanken und Empfehlungen abgeben:

  1. Eine Wiederöffnung der Schulen und Kleinkindertagesstätten noch im Mai finde ich für die didaktische Kontinuität als unbedingt notwendig. Hierbei geht es mir nicht um Leistung sondern um die Nachhaltigkeit und das Gleichgewicht. Es geht in erster Linie um die Kinder die im Mittelpunkt der Entscheidungen stehen müssen. Es geht aber auch darum berufstätige Eltern zu entlasten und die Gefahr zu reduzieren auf Risikogruppen wie die Großeltern zurück zu greifen. Natürlich müssen sich auch die Kinder an die vorgeschriebenen Hygiene und Sicherheitsmaßnahmen wie Maskenpflicht, Händewaschen etc. gewöhnen, auch eine Temperaturmessung an den Schulen und Kindertagesstätten ist sinnvoll und trägt zur Sicherheit bei. Natürlich muss auch das Lehrpersonal optimal ausgerüstet und hygienetechnisch begleitet werden.
    1. Durch überprüfen der derzeitigen Praktiken und der Schulorganisation, kann die Sicherheit zusätzlich erhöht werden. So können Pausenzeiten je Klasse, eine Staffelung des Schulstarts unterschiedlich organisiert und Spielplätze so umgestaltet werden, dass enge Kontakte vermeidbar sind. Der Abstand in den Klassen ist zu organisieren, auch wenn dies in bestimmten Fällen eine Verkleinerung der Gruppen bzw. Turnusunterrichte bedeuten könnte. Flexibilität ist jetzt von allen gefragt und auch vom Lehrpersonal notwendig.
    2. Mit diesen Voraussetzungen ist eine möglichst schnelle Öffnung der Schulen für mich umsetzbar und grundlegend um eine immer größer werdende soziale Spaltung zu vermeiden.
    3. Auch nur wenige Wochen einer Wiedereröffnung der Schulen sind für mich sinnvoll um zumindest die Coronakrise mit den Kindern aufarbeiten zu können und den Kontakt mit den Mitschülern und den Lehrpersonen aufrecht erhalten zu können. Konkret schlage ich vor, unter der Bedingung, dass die Infektionszahlen stabil bleiben und die oben genannten Maßnahmen eingehalten werden, die Schulen mit 4. Mai wieder zu öffnen.
  2. Sollten die Bildungseinrichtungen wirklich bis Herbst geschlossen bleiben muss ein konkretes Hilfspaket für die Eltern, aber auch für die damit verbundenen Unternehmer geschnürt werden. Eltern die zu Hause bleiben müssen, dürfen weiterhin gut bezahlte Elternzeit beantragen. Insofern ein Unternehmen auf die Arbeitskraft nicht verzichten kann muss man hier auf das bezahlt und zur Verfügung stehende Personal der Kindergärten und Schulen zurückgreifen können. Hierfür ist ein Masterplan zu erstellen.
  3. Viele Eltern haben aufgrund von Saisons- oder auslaufenden Verträgen ihre Arbeit verloren und wissen nicht wie sie ihre Familien weiterhin erhalten können. Hier braucht es schnelle, unkomplizierte Hilfspakete da es bereits jetzt Familien gibt, die sich nicht mal mehr Lebensmittel leisten können. Ein konkreter Vorschlag könnte sein, hier die Zusammenarbeit mit dem ausschließlich ehrenamtlichen Vinzimarkt oder anderen Hilfsorganisationen zu intensivieren. 
    1. Angemessene Ressourcen müssen bereitgestellt werden um Familien die wieder arbeiten dürfen zu schützen. Die Verteilung von Hygienepaketen vor allem für bedürftige Familien wäre ein weiteres tolles Zeichen.
  4. Extrem wichtig finde ich auch, dass man sich nun endlich nicht nur um den „körperlichen“ Schutz kümmert, sondern auch um den „emotionalen“. Viele Menschen, vor allem Großeltern die es gewohnt waren ihre Enkelkinder zu sehen, aber auch viele Alleinstehende sind in den letzten Wochen „emotional“ ausgehungert und alleine gelassen worden. Hier braucht es dringend innovative und vielleicht auch digitale Lösungen (die es ja bereits in einigen Landesteilen gibt) um diesen Menschen wieder mehr Lebensqualität und Menschenwürde zur garantieren. Konkret könnte hier eine landesweite Aktion gemacht werden gleich dieser im Pustertal, bei der Jugendliche den älteren Menschen Funktionen wie Facetime, Whatsapp Videoanrufe oder andere digitale Möglichkeiten erlernen.

Es gilt ein Gleichgewicht zwischen Schutz der Gesundheit, der Verhinderung wirtschaftlicher und sozialer Tragödien und der Achtung der Menschenrechte und Menschenwürden zu finden. Ich bin davon überzeugt, dass Bildung einer der stärksten Prädikatoren für die Gesundheit und den Wohlstand eines Landes ist.

Politische Entscheidungsträger und Forscher sind gefordert sich demnach auch mit anderen Maßnahmen zur sozialen Distanzierung von Schulen zu befasse die viel weniger störend sind als die langfristige, vollständige Schließung.

Auch wenn ich mich normalerweise gerne zurückhalte, bin ich in den letzten Tagen zum Schluss gekommen, dass auch meine Meinung und meine Erfahrungssammlungen der letzten Wochen als Personalverantwortliche und Mutter zu der aktuellen Diskussion beitragen können.

Bitte werten Sie meinen Beitrag als Versuch mit konkreten Impulsen zu positiven Lösungen beizutragen und zu mutigen Entscheidungen zu motivieren. Es geht um die Gesundheit von Körper, Geist und Seele.

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (10)

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  • ostern

    Heute 4 Jugendliche in der Prov. Bozen mit dem Corona v. zu verzeichnen.
    Es lässt sich leicht reden , wenn man keine Verantwortung übernehmen muss.
    Oder, brauchen so manche eine Kinderbetreung und wollen sie in den Kinder-
    garten abschieben?

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