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Tränen in der Aula

Daniele Belotti

Das Parlament als Virusschleuder: Mehrere Abgeordnete wurden positiv auf Corona getestet, darunter auch ein Sitznachbar von Manfred Schullian und Co.

Von Matthias Kofler

Ministerpräsident Giuseppe Conte hat bei einer Ansprache vor dem Parlament das Land angesichts der Coronavirus-Epidemie zum Zusammenhalt aufgerufen. Italien und die EU seien mit einer „präzedenzlosen Krise“ konfrontiert, sagte Conte vor einer halb leeren Abgeordnetenkammer in Rom. Viele Parlamentarier verfolgten die Ansprache von zu Hause aus, um Menschenansammlungen in der Kammer zu vermeiden.

Ein ergreifender Moment war die Wortmeldung von Daniele Belotti: Der Lega-Abgeordnete stammt aus der besonders betroffenen Stadt Bergamo, wo bereits über 1.200 mit dem Coronavirus infizierte Menschen ihr Leben lassen mussten: „Ich habe heute die Front verlassen, um hierher zu kommen und die Stimme für ein leidendes Gebiet zu erheben. Wir wissen nicht mehr, wohin wir die Toten bringen sollen, und wir wissen nicht mehr, wo wir die Kranken behandeln sollen“, sagte Belotti mit zitternder Stimme. Dann fügte er, sichtlich den Tränen nahe, hinzu: „In Bergamo herrscht eine schmerzhafte Stille, die Stille von Familien, die leiden, weil sie sich nicht von ihren Lieben verabschieden können. Eine ganze Generation geht verloren.“

Renate Gebhard hat die bewegende Rede von zu Hause aus mitverfolgt. Aus logistischen Gründen war es ihr und den beiden anderen SVP-Kammerabgeordneten Manfred Schullian und Albrecht Plangger nicht möglich, rechtzeitig zur Sitzung nach Rom zu kommen: Die Conte-Anhörung war kurzfristig um einen Tag vorverlegt worden. „Der einzige Zug, um rechtzeitig in Rom zu sein, wäre am Vortag um 15 Uhr gewesen, da wussten wir aber von der Vorverlegung noch nichts“, erklärt die SVP-Politikerin.

Ob anwesend in der Aula oder vor dem Bildschirm im Homeoffice: Belottis Rede wird allen in Erinnerung bleiben. „Die Bilder von den Militärkonvois, die die Leichen wegbringen, und von der dramatischen Situation in den überfüllten Behandlungssälen des Krankenhauses von Bergamo bewegt auch uns“, sagt Gebhard. Durch solche Bilder werde allen die Tragik bewusst.

Das Parlament ist derzeit in einer besonders schwierigen Situation: Bei Contes Auftritt in der Kammer durfte pro Fraktion nur ein Sechstel der Mitglieder anwesend sein. Der Grund: Der Palazzo Montecitorio und der Palazzo Madama sind ein idealer Ort zur Verbreitung des Virus, da die Volksvertreter von allen Teilen des Landes kommen und wieder nach Hause fahren. Es gibt bereits mehrere positiv getestete Abgeordnete. In der Kammer sind fünf Fälle bekannt: Einer davon ist Claudio Pedrazzini von der gemischten Fraktion. Er sitzt nur drei Reihen vor Manfred Schullian und Co.

In der kommenden Woche steht die Behandlung des Notstands-Dekrets auf der Tagesordnung. Aufgrund der engen Sitzbänke im Parlament hat man entschieden, die Abstimmungen von nun an – wie bei der Vertrauensfrage – über den Namensappell durchzuführen. Dadurch brauchen sich nur jene Mandatare in der Aula aufhalten, die an der Reihe sind abzustimmen. Die anderen warten in ihren Büros. Über Abänderungsanträge soll per Handzeichen abgestimmt werden. Dass man auf einen anderen, größeren Sitzungssaal ausweicht, wie von einigen fordert, glaubt Gebhard nicht.

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