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Das Virus als Chance

Sepp Kusstatscher

Der ehemalige EU-Abgeordnete Sepp Kusstatscher sinniert in einem Gastkommentar über einen Ausweg aus der Krise und plädiert für die Einführung eines Grundeinkommens.

von Sepp Kusstatscher

Höchste VertreterInnen der Politik, u.a. Bundeskanzlerin Angela Merkel, bezeichnen die derzeitige Krise als die größte nach dem Zweiten Weltkrieg.

Das Coronavirus hat in kürzester Zeit alles verändert. Manche sind in panischer Angst, in tiefer Depression, fast in Schockstarre.
Andere meinen, hernach würde man alles wieder neu beleben und dann ordentlich durchstarten. Die Wirtschaft werde sich schon wieder erholen…
Viele kreative Köpfe hingegen sehen die Krise als Chance für Veränderungen, für eine radikale Veränderung von Kultur und Lebensstil hin zu einer ökosozialen und nachhaltigen Politik.
Der derzeitige Stillstand, jetzt genau in der Fastenzeit, kann als Zeit des Nachdenkens und der Umkehr genutzt werden. Das Bedingungslose Grundeinkommen für alle wäre eine Vision, eine Reaktion auf den neoliberalen Kapitalismus, der seit Jahrzehnten die Hauptursache ist für gewaltige Umweltzerstörungen und für die ungerechte Verteilung der Güter dieser Welt.
Das erste Killerargument gegen ein „Grundeinkommen für alle“ ist wohl bei vielen die Überzeugung, dass es nie und nimmer finanzierbar sei, vor allem jetzt nicht in dieser Wirtschaftskrise.
Wenn aber die Politik so engagiert reagiert und durchgreift wie in diesen Wochen auf das Coronavirus, dann finden sich leicht auch Wege hin zur Einführung eines Grundeinkommens und auch zur Finanzierung. Auf dieser Welt wäre genug für alle da. Es ist allerdings immer zu wenig für die Gier und Maßlosigkeit der bereits Reichen.
Eine andere Steuerpolitik müsste steuern, massiv gegensteuern. Beispiele, wo viele Geldmittel fairer- und sinnvoller Weise gefunden werden könnten und müssten:
mit einer Transaktionssteuer für all jene, die aus Geld unheimliche Wertsteigerungen erzielen;  
mit einer Steuer auf Spekulationen, durch welche Reiche immer reicher werden [laut Oxfam-Studie besitzen 42 (!) Milliardäre so viel wie die halbe Welt];
auch eine kräftige Ökosteuer wäre dringend notwendig, damit unsere Mutter Erde sich wieder erholen kann. Am 29. Juli 2019 war bereits der „Earth Overshoot Day“, an welchem die Menschheit so viel verbraucht hatte, wie die Erde im ganzen Jahr erneuern kann.
Wenn die Steuerpolitik sich in diese Richtung bewegt, dann könnte die Arbeit insgesamt steuerfrei werden, dann gäbe es keinen Druck mehr, immer mehr produzieren und konsumieren zu müssen. Und in der Folge würden weitaus weniger Ressourcen verschleudert und weniger weggeworfen…
Anzufangen ist bei einer europaweit einheitlichen Steuer. Südtirol könnte als „Rufer in der Wüste“ anfangen. Wir haben sonst ja auch so oft den Ehrgeiz, Klassenprimus zu sein. Warum nicht einmal bei einer ethisch begründeten Idee, die eine wohltuende Veränderung für die gesamte Menschheit brächte.
Was würde ein Grundeinkommen vor allem bewirken?
Mehr Freiheit und Gerechtigkeit
Weniger Existenzängste  
Gewaltigen Bürokratieabbau in der Sozial- und Wirtschaftspolitik  
Weniger Druck auf eine Vollbeschäftigung möglichst aller  
Mehr Würde für jeden Menschen.
Der „reddito di cittadinanza“ und „Hartz IV“ sind keine Lösung, weil sie überbürokratisch sind und auf eine falsche Beschäftigungspolitik mit Zwang zur Arbeit aufbauen. 
Sehr geehrter Herr Landeshauptmann, haben Sie den Mut, erste Schritte hin zu einem bedingungslosen Grundeinkommen für alle zu machen!
Der Weg ist sicher ein weiter und kann nicht von heute auf morgen begangen werden. Aber es gibt bereits interessante Beispiele weltweit, die wichtige Ergebnisse aufgezeigt haben.
Wir sollten sie berücksichtigen und dort weitermachen, wo auch in Südtirol bereits Vorschläge unterbreitet wurden.
So haben das Land (Landesrat Richard Theiner) und die Sozialpartner im Jahre 2012 einen Tisch eingerichtet, welcher einen Vorschlag unterbreitet hat, wie die finanziellen Grundsicherungsleistungen des Landes, der Region und des Staates beim Land zusammengefasst und in ein reformiertes und vereinfachtes Leistungssystem überführt werden können. Der inzwischen eingeführte „Reddito di cittadinanza“ ist in dieses neue System zu integrieren.
Die Vereinfachung und Zusammenführung der Leistungen der Grundsicherung ist auch in der Regierungsvereinbarung der Landesregierung 2018-2023 vorgesehen.
Und bauen wir dabei unnötige Bedingungen ab, die dem Grundgedanken einer umfassenden Grundsicherung – eben Grundeinkommen – zuwiderlaufen und sehr häufig in Verwaltungsschikane und entwürdigenden bürokratischem Hürdenlauf enden.
Die bedingungslose Absicherung der Existenz jedes Menschen ist ein Grundrecht, wie es in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von den Vereinten Nationen 1948 als Botschaft nach dem Zweiten Weltkrieg festgeschrieben wurde.  
Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (20)

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  • leser

    Das bedingungslose grundeinkommen wird genau bon denen abgelehnt die vorrangig davon profitieren wûrden
    Das demokratische grunddenken hat sich sehr weit von den köpfen entfernt dass sich die 42 milliardäre keine gedanken machen brauchen um ihre geldvermehrung denn sue werden davor beschützt von der unteren schickt

  • prof

    @franz1
    Was heisst hier System Italien,wobei meiner Ansicht das Grundeinkommen sicher nicht kommen wird. Ein Bekannter von mir in Deutschland bekommt sein Geld über Harz4,und sagt,warum soll ich arbeiten,mir geht es so auch gut und habe noch einen Nebenverdienst.Inzwischen wäre die BRD sicher froh wenn sie Harz4 wieder abschaffen könnten.

  • george

    Lernt einmal zu verstehen, was „Grundeinkommen“ ist. Es ist sicher nicht eine Anleitung zum Nichtstun, aber auch nicht eine Art von „Harz IV“ oder von „reddito di cittadinanza“. Nein, es ist völlig was anderes.

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