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Der tägliche Kampf

Intensivstation Meran: Im Schnitt werden Patienten zwei bis drei Wochen beatmet

In den Intensivstationen der Südtiroler Krankenhäuser kämpfen Ärzte und Pfleger um das Leben der Corona-Patienten. EIn Blick hinter die Kulissen. 

Tageszeitung: Herr Primar, Landesrat Thomas Widmann hat in einer der letzten Pressekonferenzen angemerkt, dass wir die Intensivpatienten und -betten gerade noch im Griff haben und ohne die Auslieferung von elf Patienten ins Ausland bereits vor drei Tagen praktisch null Plätze gehabt hätten. Ist die Situation nach wie vor kritisch?

Marc Kaufmann (Medizinischer Einsatzleiter): In den letzten Tagen hat sich die Situation etwas stabilisiert, das heißt, wir sprechen im Schnitt von einem neuen Intensiv-Patienten innerhalb von 24 Stunden. Und wenn die Situation sich weiterhin in dieser Geschwindigkeit entwickelt, dann können wir es wirklich schaffen.

Vor einigen Tagen noch hat sich die Situation aber relativ schnell verändert. Damals haben wir von vier bis sechs Neuzugängen innerhalb von 24 Stunden gesprochen, was dann wiederum dazu führt, dass die Kapazitätsgrenzen viel schneller erreicht werden – auch wenn wir die Bettenzahl laufend ausgebaut haben. Wir versorgen bereits jetzt fast doppelt so viele Intensiv-Patienten (jene im Ausland eingerechnet), wie Südtirol üblicherweise intensivmedizinische Kapazitäten hat.

In Südtirol gibt es normalerweise 35 Intensivbetten.

Genau. Und jetzt intubieren wir 51 Covid-Patienten im Land und elf weitere werden im Ausland betreut.

Reicht die aktuelle Bettenzahl aus, oder müssen noch weitere Plätze geschaffen werden?

Wir sind gerade dabei, die provisorischen 18 Intensivbetten im neuen Krankenhaus Bozen zu optimieren und diese Betten nach und nach mit professionellen Geräten auszustatten – was vorerst ausreicht. Durch diese Räumlichkeiten könnte die Bettenzahl – wenn alle Stricke reißen – allerdings sukzessive bis auf insgesamt 90 Betten erweitert werden.

In Deutschland kommt man laut Statistischem Bundesamt auf 33,9 Intensivbetten je 100.000 Einwohner, in Italien allerdings nur 8,6 Intensivbetten. Gibt es diesbezüglich auch in Südtirol Nachholbedarf?

Man kann Intensivbetten nicht 1:1 vergleichen. In Deutschland und Österreich werden vielfach auch in kleinen Krankenhäusern Intensivbetten deklariert, wo Patienten nach einer OP überwacht werden. Diese Sub-Intensiv-Betten gibt es bei uns auf den verschiedenen Stationen auch, werden von uns aber nicht als Intensivbetten gezählt. Als Intensivbetten werden bei uns wirklich nur High-End-Intensivbetten mit komplexen Beatmungsstrategien usw. gezählt. Allerdings werden auch diese Sub-Intensiv-Betten in dieser Covid-Situation mitbenützt, da es nicht nur Patienten gibt, denen es entweder gut geht oder die beatmet werden müssen, sondern auch Patienten, die irgendwo dazwischen sind.

Was wir aber in Südtirol geschafft haben – die Anzahl der Intensivbetten innerhalb von kürzester Zeit zu verdoppeln und bei Bedarf sogar zu verdreifachen – ist wirklich eine einzigartige Leistung. Wir sind vielleicht mit einem etwas kleineren Kontingent gestartet, was aber auch mit den chirurgischen Tätigkeiten zusammenhängt, die angeboten werden – aber die Bettenzahl war sicher für unsere Bedürfnisse angemessen und bisher immer ausreichend – mit Puffer für die touristische Hochsaison, wenn noch mehr Leute im Land sind.

Marc Kaufmann

Kommen wir zur Personalsituation auf den Intensivstationen. Gibt es genug Personal, um dieser neuen Herausforderung gerecht zu werden?

Die Personaldecke ist bereits seit Wochen sehr angespannt und es arbeiten wirklich alle auf Hochtouren.

Wie viele Ärzte und Pfleger kümmern sich um die Covid-Patienten?

Normalerweise ist ein Arzt für fünf bis sechs Patienten zuständig und eine Krankenpflegerin für zwei bis drei Patienten – das ist ein Standardschlüssel für Intensivstationen. Da die Personaldecke in der derzeitigen Ausnahmesituation allerdings sehr angespannt ist, kann es durchaus vorkommen, dass eine Pflegekraft beispielsweise für drei bis vier Patienten zuständig ist.

Da Covid-Patienten mit intensivmedizinischer Betreuung intubiert werden, brauchen sie eine kontinuierliche ärztliche Assistenz, ein Facharzt für Intensivmedizin und Anästhesie muss also rund um die Uhr  anwesend sein. Das auch, weil es oft gilt Entscheidungen und Maßnahmen zu treffen, die nicht mehrere Minuten warten können sondern sofort erfolgen müssen – beispielsweise bei einem Kreislaufzusammenbruch, Problemen mit der Beatmung usw. – da kann ein Arzt nicht erst in 15 Minuten kommen, sondern muss sofort da sein.

Wie lange bleiben die Corona-Patienten durchschnittlich auf der Intensivstation?

Es handelt sich meistens um Langzeitbeatmungen, im Schnitt liegen Patienten zwei bis drei Wochen auf der Intensivstation. Und genau das macht die Situation wieder kritisch, denn auch wenn man nur geringe Zuläufe hat, die Patienten bleiben relativ lange und daher werden die Kapazitäten früher oder später auch mit diesem tröpfchenweisen Zugang voll.

Herr Primar, elf Patienten wurden nach Deutschland und Österreich verlegt. Wie genau läuft diese Verlegung ab? Und nach welchen Kriterien wurden diese Patienten ausgewählt?

Diese Entscheidungen wurden in einer Phase getroffen, als es sehr viele Neuzugänge gab. Da stand dann einige Tage die Frage im Raum, wie es morgen weitergehen soll oder wie wir am Wochenende weitermachen. Es waren viele strategische und oft auch schwierige Entscheidungen zu treffen, aber trotzdem ist es uns gelungen, die Situation im kontrollierten Bereich zu halten.

Als wir gesehen haben, dass wir diesen Zuwachs nicht lange durchhalten, hat man Hilfe aus Österreich angenommen und die Patienten relativ schnell und professionell mit teilweise drei Ärzten an Bord in intensivmedizinisch ausgestatteten Transportwägen verlegt. Das war wirklich eine logistische Meisterleistung.

Bei den Patienten hat man jene ausgewählt, die eine gute Prognose hatten und am Beginn ihres Krankheitsverlaufes standen – wir haben nicht jemanden verlegt, der in absehbar Zeit wieder entlassen werden kann, sondern jemanden, der zwei oder drei Wochen auf der Intensivstation geblieben wäre.

Glauben Sie, dass in den nächsten Wochen noch weitere Patienten verlegt werden müssen? Wäre das überhaupt noch möglich?

Wir müssen aktuell nicht alle Angebote annehmen, sind aber sehr dankbar dafür und behalten uns diese natürlich im Hinterkopf. Wir haben wirklich gute Kontakte – auch persönliche – mit Kollegen in Österreich, Deutschland und der Schweiz. Viele Ärzte haben diesen Verlegungen aber auch zugestimmt, weil man wusste, dass sich das Virus weiter ausbreiten wird, und sich die Mediziner in anderen Spitälern mit einem Patienten vor Ort besser auf die Situation einstellen können.

Interview: Lisi Lang

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (9)

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  • george

    Ihr zwei ‚goggile u. fronz‘ seid wirklich unterste Schublade.

  • insider84

    Zum Glück haben wir ja jetzt wieder Schutzausrüstung, vermittelt von der Oberalp. Über 9 Mio € wurde bezahlt für Masken und Schutzmäntel. Das ist auch in Ordnung. Nicht in Ordnung ist, dass wir für den Transport (fast 1 Million) zahlen müssen und ebenso die Verzollung übernehmen müssen. Aber für gute Freunde vom Landesrat werden eben Ausnahmen gemacht. Der nächste Deal steht schon vor der Tür…

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