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Julias Prognose

Senatorin Julia Unterberger hofft, dass die Corona-Maßnahmen in Südtirol früher als in anderen Provinzen gelockert werden können. Und sie übt Kritik am Verhalten von Matteo Renzi und Matteo Salvini. 

Tageszeitung: Frau Senatorin, die Frage beschäftigt die BürgerInnen derzeit am meisten: Wann wird Rom die Maßnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus lockern?

Julia Unterberger: Bis Ostern wird in dieser Hinsicht sicher nichts passieren. Nach Ostern wird sich die Regierung die Daten der Verbreitung des Virus anschauen und auf dieser Basis entscheiden, ob punktuell und stufenweise Bereiche wieder geöffnet werden können. Ich hoffe, die Regierung wird es ermöglichen, dass bei der Wiedereröffnung auch lokal unterschiedlich vorgegangen werden kann. Es wäre nicht zielführend, in einer solchen Situation alle Regionen gleich zu behandeln. Es dürfte sich herauskristallisieren, dass bestimmte Provinzen wie Südtirol früher als andere in der Lage sein werden, Bereiche wieder aufzumachen. Daher ist es wichtig zu differenzieren und nicht alle Regionen zentralistisch und einheitlich zu behandeln.

Welche Betriebe können früher aufmachen und welche müssen länger auf eine Lockerung der Sicherheitsvorkehrungen warten?

Man kann davon ausgehen, dass jene Bereiche, die früher zugesperrt wurden, am längsten geschlossen bleiben. Wenn man die beschlossenen Maßnahmen von hinten aufrollt, dann wird das produzierende Gewerbe am schnellsten wieder geöffnet werden können. Dann folgen der Einzelhandel, Cafés und Gaststätten, wobei in jedem Fall strenge Sicherheitsvorkehrungen wie Mindestabstände und Mundschutz eingehalten werden müssen. Beim Tourismus stellt sich die Frage, ob kurzfristig überhaupt Gäste kommen wollen. Erst ganz zum Schluss werden größere Menschenansammlungen wieder erlaubt sein. Das betrifft Kinos, Theater und Sportveranstaltungen mit Publikum.

Letztere dürften bis nach dem Sommer warten?

Davon gehe ich aus. Doch auch was die Öffnungen betrifft, will ich niemandem falsche Hoffnungen machen. Das sind alles nur Hypothesen, Zukunftsperspektiven, mit denen versucht wird, den Menschen die Situation vielleicht ein bisschen erträglicher zu machen. Die Regierung setzt derzeit ihre ganze Kraft dafür ein, das Sanitätswesen vor einem Zusammenbruch zu bewahren und die Intensivstationen nicht zu stark zu überlasten. Große Anstrengungen werden auch dafür unternommen, die Wirtschaft zu unterstützen und sozialen Härtefällen unter die Arme zu greifen. Im Senat wird zurzeit am Dekret Cura Italia gearbeitet. Mein Kollege Dieter Steger, der in der Bilanzkommission sitzt, ist im Dauereinsatz. Die Kommission arbeitet darauf hin, dass das Dekret am 8. April im Plenum behandelt werden kann.

Ex-Premier Matteo Renzi fordert eine rasche Lockerung der Maßnahmen: Man könne nicht ständig zu Hause bleiben und auf die Impfung warten, denn dann würden die Menschen an Hunger sterben. Was ist Ihre Meinung dazu?

Meine Meinung dazu ist, dass es derzeit der völlig falsche Moment ist, mit solchen Vorschlägen vorzupreschen. Es kann nicht sein, dass jetzt, wo Ministerpräsident Giuseppe Conte und Gesundheitsminister Roberto Speranza die Menschen dazu aufrufen, daheim zu bleiben, Renzi hergeht und das Gegenteil fordert. Ihm fehlt leider das Gefühl dafür, was in der jetzigen Phase angebracht ist. Unabhängig davon, hat er natürlich Recht, dass man, ähnlich wie in Deutschland, eine Güterabwägung vornehmen muss. Einerseits muss man die Intensivstationen vor Überlastung schützen, andererseits verhindern, dass der Stillstand der Produktion der Wirtschaft enormen Schaden zufügt. Nur die Art und Weise der Kommunikation ist falsch. Mit solchen Aktionen schadet Renzi sich selbst am meisten: Seine Partei Italia Viva ist von anfangs ca. fünf Prozent auf nur mehr ca. drei Prozent abgerutscht. Renzi sollte endlich einsehen, dass er Teil der Regierung und nicht Teil der Opposition ist. Doch offensichtlich ist er beratungsresistent.

Auch Lega-Chef Matteo Salvini ist lange Zeit dafür eingetreten, die Betriebe offenzulassen, vollzog dann aber eine Kehrtwende …

Salvini ist sowieso jenseits von Gut und Böse. Zuerst beklagte er sich über die Schließung und wollte alles wieder öffnen, danach gingen ihm die Schließungen nicht mehr weit genug: Er ist in der Opposition und tut alles, um der Regierung und Conte zu schaden. Er ist ein reiner Populist, der sich noch dazu ständig im Ton vergreift. Jetzt, wo die nördlichen Staaten von Europa verständlicherweise damit zögern, für die Verschuldung der südlichen Staaten einzustehen, attackiert Salvini wieder Europa. Vor kurzem hat er auf Facebook zu Europa geschrieben: Fate schifo, andate a cagare! Mit so einem Ansatz wird er nicht weit kommen. Ich bin froh, dass dieser Mann derzeit weit entfernt davon ist, Regierungsverantwortung zu tragen. Man stelle sich nur vor, dass Italien in dieser Krise nicht von Conte, sondern von Salvini geführt werden würde! Gleichzeitig muss man feststellen, dass die Lega-Präsidenten der Regionen im Norden, wie Luca Zaia und Attilio Fontana, durchaus verantwortungsbewusst und kooperativ mit der Regierung zusammenarbeiten. Kommentatoren sagen, dass Salvinis größte Sorge derzeit nicht der steigenden Beliebtheit von Giuseppe Conte gilt, sondern dass ihn die Beliebtheitswerte von Zaia und Fontana besorgen, die ihm den ersten Rang in seiner Partei streitig machen könnten. Dagegen versucht er mit allen Mitteln anzukämpfen.

Interview: Matthias Kofler                    

 

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Kommentare (36)

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  • pingoballino1955

    Salvini ist unterste Schublade,nicht mal in so einer extrem kritischen Phase,hört er mit seinem Populismus auf. Hätten wir Salvini anstatt Conte,dann „GUTE NACHT“

  • gredner

    Wir brauchen dringend einen Test auf Antikörper.
    Wenn wir dann feststellen können, dass 80% der Bevölkerung die Infektion bereits hinter sich hat (wie in Gröden von Ärzten und Statistikern vermutet wird), dann können dort die Betriebe wieder sukzessive öffnen.

  • vagabund

    Es wird keinen Sonderstatus für Südtirol geben, schlagt euch das aus dem Kopf!!!

  • hallihallo

    und immer schön mit mundschutz und abstand halten.

  • vagabund

    In Österreich haben sich viel mehr Junge angesteckt, weil man die Skigebiete und die Pubs allgemein länger offen hat lassen….

    Wo ich Recht gebe: bei uns hat man in den Altersheimen viel zu spät reagiert!
    Man hat vor allem auch nicht die Mitarbeiter getestet, genauso wenig wie in den Krankenhäusern.
    Dort hat man bis vor 3 Wochen ja die Besucher auch nicht getestet….

  • robby

    Hat die Dame etwas mit Conte am Laufen?
    Kein Foto ohne Conte in letzter Zeit.

    • leser

      Robby
      Du trottl
      Die unterbelegt ist die einzige Politikerin die Manieren und Umgang hat
      Das sie vielleicht nicht viel bewegt liegt daran dass der Verein Politik ein Club ist der vorwiegend von aussen gesteuerten Interessengruppen hörig aber das ist ein anderes Thema
      Natürlich kann sie der biancfiora oder der Uli Maik das Wasser nicht reichen

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